Carmen: Gesang, Lied, Gedicht, Dichtung1
In frühester römischer Zeit bezeichnete das carmen vor allem rituelle Gesänge oder Zaubersprüche. Seit der späten Republik erweiterte sich das semantische Feld: Carmen wurde nun für nahezu alle Formen von Dichtung, Liedern und Spruchformeln, unabhängig von ihrer Vortragsform, verwendet3
Diese Tendenz setzte sich mit dem beginnenden Mittelalter fort: So bezeichnet Isidor von Sevilla (†636) in seinen Etymologiae all jenes, was einen Versfuß besitzt, als carmen. Etymologisch findet Isidor zwei Erklärungsansätze: Der Begriff leite sich entweder von dessen ‚stückweiser‘ (carptim) Aussprache ab, das mit dem sogenannten ‚Krempeln‘ (carminare) in Verbindung stehe, dem Bearbeiten von Wolle mithilfe eines speziellen Kamms. Oder die Bezeichnung sei dem Umstand geschuldet, dass man seit ehedem Sänger als ‚wahnsinnig‘ (carere mente) bezeichnet habe4
Im Hoch- und Spätmittelalter konnte carmen außerdem für einen einzelnen Vers, bzw. synonym zum versus, verwendet werden7
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