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Notar, Schreiber (deu)

Notar, Schreiber: Schreiber oder Notare finden sich unter verschiedensten Bezeichnungen in Spätantike und frühem Mittelalter, so unter anderem als amanuensis (von a manu servus, ursprünglich ein als Schreibgehilfe dienender Sklave), exceptor (Nachschreiber, Protokollführer, in der späten Kaiserzeit auch ein niederes Hofamt), notarius (Geschwindschreiber), tabellio (Urkundenschreiber), tabularius (Urkundenschreiber) und cancellarius (Kanzleivorsteher).

Mit notarius wurden zunächst nur Schreiber bezeichnet, welche die Kurzschrift (notae) beherrschten sowie, seit dem 3. Jahrhundert, unabhängig von dieser Fähigkeit, auch Schreiber am kaiserlichen und im frühen Mittelalter am königlichen Hof. Synonym zu notarius wurde anfänglich exceptor verwendet bis sich mit dem 4. Jahrhundert exceptor als Bezeichnung für Notare im öffentlichen, aber nicht im kaiserlichen, Dienst durchsetzte. Seit dem 2. Jahrhundert findet sich darüber hinaus die Bezeichnung amanuensis für Schreiber. Mit den tabularii und den tabelliones bildeten sich im 3. Jahrhundert zwei weitere Schreiberberufsstände heraus. Bei den tabularii handelte es sich um Schreiber im öffentlichen Dienst, deren Dokumente aufgrund dieser Autorität hohe Glaubwürdigkeit besaßen. Die tabelliones waren demgegenüber private Schreiber, deren Dokumente von Zeugen unterfertigt werden mussten, um den gleichen Grad an Glaubwürdigkeit zu erlangen. Ungeachtet dessen nahmen die tabelliones bei der Abwicklung von Rechtgeschäften die dominante Rolle ein. Im Westen fielen die Tätigkeiten des tabellio und des tabularius allmählich zusammen. In Gebieten mit starkem romanischen Bevölkerungsteil scheint sich diese Form des Tabellionats über die Spätantike hinaus gehalten zu haben. Nach der Übernahme der Grundlagen des römischen Urkundenwesens durch die Kirche im 3. Jahrhundert weiteten kirchliche Schreiber ihre Tätigkeit bald auch auf den Bereich der Privatgeschäfte aus und übernahmen die Form der Tabellionenurkunde, zogen ihre Glaubwürdigkeit jedoch aus ihrer institutionellen Anbindung. Im Ostfränkischen Reich scheinen private Schreiber durch kirchliche Schreiber bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, im westfränkischen Reich im 10. Jahrhundert, vollständig abgelöst zu haben.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Notar, Schreiber", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2021-12-09), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.notarius.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-11-21)