Appennis: abgeleitet von (ap)pendere, aushängen, aufhängen1 K. Zeumer, Ersatz, S. 106; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 25f.; DNG I, „appendo I“, Sp. 393 und DNG II, „pendeo B“, Sp. 3556..
Der Terminus appennis findet sich einzig in Formelsammlungen des gallo-fränkischen Raumes2 Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 26. und bezeichnet ein Rechtsdokument, das bei Verlust von Besitztiteln ausgestellt wurde3 H. Bresslau, Handbuch, S. 61; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 25f.; A. Jeannin, Héritage, S. 170f., beziehungsweise die bei einem solchen Verlust zu verfolgende Prozedur4 Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 23: „L’apennis, ou procédure de ‘renouvellement’ des actes perdus.“ Die Verwendung von appennis für die Prozedur ergibt sich insbesondere aus Angers 31, Angers 32 und Angers 33, in welchen bereits die Bezeugung des Verlustes der Rechtstitel durch Vertrauenspersonen zur Vorlage vor der städtischen Versammlung zum Erwerb eines appennis als solcher übertitelt werden. Anders als von Lauranson-Rosaz und Jeannin an dieser Stelle dargestellt, handelt es sich beim appennis jedoch nicht um eine Erneuerung der verlorengegangenen Urkunden, sondern um eine Bestätigung des Besitzstandes, wie sie selbst auch später feststellen (Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 29): „L’apennis n’est donc pas à l’origine précisément un renouvellement des actes perdus, mais tout au plus l’attestation publique de la condition de propriétaire.“. Das appennis-Dokument stellte dabei keine Erneuerung der verlorenen Rechtsdokumente dar, sondern diente der Sicherung des von Zeugen festgestellten Besitzstandes zum Zeitpunkt ihres Verlustes5 H. Bresslau, Handbuch, S. 61; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 29; A. Jeannin, Héritage, S. 171. Etwas irreführend ist W. Brown, When documents are destroyed, S. 344, der von einem „document that replaced the contents of a lost archive“ spricht, da der appennis eben nicht die verlorengegangenen Dokumente ersetzte.. Das appennis-Verfahren scheint auf römische Wurzeln zurückzugehen6 K. Zeumer, Ersatz, S. 90-92; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 26-28; A. Jeannin, Héritage, S. 170. und findet sich in den Formelsammlungen in zwei Varianten7 Vgl. zum Folgenden K. Zeumer, Ersatz, S. 96 und 100-102; H. Bresslau, Handbuch, S. 61; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 28-30.. In beiden wurde zunächst der Verlust der Rechtsdokumente vor Zeugen festgestellt und vor die Municipalversammlung gebracht. Der romanischen Tradition folgend wurde sodann eine Erklärung über den Verlust ausgefertigt und für drei Tage öffentlich ausgehängt. Erfolgte in diesen Tagen kein Widerspruch, folgte die Inserierung der Erklärung in die gesta municipalia8 Dieser Vorgang ist einzig durch Auvergne 1 dokumentiert.. Die sogenannte fränkische Fassung9 Die Rekonstruktion des Vorgehens stützt sich auf aus Angers 31, Angers 32 und Angers 33, findet sich aber auch ähnlich in Marculf I,33 mit Marculf I,34 sowie Tours 28. weicht davon insofern ab, als hier zwei Dokumente ausgefertigt wurden, von denen eines ebenfalls öffentlich ausgehängt wurde, das andere jedoch beim Geschädigten verblieb. Eine befristete Einspruchsmöglichkeit scheint hier nicht mehr existiert zu haben10 K. Zeumer, Ersatz, S. 106f.; H. Bresslau, Handbuch, S. 61; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 30f.. In der Karolingerzeit scheinen die doppelte Ausfertigung und der öffentliche Aushang durch eine Appelation an den Herrscher ersetzt worden zu sein11 K. Zeumer, Ersatz, S. 111f.; H. Bresslau, Handbuch, S. 61.. Herrscherurkunden, in welchen verloren gegangene Rechtstitel erneuert wurden, kennen den Begriff appennis jedoch nicht mehr, sondern wurden als pancarta bezeichnet12 T. Sickel, Neuausfertigung, S. 251; K. Zeumer, Ersatz, S. 117-119; H. Bresslau, Handbuch, S. 61. Einen Überblick über die verschiedenen Formen der pancarta und ihre Entwicklung bietet M. Parisse, Écriture et réécriture. Die ursprüngliche pancarta scheint demnach seit der späten Karolingerzeit einen Wandel unterlaufen zu haben; als pancarta konnten nunmehr all jene Dokumente bezeichnet werden, in welchen andere Urkunden (oder Teile von diesen) abgeschrieben oder zusammengefasst wurden. M. Parisse, Écriture et réécriture, S. 249..
HL