Franci: Franken. Vermutlich von *freka (gierig, heftig1 U. Nonn, Die Franken, S. 11-15..
Nach Gregor von Tours († 594) finden sich die ersten Spuren der Franken in Pannonien. Die aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts stammende Fredegarchronik wiederum verfolgt ihre Ursprünge bis zurück zu den Trojanern2 Gregor von Tours, Historiarum libri X II,9; Fredegar, Chronica II,4-6; S. Scholz, Die Merowinger, S. 11. Zu den Herkunftsmythen der Franken vgl. A. Plassmann, Origo gentis, S. 116-190; M. Coumert, Origines, S. 267-382. Zu den Topoi der Herkunftsmythen vgl. auch A. Plassmann, Ursprungsvorstellungen. Den verschiedenen Herkunftserzählungen ist dabei die Betonung des Alters des Volkes sowie das Motiv der langen Wanderung gemein. Für die Franken lässt sich dazu, anders als etwa bei Ostgoten und Langobarden, eine Orientierung auf Rom und die Römer feststellen, jedoch ohne diese zur Legitimation der Herrschaft über das ehemals römische Gebiet zu nutzen. . Die Bezeichnung Franci findet sich erstmals um die Mitte des 3. Jahrhunderts bei römischen Autoren, offenbar als Sammelbegriff für verschiedene Völkerschaften rechts des Rheins3 F. Felten, Romanen, S. 51f. . Ein fränkisches Selbstbewusstsein entstand wohl erst mit der Ansiedlung von Gruppen aus diesen Verbänden um Trier durch die Römer im 4. und 5. Jahrhundert, einhergehend mit der Verpflichtung dieser Gruppen, im römischen Militär zu dienen4 H. Fehr, Germanen, S. 30-32.. Zunächst unter Kleinkönigen organisiert, wurden die Franci erst durch die Alleinherrschaft Chlodwigs um 500 zu einer politischen Einheit5 F. Felten, Romanen, S. 52f. Die lange Zeit von der Forschung angenommene Einteilung der Franken in Salier und Ribuarier ist inzwischen als Forschungskonstrukt entlarvt. Die im 4. und 5. Jahrhundert verwendete Bezeichnung als Salier beschreibt eine römische Perspektive, die offenbar auf einen Feldzug Kaiser Julians zurückgeht. Die Bezeichnung als Ribuarier findet sich dagegen nur im 7. Jahrhundert und scheint einen Bezug auf ein Territorium um Köln gehabt zu haben. Vgl. dazu H. Fehr, Germanen, S. 167.. Erscheinen die Franci in den spätantiken Quellen auch als abgrenzbares Volk (gens), zu dem Personen zugerechnet werden konnten6 H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 136f. Auch das frühe Mittelalter interpretierte gentes als voneinander abgrenzbare Verbände, die sich hinsichtlich ihrer Sprache, Rechte, Abstammung und Bräuche voneinander unterschieden, wobei einzelne dieser Kriterien immer über mehrere gentes hinweg bestehen konnten. Vgl. zum frühmittelalterlichen Verständnis von gens H.-W. Goetz, Gentes., so darf dies nicht im Sinne einer Abstammungsgemeinschaft verstanden werden. Vielmehr handelte es sich bei den Franci, wie auch bei den anderen gentes der Spätantike und des frühen Mittelalters, um flexible Traditionsgemeinschaften, die Außenstehenden die Möglichkeit boten, sich anzudocken und zu integrieren7 W. Pohl, Telling the difference; H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 133. Zur Vorstellung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts von gentes als sprachlich, ethnisch und kulturell homogene Abstammungsgemeinschaften vgl. F. Dahn, Kampf. Zum modernen Verständnis der Ethnogenese vgl. insb. R. Wenskus, Stammesbildung, sowie die Arbeiten Herwig Wolframs, Walter Pohls und Peter Heathers. Einen Überblick über die Forschungsgeschichte bietet P. Heather, Ethnicity. Für die Burgunder geht dies mit dem Fehlen einer eigenständigen Sachkultur einher. R. Marti, Von der multikulturellen Gesellschaft, S. 63f.. Entsprechend handelte es sich bei den Franci der merowingischen Zeit um keine vorwiegend sprachlich, sondern um eine politisch und sozial definierte Gruppe8 H. Fehr, Germanen, S. 33., welche sich aus den Angehörigen des Heeres zusammensetzte, nach fränkischem Recht (Lex Salica) lebte9 Zur Rolle der Lex Salica bei der fränkischen Identitätsbildung durch Privilegierung der Franken gegenüber den Romanen vgl. K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 87-97. Zur identitätsbildenden Wirkung der Leges allgemein vgl. P. Wormald, The leges Barbarorum. und die politische Führungsschicht des regnum Francorum, des Reiches der Franken mit engem Bezug zum rex Francorum, dem König der Franken, stellte10 H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 141f.; H. Fehr, Germanen, S. 169-172.. Die Bewohner dieses Reiches erschienen in Außenperspektive als Franci11 H. Fehr, Germanen, S. 164., setzten sich aber tatsächlich aus zahlreichen gentes zusammen, neben den Franci etwa auch Romanen (Romani) und Burgunder (Burgundi12 H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 135.. Mit der Herrschaftsausbildung der Merowinger weitete sich das fränkische Identitätsbewusstsein auf den Norden Galliens aus, wobei Francia im 6. Jahrhundert zunächst zur Bezeichnung des Gebietes zwischen unterer Loire und Rhein, im 7. Jahrhundert dann für Austrien und Neustrien, in karolingischer Zeit auch für Mainfranken um Würzburg wurde. Im Zuge dieser Territorialisierung des Frankenbegriffes wandelte sich das Verständnis von Franci zunehmend hin zu dem einer Abstammungsgemeinschaft13 H. Fehr, Germanen, S. 163-172; H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 143f. Diese Entwicklung ging mit dem Aufkommen der Vorstellung einher, die Franken hätten bei der Eroberung dieser Gebiete die ursprünglich ansässige Bevölkerung komplett vertrieben oder ausgelöscht. Die in der Lex Salica vorzufindende Unterscheidung zwischen Franci und Romani unter Privilegierung der Ersteren wurde im Verlauf dieser Entwicklung entsprechend bedeutungslos. Vgl. dazu I. Wood, Roman barbarians, S. 287f.. Unberührt davon konnte Francia auch im politischen Sinne für das gesamte regnum Francorum oder, in der Folge der Teilungen des 9. Jahrhunderts, für die Teilreiche verwendet werden. Vollkommen losgelöst von der ursprünglichen gentilen Bedeutung waren die Franci in diesem Zusammenhang (abhängig von der jeweiligen Perspektive) die Bewohner des eigenen Teilreiches14 H.-W. Goetz, Zur Wandlung, S. 139 und 145. Vgl. dazu auch H. Reimitz, Nomen Francorum..
HL