Advocatus: Rechtsvertreter, Anwalt, Fürsprecher, Vogt.
Bereits in römischer Zeit war die Praxis verbreitet, sich vor Gericht oder zur Unterstützung bei Rechtsgeschäften einen Rechtsbeistand (advocatus, auch agens, causidicus oder ähnlich) zu nehmen1 D. Willoweit, Vogtei, S. 24-30; D. Willoweit, Vogt, Sp. 933. Die zunehmende Verbreitung dieser Praxis führte auch zu gesetzlichen Regelungen, wer als advocatus auftreten durfte und welche Aufgaben er übernehmen sollte, wenn er für eine Kirche bestellt wurde (Codex Theodosianus XVI,2,38).. Der advocatus der fränkischen Zeit entsprach zunächst noch diesem römischen Vorbild. In den Quellen tritt dieser advocatus seit Mitte des 7. Jahrhunderts als Prozessvertreter von Klerikern und Kirchen in Erscheinung2 D. Willoweit, Vogtei, S. 30-32; D. Willoweit, Vogt, Sp. 933.. Zu einer neuen Entwicklung kam es unter Karl dem Großen, als die Advokatur für Kirchen und Klöster mit dem Ziel, die Geistlichen von weltlichen Angelegenheiten zu befreien, als Vogtei zur ständigen Einrichtung mit Amtscharakter erhoben und allgemein vorgeschrieben wurde3 Vgl. D. Willoweit, Vogtei, S. 32-38; Ch. West, The significance; D. Willoweit, Vogt, Sp. 933f. mit Verweisen auf die Bestimmungen der Kapitularien. Zu den Hintergründen der Gesetzgebung vgl. H.-J. Schmidt, Vogt, Sp. 1811f.. Diese neuen advocati (Vögte) wurden teilweise von den Vertretern der Kirchen gemeinsam mit den Grafen, teilweise aber auch durch die königlichen missi ausgewählt4 D. Willoweit, Vogt, Sp. 933f. Zu den Aufgaben dieser neuen advocati gehörten neben der Erledigung von Rechtsangelegenheiten und der Vertretung vor Gericht auch die Disziplinierung von servi, die Überstellung von Räubern an das Grafengericht und die Teilnahme an den Gerichten von missi und Grafen., wobei eine Kirche auch über mehrere advocati gleichzeitig verfügen konnte, deren Zuständigkeit sich an der regionalen Verteilung des Kirchenbesitzes orientieren konnte5 W. Dohrmann, Die Vögte, S. 222f.; D. Willoweit, Vogtei, S. 39.. Sie gehörten in der Regel den lokalen Eliten an, verfügten in den jeweiligen Regionen über eigenes Grundeigentum und waren dort familiär verflochten6 W. Dohrmann, Die Vögte, S. 224f.; E. Boshof, Untersuchungen zur Kirchenvogtei, S. 60; D. Willoweit, Vogtei, S. 41.. Spätestens im 10. Jahrhundert begannen die Vogteien erblich und zum Teil in den Händen einzelner Personen, die wiederum Untervögte einsetzten, gebündelt zu werden7 D. Willoweit, Vogt, Sp. 935; E. Boshof, Untersuchungen zur Kirchenvogtei, S. 61 und 89-91. Boshof setzt die Entwicklung für Lotharingien bis Mitte des 11. Jahrhunderts an und weist auf die zeitversetzte Entwicklung in den unterschiedlichen Regionen hin, die im Westen am frühesten einsetzte und sich dann nach Osten ausbreitete. H.-J. Schmidt, Vogt, Sp. 1812 setzt bereits die Mitte des 9. Jahrhunderts für diese Entwicklung an. Zu den Verhältnissen in Frankreich vgl. Ph. Depreux, Unterschiedliche Ausprägungen.. Bereits in karolingischer Zeit kam es zu Konflikten zwischen Kirchen und ihren Vögten. Diese Konflikte verschärften sich mit der wachsenden Verantwortung der Vögte, in die auch das Kirchenvermögen, die kirchliche familia, die Rechtsprechung und der Schutz der Kirchen fielen und aus welchen die Vögte Herrschaftsansprüche ableiteten8 E. Boshof, Untersuchungen zur Kirchenvogtei, S. 89-91; D. Willoweit, Vogt, Sp. 934f.; H.-J. Schmidt, Vogt, Sp. 1812..
HL