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Rusticitas (deu)

Rusticitas: Einfachheit, bäuerische Plumpheit.

In der antiken Rhetorik wurde die rusticitas im negativen Sinne als bäuerische, ländliche und plumpe Redeweise der feinen, gewitzten, städtischen Redeweise (urbanitas) gegenübergestellt. Mit dem aufkommenden Christentum fand die Demut (humilitas) als Tugend zunehmend mehr Beachtung: Ein demütiger, einfacher, niederer Stil ( sermo humilis auch sermo rusticus, sermo simplex) galt nun als Ideal. Dieser Widerstreit zwischen antiker rhetorischer Tradition, die einen stilistisch ausgefeilten, urbanen Sprachstil forderte, und christlicher Demut, die genau dies ablehnte, führt zu den scheinbar paradoxen Beteuerungen, die sich insbesondere in den frühmittelalterlichen Widmungsbriefen finden. Dort betonen und entschuldigenauch zum Zweck einer captatio benevolentiaedie Autoren in der Regel demütig ihre angeblich mangelhaften stilistischen Fertigkeiten (vor allem ihre rusticitas). Vorgebracht werden diese Beteuerungen jedoch in aller Regel rhetorisch höchst ausgefeilt. Teile der Forschung haben diesganz im Sinne antiker rhetorischer Konventionals leere, affektierte Bescheidenheitstopik gewertet, während andere den Zweck solcher Aussagen betonen.

AM

Empfohlene Zitierweise:

Mueller, Alexander, "Rusticitas", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2023-05-04), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.rusticitas.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-04-27)