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Osculum (deu)

Osculum: Kuss.

Im Christentum erhielt der Kuss von Beginn an rituelle und sakrale Bedeutung. Ausgetauscht zwischen Glaubensgenossen zunächst als Bruder-, seit Ende des 4. Jahrhunderts dann als Friedenskuss, galt er als Zeichen von Liebe und Versöhnung und führte zu einer Vereinigung der Seelen der sich Küssenden. Das römische Recht kannte den zeremoniellen Kuss als Ehrenzeichen, das bestimmten Amtsträgern von Seiten Höherrangiger zustand und dessen Verweigerung als Sakrileg galt. Von rechtlicher Bedeutung war jedoch vor allem der Verlobungskuss (osculum interveniens oder osculum intercedens), der vor Zeugen im Rahmen der Verlobungszeremonie gegeben wurde, das Verlöbnis besiegelte und den ersten Schritt zur Eheschließung darstellte. War er zwischen Braut und Bräutigam ausgetauscht worden, erwuchsen der Braut bestimmte Ansprüche auf die zuvor ausgehandelte Hochzeitsgabe (dos). Der Kuss als Symbol einer Garantie, eine Vereinbarung einzuhalten und den Frieden zu wahren findet sich in der Folge bis ins 13. Jahrhundert hinein in der Vertragspraxis. Als Friedenskuss konnte er bei Herrscherbegegnungen ebenso Verwendung finden wie als Treueversprechen bei der Kommendation einer Person an einen Herrn. In Form des Fußkusses wiederum war der Kuss Zeichen der Unterwerfung während der Kuss auf den Mund als Ausdruck der Freundschaft galt.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Osculum", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2022-08-25), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.osculum.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-04-27)