Abbas, abbatissa: Abt, Äbtissin. Aus dem aramäischen abba für Vater, Mönch1 B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 3..
Vermutlich bereits in apostolischer Zeit für hervorragende Mitglieder der christlichen Gemeinde gebraucht, wurde abbas im ägyptischen Mönchtum im 4. Jahrhundert zur Bezeichnung für jene Mönche, die Dank ihrer Lebenserfahrung und Tugend als spirituelle Vorbilder und Lehrer dienen konnten2 B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 3f.; H. Bacht, Abt als Stellvertreter, S. 403.. Ohne diese alte Bedeutung vollends zu verlieren, verbreitete sich abbas seit dem 5. Jahrhundert im lateinischen Westen im Rahmen der Organisation des monastischen Lebens als Amtsbezeichnung3 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 8f.; B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 3f.; A.-M. Helvétius, L’image de l’abbé, S. 253. Erst seit dem 6. Jahrhundert ist eine Abtsweihe nachweisbar. B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 50.. Abbates finden sich dabei nicht nur als Klostervorsteher, sondern auch als Stellvertreter von Bischöfen4 L. Levillain, Études sur l’abbaye de Saint-Denis 2, S. 52-62., Leiter von Basiliken mit Märtyrergräbern nebst den dazu gehörenden Klerikergemeinden5 L. Pietri, Abbés de basilique, S. 5f. und 25-27; M. Weidemann, Kulturgeschichte I, S. 240f. und auch anderen Kirchen6 L. Levillain, Études sur l’abbaye de Saint-Denis 2, S. 52-62.. Maßgeblich für die Entwicklung des Klosterabbatiats wurde die Mönchsregel Benedikts von Nursia († 547). Aufbauend auf früheren Regeln erscheint der Abt bei ihm als Stellvertreter Christi und Vater der Mönche, über welche er nahezu ohne Einschränkungen und Vorbehalt Gewalt ausübt7 B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 21 und 28-43. Einschränkungen der Macht des Abtes über die Mönche ergaben sich lediglich aus der Regula Benedicti, zwei Ratsorganen mit beratender Funktion sowie der Option der Mönche, den Abt abzusetzen.. Scheint der Abt vor Benedikt häufig selbst seinen Nachfolger designiert zu haben8 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 19-21; B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 45., legte die Benediktsregel die (ebenfalls bereits bekannte) Wahl durch die Mönchsgemeinde fest9 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 22; B. Hegglin, Der benediktinische Abt, S. 45-49. Die Wahl sollte dabei möglichst einstimmig erfolgen. Konnte keine Übereinstimmung gefunden werden, so war der Wahl des pars sano der Vorzug zu geben. Im Falle einer schlechten Wahl konnten Nachbaräbte, Bischof und die um das Kloster ansässige Gemeinde eingreifen.. Zwar finden sich in der Folge wiederholt Bestätigungen des Wahlrechtes, doch wurden zugleich die Rechte der Klostergründer und -eigner wie auch der Bischöfe, den Abt eines Klosters zu ernennen, gestärkt10 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 26-29 und 32f.; F. Felten, Äbte und Laienäbte, S. 66f.. Von der Merowinger- zur Karolingerzeit wandelt sich die Konzeption von Kloster und Abbatiat. Die Wahrnehmung des materiellen Wertes der Klöster trat verstärkt neben die seiner religiösen Ziele11 F. Felten, Äbte und Laienäbte, S. 84f.. Äbte wurden nun dem hohen Klerus zugerechnet, entwickelten sich zu eigenen Herrschaftsträgern und fanden sich verstärkt im Umfeld der Könige, die nun auch selbst Äbte einsetzten12 A.-M. Helvétius, L’image de l’abbé, S. 254 und 275f.; F. Felten, Äbte und Laienäbte, S. 71-73, 84f., 108f. und 151f.; P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 36f.. Mit diesem Wandel einher ging die Ausweitung der Übernahme von Abbatiaten durch Laien, Kleriker, Kanoniker und Bischöfe13 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 39. und damit die Loslösung des Abtsamtes vom inneren Leben des Klosters14 R. Deutinger, Königsherrschaft, S. 142.. Eine Umkehr dieser Entwicklung begann schließlich mit den Reformbewegungen des 10. Jahrhunderts15 P. Salmon, L’abbé dans la tradition monastique, S. 53-63..
HL