Sacrificium: das Opfer1 Le Grand Gaffiot, S. 1397; DNG II, Sp. 4230, insbes. das Meßopfer, vgl. A. Sleumer, Kirchenlateinisches Wörterbuch, S. 687. Zuletzt kann das sacrificium auch zur Bezeichnung der Messe verwendet werden, zur Entwicklung und Differenzierung der Messterminologie im Mittelalter vgl. einführend J. Jungmann, Von der „Eucharistia“, vertiefend zur Relation von sacrificium und missa K. Gamber, Missa Romensis, S. 176-183..
Die christlichen Traditionen des Mittelalters kennen zwei Formen des Opfers: die materielle Opfergabe und das geistliche Opfer. Die Wurzeln letzteren Verständnisses gehen auf das paulinische Schrifttum zurück2 Einschlägig ist Röm 12,1: „[…] ut exhibeatis corpora vestra hostiam viventem sanctam Deo placentem rationabile obsequium vestrum“ („[…] dass ihr eure Körper als lebendes Schlachtopfer bereit haltet, gesegnet, Gott gefällig, als eure vernünftige Hingabe“). Zur Gleichsetzung von Abendmahl und (geistigem) Opfer siehe A. Angenendt, Die Revolution, S. 35-44.. Ein geistiges Opfer bedeutet hiernach christliche Lebensführung, d.h. ein Leben in Einklang mit den Geboten der Bibel und wider die Sünde. Nach der wirkmächtigen Definition von Augustinus bedeutet diese Form des Opfers die Selbsthingabe des Christen. Dies geschieht im Vertrauen darauf, dass Gott die materiellen Gaben des Menschen ohnehin nicht benötigt. In einem solchen Verständnis bilden Opferhandlungen (inbegriffen sind bspw. der Gottesdienst und karikative Leistungen, z.B. Almosen) den frommen Glauben lediglich ab und führen, für sich genommen, nicht zur Erlösung3 Augustinus, De civitate Dei 10,3-5, in diesem Sinne interpretiert etwa bei A. Angenendt, Die Revolution, S. 43-47. .
In den Quellen des Frühmittelalters finden sich unterschiedliche Formen materieller Opfer von Gläubigen4 Diese spiegeln sich etwa in der im gallikanischen Ritus verbreiteten Praxis der allgemeinen Opferprozession, H. B. Meyer, Eucharistie, S. 147-149 wider. Von den Teilnehmenden wurde explizit die Darbringung eines Opfers verlangt.. Die Gaben der Gemeinde waren hierbei zunächst vielfältig und beschränkten sich nicht auf die Notwendigkeiten für das Abendmahl, d.h. Wein und Brot. Gegeben wurden alle Gaben, die für den Betrieb und Erhalt der Gemeinschaft sowie ihrer sozialen und karikativen Aufgaben benötigt wurden5 J. Jungmann, The Mass, S. 317. Wie D. Ganz, Giving to God, zeigt, war die Praxis des sog. offertorium, d.h. der Gabe von materiellen Gütern im Gottesdienst, allerdings eine umstrittene Praxis.. Zwischen materiellen Opfern für das persönliche Seelenheil und dem geistigen Opfer wurde im Verlauf des Mittelalters unterschieden6 H. B. Meyer, Eucharistie, S. 245.. Wer der Kirche etwas als Opfer darbot, erhoffte sich zunehmend auch Gewissheit in der Frage der Sündenvergebung. Diese konnte über festgelegte Gegengaben des Klerus, etwa durch Gebetsdienste, gesichert werden7 C. Auffarth, Opfer, S. 133-162, insbes. S. 149-151; A. Angenendt/T. Braucks/R. Busch/T. Lentes/H. Lutterbach, Gezählte Frömmigkeit, S. 3-8. Kritisch gegenüber der These von Gabe und Gegengabe äußert sich B. Jussen, Religious Discourses.. Ein herausragendes Beispiel für den Einfluss und Erfolg dieser Praxis liefert Cluny8 Die geistliche Gegenleistung ist allerdings nur als ein Faktor des Erfolges des Systems in Cluny anzusehen, B. Rosenwein, To be the neighbor, S. 38-43..
BAS