Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Liber vitae (deu)

Liber vitae: Buch des Lebens; Memorialbuch.

Nach biblischer Vorstellung handelt es sich beim Buch des Lebens um ein himmlisches Buch, in welchem die Namen der Gerechten verzeichnet sind, die nach dem Jüngsten Gericht ins Himmelreich einziehen dürfen, wohingegen die Namen der Sünder aus dem Buch gestrichen werden^{1 L. Koep, Das himmlische Buch, S. 31-36; R. Hugener, Gestrichen aus dem Buch des Lebens, S. 203. Zu den biblischen und römischen Wurzeln (census-Listen der römischen Bürger, Militärmatrikel) vgl. L. Koep, Das himmlische Buch, S. 68-100. Knapp zusammenfassend auch H. Kohlenberger, Buch des Lebens.}. Analog zu diesem Buch des Lebens entstanden im frühen Mittelalter die sogenannten libri vitae oder libri memoriales, liturgische Verzeichnisse und später Memorialbücher, in welche die Namen von bestimmten Gläubigen^{2 So die Namen der Angehörigen eines Klosters oder einer Kirche, von Stiftern und Besuchern, aber auch von ganzen Gruppen, die so Verbrüderungsgemeinschaften bildeten. Vgl. dazu grundlegend: K. Schmid, Gebetsgedenken; K. Schmid/J. Wollasch, Memoria; O. G. Oexle, Memoria als Kultur.} eingetragen wurden. Sie sollten das Gedenken an die eingetragenen Personen sichern und waren Ausdruck des Glaubens an die Wirksamkeit von Gebetshilfe und Fürbitte: Verbunden mit der Eintragung war die Hoffnung, Gott möge die Seelen der im Buch verzeichneten in sein eigenes Buch einschreiben^{3 K. Schmid/J. Wollasch, Die Gemeinschaft, S. 366f.; R. Hugener, Gestrichen aus dem Buch des Lebens, S. 203-205; L. Koep, Das himmlische Buch, S. 113-116. Eine Übersicht über verschiedene libri memoriales bietet etwa R. McKitterick, Geschichte und Memoria, S. 18-24.}. Personen, die der damnatio memoriae anheimgefallen waren, wurden wiederum aus den Büchern gestrichen^{4 Vgl. dazu R. Hugener, Gestrichen aus dem Buch des Lebens. Neben der Streichung einzelner Personen finden sich im gleichen Sinne auch die Vernichtung von Seiten oder ganzer Bücher.}.