Lex Salica: Das salische Recht. Herkunft und Bedeutung von salicus sind unklar: Eine mögliche Wurzel ist das germ. *saljon für „Gefährte, Freund, Mitstreiter, Geselle, Genosse, Kamerad“; Lex Salica wäre entsprechend „das gemeine Recht“1 M. Springer, Salier, S. 485-487. Ein Volk der Salii wird erstmals in einem Brief Julian Apostatas von 361 als von diesem besiegtes Volk erwähnt. Spätere Erwähnungen finden sich im gleichen Zusammenhang bis Mitte des 5. Jahrhunderts in panegyrischen Schriften für Feldherren und Kaiser, sind aber wohl zunehmend von der Realität entkoppelt und dienen nur der Erhöhung des Gepriesenen. Gut belegt ist dagegen salicus im Zusammenhang mit der lex Salica sowie der in dieser erwähnten terra Salica. Letzteres wird zumeist als Herrenland gedeutet. Vgl. dazu auch H. Tiefenbach, Studien, S. 105-108; K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 70-73..
Verweise auf die Lex Salica können sich sowohl auf mündliche Rechtsgewohnheiten als auch auf kodifiziertes Recht beziehen2 H. Nehlsen, Aktualität, S. 455-465; E. Seebold, Zur Entstehung der „Lex Salica“, S. 388. Kritisch zu Nehlsens sehr absoluter These, Verweise auf die Lex Salica in den Quellen bezögen sich ausschließlich auf unkodifiziertes Gewohnheitsrecht, K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 24-29. Zur mittlerweile widerlegten These, bei der Lex Salica habe es sich um eine Fälschung aus der Zeit Karls des Kahlen gehandelt, vgl. F. Stein, Lex Salica I und II.. Die Entstehungszeit und -umstände der verschriftlichten Lex Salica3 Maßgebliche Edition: K. A. Eckhardt (Hg.), Pactus legis Salicae (MGH LL nat. Germ. IV,1) Hannover 1962. Überliefert ist die Lex Salica in ca. 90 Handschriften in sieben verschiedenen Fassungen. Die ältesten Handschriften datieren, trotz des weiter zurückliegenden Ursprungs, erst auf Mitte des 8. Jahrhunderts. sind umstritten. Zumeist wird sie den letzten Jahren der Herrschaft Chlodwigs (507-511) zugerechnet, wiederholt aber auch in frühere Zeit datiert4 E. Seebold, Zur Entstehung der „Lex Salica“; K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 53-66. Ubl selbst (ebd. S. 92-97) plädiert für die Jahre 475-486/7. Thesen zur Entstehung der Lex Salica sehen in dieser etwa die Rechtsordnung einer römischen Grenzprovinz (I. Wood, Roman Law; R. Collins, Ethnic identity) oder auch eine Aufzeichnung römischen Militärrechts für die fränkischen Hilfstruppen (J.-P. Poly, La corde au cou; J.-P. Poly, Le premier roi; E. Magnou-Nortier, Remarques; S. Kerneis, Le pacte). Zur Diskussion der Entstehungszeit vgl. auch T. M. Charles-Edwards, Law in the western kingdoms, S. 271-275, der auch auf numismatische Eigenheiten hinweist, die auf eine Entstehung der Lex Salica im frühen 5. Jahrhundert hindeuten.. Vermutlich war ihre Entstehung das Ergebnis eines bereits zuvor eingesetzten Akkulturationsprozesses mit der römischen Kultur, in welchem das Beispiel römischer Rechtskodifizierung wie im Fall der Westgoten und Burgunder zur Verschriftlichung eines eigenen Rechts führte5 Vgl. dazu etwa H.-W. Goetz, Gens – Regnum – Lex, S. 541f. Siehe auch K. Pearson, Salic Law, S. 273 für weitere von der Forschung vertretene Thesen zu den Entstehungsgründen der Lex Salica.. Insgesamt zeichnet die schriftliche Fassung der Lex Salica das Bild einer Gesellschaft waffentragender Kleinbauern, die ihren Boden in Eigenwirtschaft bestellten6 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 87-89.. Die Lex Salica sollte wohl nicht in Konkurrenz zum römischen Recht treten, sondern vermutlich mittels Privilegierung gegenüber der romanischen Bevölkerung die fränkische Identität stärken7 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 92-97. So erhob die Lex Salica die Franken mittels höherer Wergelder und dem Ausschluss von Körperstrafen über die Romanen. Ebd., S. 74f. Vgl. zur parallelen Gültigkeit römischen Rechts und der Lex Salica auch T. M. Charles-Edwards, Law in the western kingdoms, S. 282-284.. Ursprünglich war ihr Geltungsbereich wohl auf den nordgallischen Raum beschränkt8 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 135.. Nach Chlodwigs Tod wurde ihre Geltung wohl auf weitere Reichsteile ausgedehnt9 E. Seebold, Zur Entstehung der „Lex Salica“.. In ihrer ursprünglichen Fassung (in der Forschung als Pactus legis Salicae bezeichnet10 Die Bezeichnung als Pactus legis Salicae findet sich lediglich in zwei Rezensionen und steht neben der Bezeichnung als Lex Salica in den anderen Fassungen. ) bestand sie aus 65 Titeln, wuchs jedoch im Laufe der Zeit unter Einbezug römisch und christlich gefärbter Rechtssätze auf bis zu 100 Titel an11 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 102f. . Wohl in der Zeit Chlothars II. († 629/630) entstand mit der Lex Ribuaria12 Maßgebliche Edition: F. Beyerle/R. Buchner (Hgg.), Lex Ribuaria (MGH LL nat. Germ. III,2) Hannover 1954. eine überarbeitete Fassung der Lex Salica13 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 106f. und 130-133.. In karolingischer Zeit scheint die Lex Salica besonderes Interesse gefunden zu haben. Aus der Zeit Karls des Großen finden sich zwei größere Überarbeitungen (Fassungen E, ca. 788/9, und K, um 800), welche die zuvor teilweise unverständlich gewordenen Textzeugen vereinheitlichten, korrigierten, ergänzten und erläuterten sowie den Umfang der Lex Salica auf 70 Titel reduzierten14 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 151-154 zu ersten Bemühungen unter Pippin dem Jüngeren (Fassung D), mit dessen Herrschaft die ältesten Textzeugen der Lex Salica einsetzen (ältester Zeuge: Wolfenbüttel, HAB, Weißenburg 97), S. 167-172 zu Fassung E (gereinigter Wortlaut unter Einbezug römischer Rechtstermini und teilweise Streichung unverständlicher Passagen) und S. 174-190 zu Fassung K. Diese letzte Fassung war wohl auf Bewahrung und Benutzbarkeit hin angelegt und enthielt, wie andere Leges der Zeit, neben weiterhin gültigem Recht auch überkommene Passagen.. Das Interesse an der Lex Salica als Rechtstext scheint gegen Mitte des 9. Jahrhunderts zu Gunsten der Kapitularien und des römischen Rechts nachgelassen zu haben15 K. Ubl, Sinnstiftungen, S. 218f..
HL