Manumissio, ingenuitas, libertas: Freilassung.
Nach dem spätantiken römischen Recht konnten Freilassungen vor Beamten, per Brief, Testament oder anders mitgeteilter Willenserklärung erfolgen1 M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 133-137; A. Nitschke, Freilassung, S. 223f.. Seit dem 4. Jahrhundert war darüber hinaus auch die Freilassung in Kirchen zulässig2 Zur spätantiken Freilassung in Kirchen vgl. H. Grieser, Sklaverei, S. 136-139. Die Freilassung wurde dabei auf einer tabula schriftlich fixiert. Davon abgeleitet etablierte sich die Bezeichnug tabularii für die so Freigelassenen.. Entscheidend war in jedem Fall die durch Zeugen gesicherte Öffentlichkeit des Rechtsaktes3 S. Esders, Formierung, S. 32; A. Nitschke, Freilassung, S. 223f.. Private Freilassungsformen führten dabei nicht zur Erlangung des vollen römischen Bürgerrechts, sondern lediglich zur Latinität ohne die Fähigkeit, Testamente zu errichten oder selbst testamentarisch bedacht zu werden4 M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 136; H. Grieser, Sklaverei, S. 135 und 143. Neben der Testierfähigkeit war für Freigelassene, die nicht das volle römische Bürgerrecht erhielten, auch die Verfügung über ihr peculium eingeschränkt.. Freigelassene, die zuvor als Sklaven für bestimmte Vergehen bestraft worden waren, wurden als sogenannte dediticii weiteren Einschränkungen unterworfen5 Vgl. dazu Breviarium Alarici, Epitome Gai 1,1-4; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 120-122; D. Liebs, Vier Arten. Die Sonderstellung der Latiner und dediticii wurde im Osten von Justinian aufgehoben (Codex Justinianus 7,5,1; Institutiones 1,5,3).. Im frühen Mittelalter finden sich Freilassungen in römischer Tradition neben neuen Formen wie der Aushändigung einer Freilassungsurkunde (manumissio per chartam6 Auch manumissio per scripturam, per epistolam, per testamentum libertatis, per titulum ingenuitatis oder ähnlich. Vgl. dazu H. Grieser, Sklaverei, S. 139f.) oder der Freilassung per Schatzwurf (manumissio per denarium)7 Vgl. zum Schatzwurf H. Brunner, Freilassung, S. 56-60; H. Grieser, Sklaverei, S. 139. Zum der Handlung innewohnenden Symbolismus vgl. A. Nitschke, Freilassung, S. 244-246.. Wichtig blieb auch bei diesen neuen Formen die Öffentlichkeit der Freilassung8 H. Grieser, Sklaverei, S. 139f.. Wie in römischer Zeit erwarb der Freigelassene mit der Freilassung nominell die volle, uneingeschränkte Freiheit. In der Praxis bestand jedoch die Abhängigkeit vom früheren Herrn fort, dem für seinen Schutz (defensio, auch tuitio, mundeburdium oder patrocinium) Gehorsam (obsequium) und oft auch Dienstpflichten (operae libertorum) geschuldet wurden9 J.-P. Devroey, Puissants, S. 269-271. Oft drückten sich die Dienstpflichten auch in einem regelmäßig zu leistenden Zins aus. Vgl. dazu auch S. Epperlein, Die sogenannte Freilassung, S. 98f.; S. Esders, Formierung, S. 51-54. In manchen Fällen scheint dem Freigelassenen die Wahl des Schutzherrn freigestellt gewesen zu sein. . Besonderer Schutz kam dabei von Seiten der Kirche den von ihr selbst freigelassenen Personen oder von anderen Freilassern ihrer defensio unterstellten Freigelassenen zu10 Synode von Paris 556-573 c. 5; Edictum Clotharii c. 7; Lex Ribuaria 61 (58),1; H. Grieser, Sklaverei, S. 156; S. Epperlein, Die sogenannte Freilassung, S. 95-99; S. Esders, Formierung, S. 34-36 und 47-54. . Die in römischer Zeit noch schwächer ausgeprägte Bindung des Freigelassenen an den Herrn wurde seit der Spätantike zunehmend verstärkt und bis zum 7. Jahrhundert zu einer unauflöslichen und erblichen Verpflichtung entwickelt11 Vgl. dazu A. Rio, Slavery, S. 75-79; S. Esders, Formierung, S. 23-32; J. Barschdorf, Freigelassene, S. 88f. und 251; N. Carrier, Usages, S. 54-57..
HL