Lex: wörtlich „das Gesetz“1 DNG II, „lex I B“, Sp. 2866f..
Zunächst die Bezeichnung für die Entscheidung einzelner Rechtsfälle, entwickelte sich lex in der frühen Kaiserzeit zur allgemeinen Bezeichnung für Gesetze2 G. Köbler, Recht, S. 153f.; A. Laquerrière-Lacroix, Ius et Iustitia, S. 31. Zur Herkunft des Begriffes lex aus dem priesterlich-religiösen Kontext und seiner anhaltenden Verflechtung mit dem mos maiorum vgl. P. Kreutz, Romidee, S. 50-56.. In Ergänzung zum mos maiorum3 G. Dilcher, Fragen und Probleme, S. 27; P. Kreutz, Romidee, S. 54. bildete die lex als gesetztes Recht gemeinsam mit der von ihr abgegrenzten consuetudo (dem Gewohnheitsrecht4 D. Nörr, Entstehung, S. 361f. das ius (Recht) und wurde (gemeinsam mit der consuetudo) zum zentralen Orientierungspunkt für die Rechtspraxis5 U. Wolter, Consuetudo, S. 92f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 58; A. Laquerrière-Lacroix, Ius et Iustitia, S. 33. Die Gleichrangigkeit von lex und consuetudo setzte sich erst im 4.-5. Jahrhundert endgültig durch. Für Papian wiederum war die lex kein hoheitlich gestützter Verhaltensbefehl, sondern eine allgemeine Richtschnur, die Fehltritte zu beschränken vermochte. Vgl. dazu P. Kreutz, Romidee, S. 90.. Die Unterscheidung zwischen geschriebenem (lex) und ungeschriebenem (consuetudo) Recht als gleichrangige Bestandteile des Rechtes (ius) wird auch von Isidor beschrieben, der anknüpfend an die antiken Schriftsteller ihre Gültigkeit von ihrer Übereinstimmung mit der ratio und dem über sie bestehenden Konsens abhängig machte6 Isidor, Etymologiae V,3; G. Köbler, Frührezeption, S. 360; U. Wolter, Consuetudo, S. 100f.; J. de Churruca, Concept, S. 147-150. Die Kennzeichnung der lex als schriftliches Recht findet sich gleichermaßen in der Isidor rezipierenden Lex Baioariorum (Prolog). G. Köbler, Recht, S. 77.. Im Frühmittelalter verliert sich diese enge Vorstellung von lex. Oftmals weitgehend synonym zu ius, consuetudo oder mos verwendet7 G. Köbler, Recht, S. 50. konnte lex nun neben dem einzelnen Gesetz auch für das Verbindliche schlechthin stehen, wobei die Merkmale Setzung und Schriftlichkeit nicht mehr entscheidend waren8 G. Köbler, Recht, S. 160, 206 und 227; K. Kroeschell, Recht und Rechtsbegriff, S. 321 und 325f.; M. Pilch, Rahmen, S. 206.. Ebenso findet sich lex nun als Referenz auf die schriftlich gefassten germanischen Stammesrechte und das römische Recht9 K. Kroeschell, Recht und Rechtsbegriff, S. 320f. oder auch als Bezeichnung für rechtliche Verfahren10 M. Pilch, Rahmen, S. 206. Nach J. Balon, Lex iurisdictio, S. 19 und 212, konnte lex auch das durch die Rechtsprechung einer Versammlung angewendete Gesetz, also mithin die Justiz, bezeichnen. Balon scheint dabei lex als die Umstände, wie leges angewendet, beziehungsweise geschaffen wurden, zu verstehen. Dies ist aus den von ihm zitierten Quellen jedoch nicht ersichtlich.. Eine Wiederbelebung des alten antiken Inhaltes von lex begann schließlich im 11. Jahrhundert und bereitete den Boden für die hochmittelalterlichen Rechtsvorstellungen11 G. Köbler, Recht, S. 230.. Neben der weltlichen lex kannte die kirchliche Rechtslehre auch die lex divina (synonym unter anderem lex aeterna, lex naturalis, ius naturale, natura, ratio oder veritas). Als Wort Gottes unveränderlich, war sie dem menschlichen Gesetz übergeordnet und Maßstab für menschliches Handeln12 G. Köbler, Frührezeption, S. 362..
HL