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Petitio (deu)

Petitio: Bitte.

Bei der petitio handelte es sich um eine der wesentlichen Komponenten frühmittelalterlicher Herrschaftsstrukturen. Allgemein begründet die Bitte ein gegenseitiges Verpflichtungsverhältnis: Die Aussprache einer Bitte impliziert die Erwartung, dass das Erbetene gewährt wird und verpflichtet den Bittsteller zugleich zu einer materiellen oder immateriellen Gegenleistung. Voraussetzung für die Aussprache einer Bitte war die Anerkennung der bestehenden Verhältnisse, womit die Bitte einen die Verhältnisse stabilisierenden Charakter besaß. Die öffentliche Inszenierung von Bitten an den Herrscher wurde damit zugleich zu einer öffentlichen Demonstration der Anerkennung seiner Herrschaft. Ob eine Bitte Erfolg hatte, hing von verschiedenen Faktoren ab. Die frühmittelalterliche Herrscherethik sah vor, dass gerechten Bitten entsprochen werden sollte. In merowingischer Zeit wurden diesbezüglich vor allem die Belohnung von Treue und die Stärkung der stabilitas regni betont; in karolingischer Zeit verschob sich der Fokus in Anlehnung an das Bild von Gott, der sich den Gläubigen gegenüber aufgeschlossen zeigt, auf das Ideal der gerechten Bitte, der stattgegeben werden musste. Ab dem 10. Jahrhundert wiederum nahmen die Verweise auf die herrscherliche clementia zu. Letztlich entscheidend für den Erfolg einer Bitte waren jedoch die konkrekten Machtverhältnisse am Hof, die den Zugang zum Herrscher und damit die Präsentation der Bitte erlaubte.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Petitio", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2024-03-13), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.petitio.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-04-27)