Fides, fidelitas: Glaube, Treue1 H. Helbig, Fideles Dei, S. 275f. S. Dusil, Fides, S. 254 unterscheidet zwischen objektiver Bedeutung im Sinne von Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit sowie subjektiver Bedeutung im Sinne von Glaube, Vertrauen, Redlichkeit, Treue und Versprechen. Zum Bedeutungswandel von fides vgl. auch O. Weijers, Some notes on fides, S. 79-84; P. Stotz, Handbuch V,3.8, S. 11.; fidelis: Gläubiger, Getreuer2 O. Salten, Vasallität, S. 13. Vgl. dazu auch O. Weijers, Some notes on fides, S. 84; P. Stotz, Handbuch V,3.8, S. 11.. Fides und fidelitas scheinen im frühmittelalterlichen Gebrauch austauschbar gewesen zu sein. Fidelitas wohnte offenbar ein stärkerer Bezug zum menschlichen Zusammenleben inne, fides dagegen zum Verhältnis des Einzelnen zu Gott3 R. Deutinger, Königsherrschaft, S. 95..
Fides drückte ursprünglich die Haltung des römischen Bürgers zur res publica im Sinne der Gewährung von Vertrauen aus4 H. Helbig, Fideles Dei, S. 276.. Seit augusteischer Zeit findet sich fides auch als Glaube im Sinne von Vertrauen auf die unumstößliche Wahrheit des Gesagten und die Richtigkeit seiner Überlieferung5 H. Helbig, Fideles Dei, S. 277f. Diese Bedeutung findet sich entsprechend auch im christlichen Gebrauch. Vgl. S. Dusil, Fides, S. 255f. Zur Bedeutungsbandbreite von fides in der Antike vgl. auch C. Becker, Fides.. Beide Bedeutungen verbanden sich in fränkischer Zeit zu einem neuen Verständnis von fides im Sinne von Treue6 H. Helbig, Fideles Dei, S. 278 f.. Im römisch-rechtlichen Sinne verwies fides auf eine sakralrechtliche Gebundenheit und eine Pflicht des Worthaltens. Daraus abgeleitet bezeichnete bona fides die nach Redlichkeit, Verkehrssitte und Geschäftsmoral zu wahrende Vertragstreue7 S. Dusil, Fides, S. 261; A. Söllner, Bona fides.. Im Sinne der Pflicht des Worthaltens findet sich in merowingischer Zeit auch die Bezeichnung fides facta für ein Treuegelöbnis zur Erfüllung einer Verpflichtung (etwa dem Erscheinen vor Gericht), wobei bei Nichterfüllung die geschädigte Partei Zugriff auf die Güter des Schwörenden erhielt8 H.-R. Hagemann, Fides facta, S. 3-15; E. Magnou-Nortier, Foi et fidélité, S. 14-16. Die Leistung der fides konnte dabei mit der Überreichung der festuca einhergehen und war oft mit der Stellung von fideiussores verbunden. Das Bestehen der fides facta über die Merowingerzeit hinaus ist unklar.. Im Kontext der Ehe findet sich fides im Zusammenhang mit Verlobung und Eheschließung als Gelübde, aber auch als Treue der Eheleute zueinander9 S. Dusil, Fides, S. 256-260..
Fidelitas findet sich im frühen Mittelalter vor allem zur Beschreibung einer Treueverbindung, deren Wesen und genaue Begründung jedoch im Unklaren bleibt10 R. Deutinger, Königsherrschaft, S. 94. Unklar ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle von Treueiden, ob diese als Formalakt das Treueverhältnis begründeten oder lediglich dessen Verstärkung dienten. Der lange angenommene Zusammenhang der fidelitas mit dem Lehnswesen (im Sinne eines mit Blick auf den Erhalt eines Lehens (beneficium, feudum) vorgenommene beschworene Abmachung zweier Parteien zur Begründung eines vasallitischen Verhältnisses) ist mittlerweile für den Raum nördlich der Alpen bis ins 12. Jahrhundert in Zweifel gezogen. Vgl. dazu C. Fischer, Lehnsrechtliche fidelitas, S. 282; J. Dendorfer, Vasallen und Lehen.. Ihr scheint sowohl eine moralische als auch eine rechtliche Komponente innegewohnt zu haben. In moralischer Hinsicht beschrieb die fidelitas ein Vertrauensverhältnis, mit dem eine dem Herrscher geschuldete loyale Haltung beschrieben wurde, die sich sowohl in passiver Hinnahme von dessen Herrschaft und dem Unterlassen diese schädigender Handlungen als auch in aktiver Leistung von Rat und Hilfe äußern konnte11 R. Deutinger, Königsherrschaft, S. 96-107. Fidelitas war damit Ausdruck des Konsenses mit dem König und der Unterordnung unter diesen. Eng verbunden war sie mit Gehorsam, Ergebenheit und Dienst.. Zugleich konnte fidelitas auch unterschiedliche Rechtsvorstellungen in sich aufnehmen, deren konkrete Ausformung von der Beziehung der beiden durch sie verbundenen Personen, ihrem Status, Amt und Verwandtschaftsgrad bestimmt war12 S. Esders, Fidelität und Rechtsvielfalt, S. 241-254. Vgl. auch C. Fischer, Lehnsrechtliche fidelitas, S. 292; K. Görich, Fides und fidelitas, S. 298f. für das 12. Jahrhundert..
Fidelis, abgeleitet von fides, bezeichnet den Gläubigen oder Getreuen13 O. Salten, Vasallität, S. 13. Vgl. dazu auch O. Weijers, Some notes on fides, S. 84; P. Stotz, Handbuch V,3.8, S. 11.. Im christlichen Kontext ist der fidelis der Christ, im Plural fideles mit Verweis auf die Gemeinschaft der Gläubigen, aus der ein Ausschluss möglich ist14 S. Dusil, Fides, S. 255f. Infideles sind entsprechend die Ungläubigen, die Nichtchristen.. Im Kontext der Herrscherurkunden findet sich fidelis seit der Merowingerzeit als Bezeichnung für den Getreuen. Bezeichnet wurden damit alle Personen von Ansehen, denen die Teilnahme an Versammlungen gestattet war. Seit Ende des 7. Jahrhunderts findet sich darüber hinaus der Plural fideles als Sammelbegriff für die freien Untertanen eines Herrschers15 W. Kienast, Die fränkische Vasallität, S. 33-49. Zur Frage nach der lange Zeit postulierten Identität von fideles und vassi vgl. Ch. Odegaard, Vassi; W. Kienast, Die fränkische Vasallität, S. 128f..
HL