Scabinus: Beisitzender Urteilssprecher, Schöffe. Wohl vom germanischen *scapinaz oder *scapino in merowingischer Zeit im niederfränkischen Raum ins Mittellateinische übernommen1 G. v. Olberg, Scabinus, Sp. 1131f..
Die früheste Erwähnung der scabini findet sich in einer Urkunde von 745 aus Saint Bertin2 Diplomata Belgica ante annum 1100 scripta, hg. von M. Gysseling und A.C.F. Koch, Bouwstoffen en studien voor de geschiedenis en de lexicografie van het Nederlands 1 (Brussels, 1950), Nr. 15A, Bd. 1, S. 32. Vgl. A. Rio, Legal Practice, S. 126 mit Anm. 153.. Seit den 780er Jahren häufen sich die Belege, bis sie 803 erstmals in einem Kapitular Karls des Großen in Erscheinung treten3 MGH Capit. 1, Nr. 39, c. 10, S. 114; F. Estey, The scabini, S. 121.. Außerhalb der Kapitularien finden sich scabini vor allem als Gerichtsbeisitzer und Urteiler, zumeist an der Seite von Grafen oder missi4 A. Hicklin, The scabini, S. 3f.. Nach den Kapitularien soll eine bestimmte Zahl von scabini der Entourage verschiedener Amtsträger angehören, die deren Namen schriftlich festhalten müssen. Bei ihrer Ernennung haben die scabini zudem einen Eid auf den Herrscher abzulegen. Neben ihrer Rolle als Gerichtsbeisitzer finden sich in den Kapitularien zudem auch Bestimmungen, nach welchen die scabini auf Aufgaben wie die Einberufung von Versammlungen, Eintreibung von Strafzahlungen und Ausführung von Körperstrafen übernehmen sollten5 A. Hicklin, The scabini, S. 3.. Die scabini übernahmen damit die Aufgaben der merowingerzeitlichen rachimburgi und boni homines, waren aber anders als diese permanent und nicht ad hoc ernannt. Wie diese gehörten sie wohl den lokalen Eliten (reichere Landbesitzer) an6 F. Estey, The scabini, S. 121-126. Vgl. zu diesen Gruppen auch L. Jégou, Scabini.. Der Gebrauch des Terminus scabinus blieb regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im südlichen Gallien etwa findet sich parallel zu scabini auch iudices, aber auch weiterhin rachimburgi oder auch boni homines, wobei Begriffe zum Teil synonym, zum Teil aber auch zur Charakterisierung eines Bestandteils einer größeren Gruppe (etwa scabini als Teil der boni homines) verwendet werden konnten7 F. Estey, The scabini, S. 122; A. Hicklin, The scabini, S. 4.. In Italien scheint sich scabinus Mitte des 9. Jahrhunderts hin zur Bezeichnung für Notare und schließlich zu einem erblichen Titel gewandelt zu haben8 A. Hicklin, The scabini, S. 4.. Nördlich der Alpen scheint im 11. Jahrhundert eine Bedeutungsdiversifikation stattgefunden zu haben9 A. Hicklin, The scabini, S. 7..
HL