SCHENKUNG1 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen (†337) war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. ZWISCHEN MANN UND FRAU2 Das römische Recht ermöglichte kinderlosen Paaren die gegenseitige Einsetzung als Erben (vgl. Codex Theodosianus VIII,17,2-3 und Breviarium Alarici, NV III,4 Interpretatio). Frühmittelalterliches Erbrecht sah eigentlich nicht die Eheleute, sondern deren Kinder oder, falls keine Nachkommen existierten, deren Verwandte als Erben vor. Vgl. dazu etwa Lex Salica 91-92 oder Lex Ribuaria 50. Sollte der Ehepartner Erbe sein, waren Vereinbarungen wie in dieser Formel notwendig (ähnliche Vereinbarungen finden sich etwa auch in Angers 41, Marculf I,12 und Marculf II,8 sowie Tours 18). Vgl. dazu auch U. Nonn, Merowingische Testamente, S. 50-53; H.-W. Goetz, Frauen im frühen Mittelalter, S. 208f.; E. Santinelli, Ni „Morgengabe“; A. Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand, S. 207-231. Zum Eigentumsrecht von Frauen im frühen Mittelalter vgl. J. Nelson, The wary widow, S. 85-88., DIE FREILICH DEN GESTA3 Die spätrömischen gesta municipalia dienten zunächst dazu, Wechsel von steuerpflichtigem Grundeigentum festzuhalten, entwickelten sich in der Folge jedoch zu städtischen Archiven, in welche Rechtsgeschäfte aller Art eingetragen wurden. Die öffentliche Insinuation von Rechtsdokumenten in die gesta sicherte die Rechtskraft von Rechtsgeschäften und erhöhte im Streitfall die Glaubwürdigkeit der Dokumente. In der fränkischen Welt sind die gesta bis ins 9. Jahrhundert bezeugt, wenn auch der Rechtsvorgang der Insinuation zunehmend modifiziert wurde. Vgl. dazu B. Hirschfeld, Gesta municipalia; W. Brown, On the gesta municipalia; J. Barbier, Archives oubliées. HINZUGEFÜGT WERDEN MUSS4 Lediglich die Arenga (scripturarum necesse est titulis alligari) deutet im eigentlichen Formeltext auf die hier angekündigte Eintragung in die gesta municipalia hin. Vgl. auch die inhaltsgleiche Formel Angers 41, die am Schluss der Urkunde eine entsprechende Anweisung (Gestis municipalis sit oblegatum, ut in perpetuum plenius obteniat effectum.) enthält.
Was auch immer aus dem eigenen Vermögen man sich freilich unter Eheleuten gegenseitig in beständiger Liebe aus liebevollster Zuneigung zu schenken beschließt, muss man den Besitztiteln der Schriftstücke hinzufügen, damit es in Zukunft nicht von deren Erben oder wem auch immer untergraben werden kann5 Dieselbe Arenga findet sich in identischer Form auch in Marculf II,7 (CARTA INTERDONATIONIS INTER VIRO ET FEMINA DE EORUM RES)., denn gemäß dem Gesetz6 Breviarium Alarici, Pauli Sententiae II,24,5 Interpretatio: Si manente coniugio vir uxore vel uxor marito aliquaid donaverit, si is, cui donatum est, prior mortuus fuerit, apud donatorem ea, quae donata fuerant remanebunt. Die Wahl des Gesetzestextes dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass im folgenden Text kein Hinweis bezüglich der Existenz oder Nichtexistenz von Kindern des Paares gemacht wird, wie dies in vergleichbaren Schenkungen zwischen Ehepartnern in Angers 41 (wo stattdessen auf das für diese Fälle vorgesehene ius liberorum, vgl. Codex Theodosianus VIII,17,2-3 und Breviarium Alarici, Novellae Valentinianae III,4 Interpretatio, hingewiesen wird) und Marculf II,7 und Marculf II,8 der Fall ist. Der hier inserierte Text ermöglicht demgegenüber eine derartige Schenkung auch zwischen Eheleuten mit Kindern vorzunehmen. Frühmittelalterliches Erbrecht sah eigentlich nicht die Eheleute, sondern deren Kinder oder, falls keine Nachkommen existierten, deren Verwandte als Erben vor. Vgl. dazu etwa Lex Salica 91-92 oder Lex Ribuaria 50. Sollte der Ehepartner Erbe sein, waren Vereinbarungen wie in dieser Formel notwendig. Vgl. dazu auch U. Nonn, Merowingische Testamente, S. 50-53; H.-W. Goetz, Frauen im frühen Mittelalter, S. 208f.; E. Santinelli, Ni Morgengabe; A. Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand, S. 207-231. Zum Eigentumsrecht von Frauen im frühen Mittelalter vgl. J. Nelson, The wary widow, S. 85-88. sollen, falls bei einer bestehenden Ehe der Mann der Frau oder die Frau dem Gemahl irgendetwas geschenkt haben mag, die Dinge, die geschenkt worden sind, beim Schenker verbleiben, falls derjenige, dem es geschenkt worden ist, zuerst versterben sollte.
In Gottes Namen also ich, der Soundso:
Meine allersüßeste Gemahlin Soundso, falls ich früher sterben sollte als Du, schenke ich Dir durch dieses Schenkungsschreiben7 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen (†337) war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. – und ich möchte, dass das Geschenk von Dauer sei – drei Teile von der Gesamtheit8 Die Handschriften überliefern hier mit der dunkeln Formulierung omni re facultatis meae eine entstellte und verkürzte Form von omni corpore faculatis meae. Die richtige Lesart wurde in der Marculfformelsammlung (Marculf II,7) bewahrt. meines Vermögens9 Die römische Rechtspraxis (etwa Breviarium Alarici, Epitome Gaii 2,6 und 2,7; Pauli Sententiae 3,11) sah einen Pflichtteil von einem Viertel (quarta Falcidia) für die gesetzlichen Erben vor, der diesen auch bei abweichenden Regelungen von Todes wegen zustand. Vgl. M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 514f.; N. Tamassia, La falcidia., soviel, wie auch immer ich im Gau Soundso an den Landgütern, die Soundso und Soundso10 Die Form villas ... illas ist Plural, es ist nicht klar, um wie viele Landgüter es geht. heißen, besitze, das heißt sowohl an Ländereien, Gebäuden, Landpächtern, Unfreien, Freigelassenen11 Freigelassene verblieben nach ihrer Freilassung zumeist in der Patronatsgewalt ihres Freilassers. Dessen Schutz war häufig mit der Verpflichtung zu exakt festgelegten Diensten und Abgaben verbunden. Im Laufe des Frühmittelalters wurde libertus zunehmend zu einem vererbbaren Stand, während sich zugleich die Beziehung zwischen Freigelassenem und Freilasser allmählich entpersonalisierte. Seit dem 8. Jahrhundert scheinen die Grenzen zwischen liberti und servi, aber auch zwischen liberti und ingenui durch die Fixierung der Lasten zunehmend verschwommen zu sein. Vgl. dazu J.-P. Devroey, Puissants, S. 270; A. Rio, Slavery, S. 75-79; H. Grieser, Sklaverei, S. 150-153; S. Esders, Formierung, S. 23 und 30-33; H.-W. Goetz, Serfdom, S. 34; W. Rösener, Vom Sklaven zum Bauern, S. 85-87., Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, stehenden und fließenden Gewässern, beweglicher und unbeweglicher Habe [als auch] soundsoviel Gold, soundsoviel Silber [und] Ehernes im Wert von soundsovielen solidi. Dies alles schenke und übertrage ich Dir mit allem, was dazu gehört und davon abhängt, und samt allem oben Dargelegten – den vierten Teil aber behalte ich für meine rechtmäßigen Erben zurück –, denn ich möchte lieber, dass Du es hast, als dass ich es habe; lieber Du als meine übrigen Erben12 Vgl. Breviarium Alarici, Pauli Sententiae II,24,6 Interpetatio (nam in donationibus, quae mortis causa fiunt, haec verborum solennitas custoditur: “Illum agrum aut illam domum te malo habere quam me, te quam heredes meos.”).
In gleicher Weise ich, in Gottes Namen die Soundso, an meinen allersüßesten Gatten Soundso:
Falls ich früher sterben sollte als Du, schenke ich Dir durch dieses Schenkungsschreiben13 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen († 337) war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. ... es folgt der oben gesagte Text14 Es handelt sich um eine Anweisung für den Benutzer der Sammlung, der den didaktischen Charakter der Sammlung deutlich macht. Der Benutzer der Formelsammlung konnte das vorliegende Dokument mit Hilfe der Angaben im ersten Teil vervollständigen..
Falls es aber jemanden geben sollte – wir glauben nicht, dass das geschehen wird – sei es irgendeiner unserer Erben oder sonst irgendjemand15 Die (maskuline) Rekompositionsform quislibet (aus quilibet, quis) wird sehr häufig auch für feminine Substantive verwendet, dazu P. Stotz, Handbuch 4, VIII, § 62.2, S. 129., der sich anschickt, gegen diese mit gleichem Inhalt16 Die Ausfertigung jeweils eines Exemplars derselben Urkunde für jede der am Vorgang beteiligten Parteien findet sich bereits in römischer Zeit. Sie wurde vor allem dann vorgenommen, wenn in der entsprechenden Urkunde Rechtstitel an mehrere Parteien verliehen wurden. Derartige Mehrfachausfertigungen sind für die fränkische Zeit vor allem für Tauschgeschäfte und Prekarien belegt. Die vorliegende Formel weist allerdings darauf hin, dass dieses Verfahren auch in anderen Rechtsangelegenheiten gängig war. Vgl. dazu H. Bresslau, Handbuch I, S. 668 mit Anm. 1; K. Groß, Visualisierte Gegenseitigkeit, S. 160-167. ausgestellten Schreiben, die wir uns gegenseitig bestätigten, irgendetwas zu unternehmen oder ihnen zu widersprechen, soll er das, was er fordert, nicht erreichen und darüber hinaus ist er gezwungen, demjenigen gegenüber, dem er den Rechtsstreit aufbürdet, soundsoviele solidi zu bezahlen; und diese Übertragungsschreiben17 Aus conferre (inf. Perfekt contulisse) „darbringen“, „hergeben“, „angedeihen lassen“, „erweisen“ oder „übertragen“. Eine contulicio (bzw. contulacio) als eigene Art von Dokument wird in Angers 31 und Angers 32 erwähnt, ist sonst aber nicht weiter bekannt. In Tours 17 und Tours 18 scheint sie, synonym zur donatio, als Bezeichnung für die zwischen Eheleuten gefasste Übereinkunft, dass im Falle des Ablebens eines der Partner dem anderen das Eigentum des Verstorbenen zufallen solle, verwendet worden zu sein. sollen samt einer aquilianischen18 Es handelt sich um einen Verweis auf die stipulatio Aquiliana des Gaius Aquilius Gallus († 44 v. Chr.), einem Formular, durch welches alle Obligationen zweier Geschäftsparteien zu einer einzigen zusammengefasst wurden. Diese wiederum wurde sodann durch eine acceptilatio getilgt. Nach ihrer Einführung scheint sich die Gewohnheit entwickelt zu haben, einen Verweis auf die stipulatio in Vertragstexte einzufügen, um ihnen den Rechtsgehalt der stipulatio zu verleihen. Im Laufe der Zeit entfernte sich der Inhalt dieser Verträge vom alten Anwendungsbereich der stipulatio. Das Verständnis vom ursprünglichen Rechtsinhalt der Formel scheint dabei in vielen Fällen verloren gegangen zu sein. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 446f.; A. Jeannin, Vigor actorum, S. 288-290. eidlichen Zusicherung19 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31. von meinen Händen und Händen von Männern guten Leumunds20 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines. bekräftigt festen Bestand haben.