Immunitas, emunitas: Immunität1 Die Form immunitas findet sich in der römischen Zeit und ab der Herrschaft Ludwigs des Frommen († 840). Emunitas ist die nahezu ausschließlich in der merowingischen Zeit verwendete Form. F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 173., Freiheit von öffentlichen Lasten2 W. Goffart, From Roman taxation, S. 5f..
In der römischen Antike bezeichnete immunitas ein vom Kaiser an Individuen, Gruppen oder Gemeinschaften verliehenes Privileg über die Befreiung von bestimmten öffentlichen Leistungen (munera) oder Abgaben, dessen Art und Umfang individuell unterschiedlich ausfallen konnten3 L. Neesen, Die Entwicklung; S. Esders, Römische Rechtstradition, S. 236; R. Bernhardt, Immunität und Abgabenpflichtigkeit; W. Goffart, Old and new, S. 5f. Vgl. auch Codex Theodosianus XVI,2,2; VI, 35,3; XIII,3,2 und 3,1; VII, 20,3 und 20,2. Befreiungen finden sich so etwa für Veteranen, verschiedene Berufsgruppen, Kleriker, Munizipien oder kaiserliche Domänen. Im frühen 4. Jahrhundert finden sich vor allem Befreiungen von munera, gegen Ende des 4. Jahrhunderts überwiegen die steuerlichen Befreiungen, im 5. Jahrhundert wiederum Befreiungen von körperlichen Leistungen (munera sordida) und außerordentlichen Steuerveranlagungen (superdictiones). Die jeweilige Ausgestaltung der Immunität orientierte sich an den Belastungen durch den römischen Staat.. Die spätantike Immunität wurde von den Franken als flexibel handhabbares königliches Privileg übernommen, das weltlichen und geistlichen Individuen und Institutionen gewährt werden konnte, von ewiger Gültigkeit war und sich in der Regel auf Grundbesitz bezog4 F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 174-176; A. C. Murray, Immunity, S. 20. Die Langobarden kannten die Institution der Immunität dagegen nicht. C. Brühl, Die merowingische Immunität, S. 162.. Die fränkische Immunität war nicht an die privilegierte Person oder Institution gebunden, sondern an den im Privileg spezifizierten Grundbesitz, und blieb auch bei einer Veräußerung desselben mit diesem verbunden5 L. Levillain, Note sur l’immunité, S. 42; F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 182f. Seit dem 7. Jahrhundert wurde die gewährte Immunität auch auf in der Zukunft erworbenes Grundeigentum ausgedehnt. Vgl. S. Esders, Römische Rechtstradition, S. 238-240.. Sie stellte keine Befreiung von fiskalischen Lasten dar, sondern übertrug deren Erhebung von den weiterhin leistungspflichtigen Hintersassen auf den Immunitätsherren, wobei der dem zuvor für die Erhebung zuständigen Grafen zustehende Anteil nun dem Immunitätsherren zukam6 E. Magnou-Nortier, Étude, S. 477 und 483f.; J. Durliat, Finances publiques, S. 155f.; C. Brühl, Die merowingische Immunität, S. 160f. Sie widersprechen damit der älteren Forschung, die von einer vollständigen fiskalischen Befreiung des Immunitätsherren ausging. Vgl. etwa F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 209; A. C. Murray, Immunity, S. 20; R. Kaiser, Steuer und Zoll, S. 9. Fiskalische Befreiungen, im 7. Jahrhundert auch von Zöllen, scheinen nur punktuell und unabhängig von der Verleihung der Immunität vorgenommen worden zu sein. C. Brühl, Die merowingische Immunität, S. 161.. Ergänzt wurde die Immunität seit Mitte des 7. Jahrhunderts häufig durch ein mit ihr ausgesprochenes Verbot an alle öffentlichen Amtsträger, das Gebiet des Immunitätsherrn zu bestimmten Zwecken zu betreten (Introitusverbot)7 A. C. Murray, Immunity, S. 21; C. Brühl, Die merowingische Immunität, S. 155-159. Entgegen der älteren Forschung, die das Introitusverbot als essentiellen Bestandteil der merowingischen Immunität ansah. Vgl. etwa L. Levillain, Note sur l’immunité, S. 63f.; F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 179f.. Die damit für die Amtsträger unmöglich gewordenen Aufgaben mussten vom Immunitätsherrn übernommen werden8 F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 185; A. C. Murray, Immunity, S. 35; S. Esders, Römische Rechtstradition, S. 238-240.. In karolingischer Zeit nehmen die überlieferten Immunitätsprivilegien stark zu9 C. Brühl, Die merowingische Immunität, S. 153.. Auch sie sind häufig mit einem, wiederholt um verschiedene Gründe erweiterten, Introitusverbot verbunden und finden sich häufig gemeinsam mit der Übertragung von Einkünften des fiscus10 F.-L. Ganshof, L’immunité, S. 196-198. Erwähnt werden nun auch die Stellung von paraveredi oder die Erhebung von mansiones et paratas, teloneum sowie gelegentlich auch inferenda..
HL