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Servus, ancilla (deu)

Servus, weibl. ancilla: ursprünglichSklaveundSklavin, im Frühmittelalter allgemein auchUnfreierundUnfreie. Servus und ancilla sind als Begriffe während des gesamten ersten Jahrtausends in Gebrauch und werden im Laufe des 11. Jahrhunderts zu Gunsten der allgemeineren Bezeichnung homo aufgegeben. Neben dem allgemeinen Begriff servus finden sich im häuslichen Bereich auch puer und puella sowie vernaculus und vernacula.

Nach klassisch-römischen Grundsätzen bezeichnete servus eine Person, die über keine Freiheit verfügte und als Eigentum einer anderen Person prinzipiell wie eine Sache behandelt wurde. Eine eingeschränkte Rechtsfähigkeit war dabei zum Teil möglich. In den leges stellen die servi eine rechtliche Personenkategorie dar, die streng von den Freien durch andere Strafen, Bindung an einen Herrn und Einschränkungen bei der Heirat geschieden ist. Selbst nur partiell rechtsfähig, wurde die Verletzung, Tötung oder der Raub eines servus nach Sachenrecht beurteilt. Wird in den frühesten Fassungen der Herr voll für die Vergehen seiner servi in Haftung genommen, so lockert sich dies in der Folge bis zur völligen Befreiung des Herrn von jeglicher Verantwortung unter Chilperich I. Bereits das römische Recht kannte mit dem peculium persönlichen Besitz des Sklaven, der jedoch trotz einer gewissen Eigenverantwortlichkeit letztlich in der Verfügungsgewalt des Herrn blieb. Diese beschränkte Vermögensfähigkeit findet sich auch in den frühmittelalterlichen leges. Bemühungen zum Schutz der Sklaven vor ihren Herren finden sich in den leges der fränkischen Zeit im Gegensatz zur Gesetzgebung der Spätantike nicht. Dennoch scheint sich die rechtliche Position der servi vom 7. bis 9. Jahrhundert insbesondere durch die Bemühungen der Kirche stark verbessert zu haben.

In sozialer Hinsicht fand bereits früh eine Differenzierung der servi statt. Neben die direkt im Haus und auf den zum Herrenhof gehörenden Feldern beschäftigten servi traten servi casati, die als Pächter auf eigenen Hofstellen eingesetzt wurden und deren Leben sich nicht sonderlich von jenem halbfreier und freier Pächter unterschieden haben dürfte. Unabhängig von der sozialen Position blieb ein Kennzeichen des Rechtsstandes als servus die enge Verbindung mit dem servitium (der Verpflichtung zu Diensten. Mit der zunehmenden Fixierung von Abgaben und Dienstpflichten seit dem 8. Jahrhundert setzte eine Angleichung an jene anderer rechtsständischer Gruppen ein, die seit dem 9. Jahrhundert zu einer Auflösung der Unterschiede zwischen diesen führte. In der Grundherrschaft des 10. Jahrhunderts war der servus auf eigener Hofstelle kein Sklave mehr, sondern ein Höriger mit eigenen Rechten und Pflichten.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Servus, ancilla", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2021-12-09), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.servus.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-11-21)