Signaculum: Zeichen, Abzeichen, Siegel.
Bis zum 3. Jahrhundert stellten Siegel das alleinige Beglaubigungsmittel für Dokumente dar1 L. Saupe, Unterfertigung, S. 99., wobei die Rechtswirksamkeit eines Dokuments in vielen Fällen nicht an die Besiegelung, sondern an seine Eintragung in die öffentlichen Bücher (gesta municipalia) gebunden war2 A. Stieldorf, Urkunde, S. 141f.. Seit dem 4. Jahrhundert finden sich in zunehmender Zahl auch eigenhändige Namensunterschriften des Ausstellers, der Zeugen und des Schreibers einer Urkunde als Beglaubigungsmittel. Seit dem 5. Jahrhundert kann die eigenhändige Unterschrift auch durch die Unterzeichnung mit einem graphischen Handzeichen (signum, fast ausschließlich in Kreuzform, wobei signare das Anbringen eines Validationszeichens bezeichnete) mit erläuternder Beischrift ersetzt werden3 L. Saupe, Unterfertigung, S. 100 und 103f.; W. Maleczek, Eigenhändige Unterschriften, S. 162; P. Rück, Beiträge zur diplomatischen Symbolik, S. 24f. Vgl. auch B.-M. Tock, Scribes, S. 126-134, insbesondere zur Terminologie um das Unterschreiben, Unterzeichnen und Untersiegeln, und S. 145-190 zu den Zeichen selbst.. Nach der Merowingerzeit finden sich autographe Unterschriften, im Gegensatz zum eigenhändig gemachten signum, auf Privaturkunden nur äußerst selten4 W. Maleczek, Eigenhändige Unterschriften, S. 168f. Dabei war es auch möglich, dass sowohl signum als auch Beischrift autograph vom Unterzeichner verfasst wurden. Im 8. Jahrhundert finden sich signa dann jedoch vor allem als vom Schreiber der Urkunde gesetzte Belege für die Handfestung des Dokuments durch den jeweiligen Zeugen..
Die Untersiegelung von Urkunden findet sich nach der Spätantike zunächst fast ausschließlich in Herrscherurkunden und päpstlichen Bullen5 Die Papsturkunden wurden mit Bleibullen besiegelt. Vgl. M. Mersiowsky, Urkunde, S. 270; J. v. Pflugk-Harttung, Bullen, S. 45-50 und 158-160.. Im Bruch mit der durch Bildvielfalt geprägten römischen Tradition bildet das merowingische Königssiegel den Herrscher selbst ab. Dieses war jedoch kein persönliches Beglaubigungsmittel des Herrschers, sondern Amtszeichen der königlichen referendarii, die es zum Abschluss des Beurkundungsvorganges anbrachten und damit ihre eigene Autorisierung durch den König unterstrichen6 A. Stieldorf, Urkunde. Jeder referendarius führte dabei sein eigenes Siegel mit dem Abbild des Herrschers.. Diese Praxis änderte sich erst unter Karl dem Großen, mit dem das Siegel zum persönlichen Zeichen des Herrschers wurde, der dieses einzig zur Besiegelung aus der Hand gab7 A. Stieldorf, Urkunde, S. 162f. Auch die Hausmeier führten eigene Siegel, die jedoch nicht das Bild des Herrschers oder Sieglers abbildeten, sondern andere Motive. Erst mit Karl dem Großen fand die Rückkehr zum Herrscherbildnis statt.. Das auf der Urkunde angebrachte Siegel repräsentierte seine Person und brachte seine Zustimmung zum Rechtsakt sowie seinen Willen, diesen zu schützen, zum Ausdruck8 R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 118.. Bis zum 10. Jahrhundert finden sich Besiegelungen in Privaturkunden fast ausschließlich für Bischofsurkunden, Bischofsbriefe und Synodalakten9 M. Mersiowsky, Urkunde, S. 452-455, 475f., 488f. und 522f.. Die in anderen Privaturkunden im 11. Jahrhundert neu einsetzende Besiegelungspraxis orientierte sich am Vorbild der Herrscher- und Papsturkunden10 R. Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 117..
HL