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Iudicium Dei, examinatio, purgatio (deu)

Iudicium Dei, examinatio, purgatio: Gottesurteil, Ordal.

Gottesurteile waren (und sind) in zahlreichen Gesellschaften verbreitet. In der römischen Welt wurde ihre Verbreitung vom Aufstieg des Christentums begünstigt. Im frühen Mittelalter existieren verschiedene Bezeichnungen für Gottesurteile, so iudicium Dei, examinatio und purgatio. Das Konzept des Gottesurteils geht auf die Vorstellung vom unmittelbaren Eingreifen Gottes in das weltliche Geschehen zurück, auf dem auch die Eidleistung und der Orakelspruch beruhen. Gottesurteile konnten verschiedene Formen annehmen, als einfaches Ordal zur Prüfung einer Partei oder als Doppelordal mit zwei Parteien. Neben dem Zweikampf lässt sich bis ins 8. Jahrhundert nur der Kesselfang nachweisen. In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts kam die Kreuzprobe auf, die rasch zum häufigsten Gottesurteil wurde. Weitere Formen waren die Eisenprobe, die Kaltwasserprobe, das Schluckordal und das Losverfahren. Welche Form gewählt wurde hing dabei in der Regel vom Streitfall, dem Stand und Geschlecht der Streitparteien ab. Üblich war es auch, sich beim Gottesurteil vertreten zu lassen. Stärker belegt sind Gottesurteile mit Anfang des 9. Jahrhunderts, als unter Karl dem Großen größerer Wert auf sie als Beweismittel gelegt wurde. Ihre Bedeutung in der Rechtspraxis blieb allerdings marginal. Kritische Stimmen gegen die Gottesurteile kamen bereits ab Mitte des 9. Jahrhunderts auf, die ihre weitere Verbreitung im 10. und 11. Jahrhundert allerdings nicht verhinderten.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Iudicium Dei, examinatio, purgatio", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2024-03-13), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.iudicium_dei.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-04-27)