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Ius (deu)

Ius: wörtlich „das Recht, aber auch die Gewalt.

Gemeinsam mit lex und consuetudo gehörte ius zur Trias der römischen Rechtssprache. Anfänglich weitgehend unbestimmt, entwickelte sich ius in der klassischen Zeit zum Oberbegriff für die Gesamtheit der Gesetze und Regeln. Neben der objektiven Bedeutung als Rechtsnorm, Rechtseinrichtung oder Rechtsordnung konnte ius auch im subjektiven Sinn verwendet werden, um die Berechtigung, Rechtsbefugnis oder Rechtsmacht eines Individuums zu bezeichnen. Im Laufe der Spätantike wurde die Abgrenzung zwischen ius und lex schwächer, ohne jedoch aufgegeben zu werden. Zugleich konnte ius nunmehr auch als Begriff für aus spezifischen Ansprüchen abgeleitete Rechte, zumeist bezogen auf Besitz, verwendet und somit in die Nähe der potestas gerückt werden. Ius als Oberbegriff für das Recht findet sich noch bei Isidor (560-636) und in der ihn rezipierenden Lex Baioariorum. Im Allgemeinen scheint ius im Frühmittelalter jedoch im Sinne von „Gewalt“ (potestas und damit weitgehend synonym zu lex, mos und consuetudo verwendet worden zu sein. In einigen Fällen findet sich darüber hinaus auch die Gleichsetzung von ius mit „Gericht“. Es erscheint mithin als irreführende Vereinfachung, ius für diesen Zeitraum mit „Recht“ gleichzusetzen. Eine Wiederbelebung des antiken Inhalts von ius fand schließlich im 11. Jahrhundert statt und bereitete den hochmittelalterlichen Rechtsvorstellungen den Boden.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Ius", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2021-12-09), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.ius.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-11-21)