Libertus: Freigelassener; oft auch umschrieben mit qui manumissus est1 G. v. Olberg, Freiheitsbegriff, S. 418f.; E. Magnou-Nortier, Servus – servitium, S. 277. Synonym zu libertus scheinen gelegentlich auch litus oder aldionis verwendet worden zu sein. J.-P. Devroey, Puissants, S. 270..
In der römischen Zeit waren Freigelassene den Freien rechtlich weitestgehend gleichgestellt, blieben jedoch, zunächst informell, an den freilassenden Herrn gebunden2 A. Rio, Slavery, S. 75; H. Mouritsen, Freedman, S. 57-58. Bis zur Aufhebung durch Justinian wird zwischen zwei Formen der durch die Freilassung erworbenen Freiheit unterschieden. Die volle Freiheit mit der Verfügungsgewalt über das peculium (die libertas Romana) und dem Testierrecht konnte nur durch ein Testament erhalten werden. Demgegenüber stand die eingeschränkte Freiheit des iugum Latinae libertatis, die durch eine epistola libertatis erreicht wurde. H. Grieser, Sklaverei, S. 143; A. Nitschke, Freilassung, S. 222 und 225., traten in seine Patronatsgewalt ein und übernahmen häufig exakt festgelegte Dienste (operae libertorum3 H. Grieser, Sklaverei, S. 150-153; S. Esders, Formierung, S. 23. Vom Freigelassenen zu leistende Dienstbarkeiten und Abgaben konnten etwa Todfallabgaben und Kopfzins beinhalten. Auch behielt der Herr als Patron das Recht, einer Eheschließung seines Freigelassenen zu widersprechen. S. Esders, Formierung, S. 23-30.. In der Spätantike durch gesetzliche Regelungen weiter gestärkt4 A. Rio, Slavery, S. 77-79; S. Esders, Formierung, S. 30f. So konnte der Freigelassene bei erwiesener Undankbarkeit gegenüber dem Patron seine Freiheit wieder verlieren. Darüber hinaus wurde die Patronatsgewalt nun erblich, die Abhängigkeit des Freigelassenen von seinem Patron also über dessen Tod hinaus perpetualisiert. , findet sich die Patronatsgewalt des Freilassers über den Freigelassenen, häufig verbunden mit Verpflichtungen zu Diensten und Abgaben auch im frühen Mittelalter, wobei die Beziehung zwischen Freigelassenem und Freilasser weiter entpersonalisiert und stärker durch rechtliche Bedingungen bestimmt worden zu sein scheint5 G. v. Olberg, Freiheitsbegriff, S. 419; J.-P. Devroey, Puissants, S. 270; A. Rio, Slavery, S. 76. Die exakte Ausformung dieser Dienste und Abgaben war das Ergebnis individueller Aushandlungsprozesse und variierte entsprechend stark. A. Rio, Slavery, S. 211. Entgegen S. Esders, Formierung, S. 30-32 und J. Barschdorf, Freigelassene, geht Rio nicht von einer Kontinuität zwischen der antiken und der frühmittelalterlichen Freilassung aus, sondern betont die Unterschiede hinsichtlich der Beziehung zwischen Freilasser und Freigelassenem sowie den Verpflichtungen des Freigelassenen gegenüber dem Freilasser.. Libertus entwickelte sich nun zu einem Status, der auch auf die Nachkommen vererbt werden konnte6 J.-P. Devroey, Puissants, S. 270; A. Rio, Slavery, S. 76.. Freilassungen erfolgten in der Öffentlichkeit des Forums oder, seit Konstantin dem Großen, auch in Kirchen, wobei die jeweilige Kirche, in der die Freilassung erfolgte, die Schutz- und Versorgungspflichten des Patrons übernahm7 S. Esders, Formierung, S. 32f.; A. Rio, Slavery, S. 102-105.. Spätestens mit Beginn des 7. Jahrhunderts wurde es den Freigelassenen und ihren Nachkommen verwehrt, die Patronatsgewalt der Kirche jemals zu verlassen8 S. Esders, Formierung, S. 38 und 43. Esders sieht in dieser Entwicklung ein Fortleben des spätantiken Patronatsrechts. Sonderbehandlungen von kirchlichen Freigelassenen sind in der Lex Ribuaria bezeugt und finden sich in verschiedenen Regionen östlich des Rheins. S. Esders, Formierung, S. 57f. D. Hägermann, Aspekte, S. 60, spricht von einer servitutis vel libertinitatis obsequium, einer eingeschränkten Form der Freiheit, in welche Freigelassene der Kirche übergegangen seien.. Mit der zunehmenden Fixierung von Abgaben und Dienstpflichten seit dem 8. Jahrhundert setzte eine Angleichung an jene anderer rechtsständischer Gruppen ein, die seit dem 9. Jahrhundert zur Auflösung der Unterschiede zwischen diesen führte9 H.-W. Goetz, Serfdom, S. 34; W. Rösener, Vom Sklaven zum Bauern, S. 85-87.. Damit einher ging die Aufgabe der bis dahin vorherrschenden begrifflichen Differenzierung zwischen ingenui, liberti und servi zu Gunsten des homo10 D. Hägermann, Aspekte, S. 62-65; W. Rösener, Vom Sklaven zum Bauern, S. 86f. Diese Angleichung stellt auch D. Barthélemy, The serf, the knight and the historian, S. 96-97, für das 11. Jahrhundert fest. Dagegen jedoch A. Rio, Slavery, S. 108f., derzufolge Barthélemy die Unterschiede der verschiedenen Freilassungsformen nicht genug berücksichtigt..
HL