Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Vir illustris, illuster (deu)

Vir illustris/illuster: wörtlich „ vornehmer Mann“.

Konnten seit der römischen Republik generell Personen von hohem Rang als viri illustres bezeichnet werden, so beschränkte sich die Verwendung dieser Bezeichnung in der Spätantike zunehmend auf die höchsten senatorischen Ränge^{1 C. Gizewski, „Illustris vir“. In der Notitia Dignitatum (Not. dign. or. 2–15 und oc. 2–13) werden etwa quaestor, magister militum, praefectus praetorio und comites als viri illustris bezeichnet. Zum vir illustris in Antike und Spätantike vgl. auch A. Chastagnol, Le Sénat romain, S. 293–324; H. Löhken, Ordines dignitatum, S. 112–147 und A. Chastagnol, Le formulaire de l'épigraphie latine, S. 43–46.}. In der Merowingerzeit wurde der Titel nahtlos weiter zur Auszeichnung hochrangiger Persönlichkeiten verwendet^{2 Vgl. dazu mit zahlreichen Beispielen H. Reimitz, Viri inlustres, S. 139–141. So tauchen etwa in der von Reimitz genannten Zeugenliste die meisten viri illustres ohne weitere Amtsbezeichnungen auf. Ausnahmen sind ein comes und ein maior domus. Es gibt auch Hinweise darauf, dass möglicherweise auch Mitglieder der königlichen Kanzlei viri illustres sein konnten. Zur umfangreichen Forschungsdebatte zum vir inluster in den merowingischen Herrscherurkunden vgl. H. Reimitz, Viri inlustres, S. 133f.}. Mit dem Aufstieg der Karolinger zum Königtum wurde der vir illuster vorübergehend Bestandteil der herrscherlichen Intitulatio. Darüber hinaus blieb er zunächst unverändert einem beschränkten elitären Personenkreis vorbehalten, bis im 9. Jahrhundert verstärkt comites mit ihm ausgezeichnet wurden^{3 H. Reimitz, Viri inlustres, S. 123–150. Eine Wiederaufnahme des vir illuster in die fränkische Herrschertitulatur fand unter Karl III. dem Einfältigen statt, wurde jedoch rasch wieder aufgegeben. H. Wolfram, Lateinische Herrschertitel, S. 116–122. Zum Verschwinden vgl. K. Brunner, Fränkische Fürstentitel, S. 199f.}. Im Laufe dieser Entwicklung verschwand der Zusatz vir zunehmend, sodass bis ins 10. Jahrhundert der illustris/illuster comes zur Regel wurde^{4 K. Brunner, Fränkische Fürstentitel, S. 200–203. Für die Fürstentitel in den einzelnen regna vgl. K. Brunner, Fränkische Fürstentitel, S. 215–325.}.