Evangelium: wörtlich „gute Nachricht“, abgeleitet vom griechischen εὐαγγέλιον.
Im christlichen Sprachgebrauch besitzt der Begriff „Evangelium“ eine theologische Bedeutung: Dort nimmt er Bezug auf die Verkündigung der von Gott kommenden frohen Botschaft des eschatologischen Heils1 Vgl. Jes 61,1-2. durch das Leben und Wirken der Person Jesu2 Vgl. 1 Thess 1,5,9; 1 Kor 15,3ff; Röm 1,3f., der in diesem Sinne als Verkünder der Freudenbotschaft verstanden wird3 Vgl. Lk 4,18; vgl. ferner Lk 7, 22.. Aus diesem Grund werden die Schriften, die das Leben und die Auferstehung Jesu zum Gegenstand haben, als Evangelien bezeichnet. Im Verlaufe des 2. Jahrhunderts wurden jedoch nur vier derselben, nämlich die Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, als kanonische Bestandteile des Neuen Testaments anerkannt4 Zu diesem Prozess vgl. D. Aune, New Testament; H. Köster, Ancient Christian Gospels; O. Michel, Evangelium, Sp. 1124 – 1139; Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur., wohingegen die übrigen Evangelien zu den Apokryphen gerechnet werden. Für Irenäus von Lyon entsprach die Vierzahl der Evangelien der Vierzahl der Himmelsrichtungen, über die sich die Kirche ausgebreitet habe, sowie der Vierzahl der biblischen Paradiesflüsse5 Vgl. Irenäus von Lyon, Adversus haereses III, 11, 8. Die Übereinstimmung der Vierzahl der Paradiesflüsse (Gen 2,10 und Gen 2,14) mit der Vierzahl der Evangelisten wurde auch von Cyprian von Karthago, Ep. 73,10 und Paulinus von Nola, Ep. 32,10 hervorgehoben.; auf Irenäus lässt sich auch die Tradition zurückführen, den vier Evangelisten bestimmte Tiersymbole zuzuweisen6 Die bei Ez 1,10 verwendeten Tierallegorien ordnete Irenäus den Evangelisten derart zu, dass Matthäus durch einen Menschen, Markus durch einen Löwen, Lukas durch einen Stier und Johannes durch einen Adler symbolisiert wird.. Während in der alten Kirche eine durchgehende Lesung des Bibeltextes, die sog. lectio continua, praktiziert wurde, ging man im Verlaufe des 5. Jahrhunderts zu einer auf das Kirchenjahr abgestimmten Lesung ausgewählter Abschnitte über (lectio selecta); korrespondierend zu diesem Wandel der liturgischen Praxis wurden daher im Frühmittelalter neben den Bibelhandschriften auch separate Sammlungen der Evangelien, die Evangelistare, sowie Perikopenbücher, in denen die einzelnen zu lesenden Abschnitte nach der Reihenfolge der kirchlichen Feste zusammengestellt und geordnet wurden, angelegt7 Vgl. M. Margoni-Kögler, Perikopen im Gottesdienst; D. Shepard, Latin gospelbook, S. 338-342..
FQ