Notar, Schreiber: Schreiber oder Notare finden sich unter verschiedensten Bezeichnungen in Spätantike und frühem Mittelalter, so unter anderem als amanuensis (von a manu servus, ursprünglich ein als Schreibgehilfe dienender Sklave1 DNG I, „amanuensis“, Sp. 275.), exceptor (Nachschreiber, Protokollführer, in der späten Kaiserzeit auch ein niederes Hofamt2 DNG I, „exceptor“, Sp. 1941.), notarius (Geschwindschreiber3 DNG II, „notarius II“, Sp. 3288.), tabellio (Urkundenschreiber4 DNG II, „tabellio“, Sp. 4652. Die Bezeichnung tabellio leitete sich von der hölzernen Wachstafel (tabula) ab. A. Meyer, „Notar“.), tabularius (Urkundenschreiber5 DNG II, „tabularius I 1 a“, Sp. 4656.) und cancellarius (Kanzleivorsteher6 DNG I, „cancellarius 1“, Sp. 736.).
Mit notarius wurden zunächst nur Schreiber bezeichnet, welche die Kurzschrift (notae) beherrschten7 O. Fenger, Notarius, S. 24f.; W. Trusen, Zur Geschichte, S. 660; R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 64. sowie, seit dem 3. Jahrhundert, unabhängig von dieser Fähigkeit, auch Schreiber am kaiserlichen8 H. C. Teitler, Notarii, S. 5f.; O. Fenger, Notarius, S. 24f. und im frühen Mittelalter am königlichen Hof9 R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 64. Notarii finden sich im frühen Mittelalter darüber hinaus auch außerhalb des Hofes an anderen Wirkungsstätten.. Synonym zu notarius wurde anfänglich exceptor verwendet bis sich mit dem 4. Jahrhundert exceptor als Bezeichnung für Notare im öffentlichen, aber nicht im kaiserlichen, Dienst durchsetzte10 H. C. Teitler, Notarii, S. 5f. und 52f. Beide Begriffe finden sich aber auch noch weit verbreitet in ihrer ursprünglichen Bedeutung.. Seit dem 2. Jahrhundert findet sich darüber hinaus die Bezeichnung amanuensis für Schreiber11 H. C. Teitler, Notarii, S. 41; W. Bergmann, Fortleben, S. 28; R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 69.. Mit den tabularii und den tabelliones bildeten sich im 3. Jahrhundert zwei weitere Schreiberberufsstände heraus12 W. Trusen, Zur Geschichte, S. 660.. Bei den tabularii handelte es sich um Schreiber im öffentlichen Dienst, deren Dokumente aufgrund dieser Autorität hohe Glaubwürdigkeit besaßen13 W. Trusen, Zur Geschichte, S. 660; O. Fenger, Notarius, S. 25f.. Die tabelliones waren demgegenüber private Schreiber, deren Dokumente von Zeugen unterfertigt werden mussten, um den gleichen Grad an Glaubwürdigkeit zu erlangen14 O. Fenger, Notarius, S. 25f.; W. Trusen, Notariat, S. 584; W. Bergmann, Formulae Andecavenses, S. 50.. Ungeachtet dessen nahmen die tabelliones bei der Abwicklung von Rechtgeschäften die dominante Rolle ein15 W. Bergmann, Fortleben, S. 27.. Im Westen fielen die Tätigkeiten des tabellio und des tabularius allmählich zusammen16 W. Bergmann, Formulae Andecavenses, S. 51.. In Gebieten mit starkem romanischen Bevölkerungsteil scheint sich diese Form des Tabellionats über die Spätantike hinaus gehalten zu haben17 P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 46; W. Bergmann, Fortleben, S. 29.. Nach der Übernahme der Grundlagen des römischen Urkundenwesens durch die Kirche im 3. Jahrhundert weiteten kirchliche Schreiber ihre Tätigkeit bald auch auf den Bereich der Privatgeschäfte aus18 W. Trusen, Notariat, S. 584. und übernahmen die Form der Tabellionenurkunde19 W. Trusen, Notariat, S. 584; W. Bergmann, Fortleben, S. 27., zogen ihre Glaubwürdigkeit jedoch aus ihrer institutionellen Anbindung20 W. Trusen, Zur Geschichte, S. 661.. Im Ostfränkischen Reich scheinen private Schreiber durch kirchliche Schreiber bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, im westfränkischen Reich im 10. Jahrhundert, vollständig abgelöst zu haben21 R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 69. Südlich der Alpen hingegen scheint seit dem frühen 9. Jahrhundert der Anteil der Geistlichen unter den Notaren zurückgegangen zu sein. Hier finden sich seit dieser Zeit nun vermehrt Notare, die zugleich das Richteramt bekleideten. R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 64-65..
HL