Festuca: Halm, Rute, Stäbchen1 DNG I, „festuca“, Sp. 2113..
Im frühen Mittelalter wurden festucae in symbolischen Handlungen vor einer Öffentlichkeit zur Visualisierung von Rechtsvorgängen verwendet. Es ist unklar, ob es sich bei diesen um Halme, Ruten oder Stäbchen handelte. Allgemein stand das Ergreifen der festuca für die Anerkennung eines Rechtszustandes und damit die Übernahme einer Verantwortung, das Wegwerfen oder Zerbrechen dagegen für einen Verzicht. Vor Gericht etwa konnte das Ergreifen der festuca durch die unterlegene Partei die Zustimmung zum Urteil ausdrücken, die Übergabe der festuca an eine andere Person die Übertragung der Verantwortung für den Prozess an diese und das Wegwerfen oder Zerbrechen der festuca dagegen die Lossagung von etwas.2 K. v. Amira, Der Stab, S. 145; P. Fouracre, Placita, S. 34; P. S. Barnwell, Action, Speech and Writing, S. 21f.; W. Müller, Fertigung, S. 29. Bei Eigentumsübertragungen fand die festuca im sogenannten Schoßwurf (lesewerpus) Verwendung. Das Werfen der festuca symbolisierte den vollständigen Verzicht auf das bisherige Eigentum, das Aufnehmen der festuca wiederum die Übernahme des Eigentums. In der Lex Salica ist dieser Schoßwurf in ein Verfahren in drei Akten gegliedert: 1. Vor Gericht wirft der Verfügende die festuca einer Mittelsperson in den Schoß und erklärt wem, wann und in welchem Ausmaß das durch die festuca symbolisierte Vermögen zufallen soll; 2. Die Mittelsperson weilt im Haus des Verfügenden und hält dabei dem durch die festuca symbolisierten Vermögen entsprechendes Mobiliarvermögen in ihrer Gewalt; 3. Erneut vor Gericht wirft die Mittelsperson die festuca der vom Verfüger begünstigten Person in den Schoß und überträgt damit symbolisch das ihr anvertraute Vermögen3 Lex Salica 46; vgl. zu diesem Vorgang A. Schmidt-Recla, Mancipatio familiae, S. 473-481. Dieses sogenannte Affatomie-Verfahren erscheint in der Lex Salica im Zusammenhang mit dem Erbrecht (terminus technicus für den Begünstigten ist in 46,3 und 46,6 heres), war aber wohl kaum auf dieses beschränkt.. Noch im frühen Mittelalter wandelte sich der Schoßwurf in vielen Regionen zur Überreichung der festuca4 K. v. Amira, Der Stab, S. 147f.. Im französischen Rechtsbereich ist die Stabreichung zur Besitzverschaffung bis zum Ausgang des Mittelalters belegt5 W. Müller, Fertigung, S. 31..
HL