Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Curia (deu)

Curia: wörtlich „Versammlung“ oder auch „Gericht“^{1 Niermeyer I, „curia XIII, XIV“, S. 379f. Seit der Karolingerzeit findet sich curia auch als Hof, als Teil einer villa. Endgültig setzt sich diese Bedeutung an Stelle von villula im 11. und 12. Jahrhundert durch. Vgl. H. Dubled, Observations, S. 6.}.

In der römischen Antike bildete die curia ein kollektives städtisches Entscheidungsorgan. Je nach Stadt und möglicherweise auch Situation gehörten ihr unterschiedliche Gruppen an, etwa örtliche Angehörige der Reichsaristokratie und Beamtenschaft (honorati), Großgrundbesitzer (possessores), Klerus und andere einflussreiche Bürger^{2 S. Schmidt-Hofner, Defensor civitatis, S. 488.}. Seit dem 4. Jahrhundert wurden die Aufgaben der curia zunehmend auf die Steuererhebung beschränkt^{3 S. Schmidt-Hofner, Defensor civitatis, S. 492f. Nach dem Übergang der Aufgabe der Steuererhebung auf den comes civitatis bzw. den Bischof blieb als letzte nachweisbare Aufgabe der curia die Inserierung von Dokumenten in die öffentlichen Bücher. A. H. M. Jones, The later Roman empire, S. 759f.; S. T. Loseby, Lost cities, S. 231f.; J. H. W. G. Liebeschuetz, Decline and fall, S. 130f.}, bis sie in der Spätantike durch die Notablenversammlung ersetzt wurde, der im Kern, neben comes und Bischof, die gleichen Eliten angehörten^{4 S. Schmidt-Hofner, Defensor civitatis, S. 492-495. Zur Rolle und Zusammensetzung der curia in Spätantike und frühem Mittelalter vgl. auch K. H. Debus, Studien, S. 100f.}. Im Merowingerreich lässt sich die curia noch nachweisen, scheint jedoch in ihrer Funktion auf die Protokollierung von Rechtsgeschäften beschränkt worden zu sein, während die Steuererhebung nunmehr in den Aufgabenbereich des comes fiel^{5 W. Brown, On the gesta municipalia, S. 349f. und J. H. W. G. Liebeschuetz, Decline and fall, S. 130; A. Jeannin, Héritage, S. 172 geht davon aus, dass die Aufgaben der curia im 6. Jahrhundert auf nichtstreitige Verfahren beschränkt waren. Über die genaue Zusammensetzung dieser Kurie ist leider nichts bekannt. Vgl. J. Barbier, Archives oubliées, S. 127.}. Ihre genaue Zusammensetzung ist für die fränkische Zeit nicht mehr zu bestimmen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die curia weiterhin als Inkarnation des Kollektivs der Stadt diente und mithin aus Repräsentanten der Stadtbevölkerung zusammengesetzt war, die zumindest zum Teil aus der städtischen Elite stammten. Synonym zu curiales als Bezeichnung für ihre Mitglieder scheint in dieser Zeit auch municipales verwendet worden zu sein^{6 J. Barbier, Archives oubliées, S. 129 und 167f.}.