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Ingenuus, liber (deu)

Ingenuus, liber: „Freigeborener“, „Freier.

Der Begriff ingenuus wurde bereits in der römischen Kaiserzeit zur Bezeichnung Freigeborener verwendet. Im römischen Recht wie in den frühmittelalterlichen leges stellte der Stand des Freien den Normalzustand dar, von dem jener des servus abgegrenzt wurde. Zentrale Merkmale des Freien waren die freie Verfügbarkeit über sein Eigentum, sein Teilnahmerecht an Versammlungen sowie das ihm in den leges zugewiesene hohe Wergeld. Waren die Freien in rechtlicher Hinsicht ein homogener Stand, so differenzierten sie sich doch, bedingt durch unterschiedliche Besitzverhältnisse, in sozialer Hinsicht zunehmend aus. War im frühen Mittelalter der Status des Freien oft mit der Abwesenheit von Dienstverpflichtungen und der Freiheit zum Umzug und zur Ansiedlung verbunden, bedeutete dies nicht die Freiheit von Abgaben an und Diensten für den fiscus. Weitere Verpflichtungen entstanden darüber hinaus aus der Übernahme von Pachtland, etwa im Rahmen von Schenkungen an kirchliche Institutionen. In der Folge wurde die Grenze zwischen frei und unfrei seit dem 4. Jahrhundert zunehmend unscharf. Im Rahmen der Niveauangleichung der bäuerlichen Schichten verschwand die rechtlich-soziale Differenzierung in ingenui/liberi, liberti und servi zum Ausgang des 8. Jahrhunderts und wurde durch den allgemeineren Begriff des homo abgelöst.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Ingenuus, liber", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2021-12-09), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.liber.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-04-23)