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Fides, fidelitas, fidelis (deu)

Fides, fidelitas: Glaube, Treue; fidelis: Gläubiger, Getreuer. Fides und fidelitas scheinen im frühmittelalterlichen Gebrauch austauschbar gewesen zu sein. Fidelitas wohnte offenbar ein stärkerer Bezug zum menschlichen Zusammenleben inne, fides dagegen zum Verhältnis des Einzelnen zu Gott.

Fides drückte ursprünglich die Haltung des römischen Bürgers zur res publica im Sinne der Gewährung von Vertrauen aus. Seit augusteischer Zeit findet sich fides auch als Glaube im Sinne von Vertrauen auf die unumstößliche Wahrheit des Gesagten und die Richtigkeit seiner Überlieferung. Beide Bedeutungen verbanden sich in fränkischer Zeit zu einem neuen Verständnis von fides im Sinne von Treue. Im römisch-rechtlichen Sinne verwies fides auf eine sakralrechtliche Gebundenheit und eine Pflicht des Worthaltens. Daraus abgeleitet bezeichnete bona fides die nach Redlichkeit, Verkehrssitte und Geschäftsmoral zu wahrende Vertragstreue. Im Sinne der Pflicht des Worthaltens findet sich in merowingischer Zeit auch die Bezeichnung fides facta für ein Treuegelöbnis zur Erfüllung einer Verpflichtung (etwa dem Erscheinen vor Gericht), wobei bei Nichterfüllung die geschädigte Partei Zugriff auf die Güter des Schwörenden erhielt. Im Kontext der Ehe findet sich fides im Zusammenhang mit Verlobung und Eheschließung als Gelübde, aber auch als Treue der Eheleute zueinander.

Fidelitas findet sich im frühen Mittelalter vor allem zur Beschreibung einer Treueverbindung, deren Wesen und genaue Begründung jedoch im Unklaren bleibt. Ihr scheint sowohl eine moralische als auch eine rechtliche Komponente innegewohnt zu haben. In moralischer Hinsicht beschrieb die fidelitas ein Vertrauensverhältnis, mit dem eine dem Herrscher geschuldete loyale Haltung beschrieben wurde, die sich sowohl in passiver Hinnahme von dessen Herrschaft und dem Unterlassen diese schädigender Handlungen als auch in aktiver Leistung von Rat und Hilfe äußern konnte. Zugleich konnte fidelitas auch unterschiedliche Rechtsvorstellungen in sich aufnehmen, deren konkrete Ausformung von der Beziehung der beiden durch sie verbundenen Personen, ihrem Status, Amt und Verwandtschaftsgrad bestimmt war.

Fidelis, abgeleitet von fides, bezeichnet den Gläubigen oder Getreuen. Im christlichen Kontext ist der fidelis der Christ, im Plural fideles mit Verweis auf die Gemeinschaft der Gläubigen, aus der ein Ausschluss möglich ist. Im Kontext der Herrscherurkunden findet sich fidelis seit der Merowingerzeit als Bezeichnung für den Getreuen. Bezeichnet wurden damit alle Personen von Ansehen, denen die Teilnahme an Versammlungen gestattet war. Seit Ende des 7. Jahrhunderts findet sich darüber hinaus der Plural fideles als Sammelbegriff für die freien Untertanen eines Herrschers.

HL

Empfohlene Zitierweise:

Lößlein, Horst, "Fides, fidelitas, fidelis", in: Formulae-Litterae-Chartae. Neuedition der frühmittelalterlichen Formulae, Hamburg (2022-03-10), [URL: https://werkstatt.formulae.uni-hamburg.de/texts/urn:cts:formulae:elexicon.fidelis.deu001/passage/all] (letzter Aufruf: 2024-11-21)