UNTERWERFUNGSURKUNDE1 Im vorliegenden Dokument geht es nicht um die Unterwerfung einer Person, sondern um die Unterwerfung einer Sache. Zwischen einem Vater und seinen Söhnen umstrittene Gütern werden von diesem unter die Herrschaft der Söhne unterworfen. Das Verb obnoxiare wird im Folgenden nur in Bezug auf dieses Grundeigentum gebraucht (nobis conplacuit, alias villas nostras ... per hanc epistolam obnoxiationis vobis obnoxiasse)., DIE VON EINEM VATER AN SEINE KINDER2 Die Form filiis kann sowohl maskulin als auch feminin sein. AUSGEFERTIGT WURDE3 K. Zeumer, Formulae, S. 249, hat auf eine Übereinstimmung einzelner Sentenzen und Junkturen mit dem 22. Stück (Zählung der Edition Zeumer) der sogenannten Formulae Salicae Merkelianae (Vatikan, BAV, Reg. Lat. 612, fol.15v-16r) hingewiesen. Beim übernommen Material handelt es sich allerdings nur um unspezifische „Standardformulierungen“. Die fragliche Formel überliefert ansonsten einen eigenständigen Rechtsakt mit anderem Wortlaut und Inhalt.
An meine allersüßesten Kinder, (ich,) der Soundso. Bei allen gilt es als allgemein bekannt, dass ich vor einigen Jahren Eurer Mutter Soundso, bevor ich sie mit mir in der Ehe verbunden hatte, einige Landgüter, die Soundso und Soundso4 Die Form illas ist Plural, es ist nicht klar um wie viele Landgüter es geht. heißen und da und da gelegen sind, durch ein Abtretungsschreiben5 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. oder ein Hochzeitsgabendokument6 Die dos bezeichnet im Wortsinn die Schenkung oder die Gabe, in der römischen Tradition zumeist konkret die Brautgabe. Im frühen Mittelalter handelte es sich dabei um eine vor der Eheschließung vereinbarte und im libellum dotis festgehaltene Schenkung des Bräutigams an die Braut. Sie diente der Versorgung der Frau im Falle des vorzeitigen Hinscheidens des Mannes, blieb jedoch in der Regel bis zu diesem Augenblick unter dessen Kontrolle. Vgl. zur dos u.a. Ch. Lauranson-Rosaz, Douaire et sponsalicium; R. Le Jan, Aux origines du douaire médiéval. geschenkt habe. Aber nun ist dieselbe von diesem Licht geschieden, während ich noch sündige, und Ihr habt sodann über das ganze Eigengut7 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten und nicht auf andere Weise erworbene Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, 143-172. derselben, eurer Mutter Soundso, entsprechend dem, was der Anlass gebot, in Gegenwart von Männern guten Leumunds8 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines. – oder des Königs – mit mir gestritten, habt anhand desselben Schreibens, das ich für sie ausgefertigt habe, uns gegenüber Ansprüche geltend gemacht und habt das ganze Eigengut9 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. derselben in eure Gewalt aufgenommen10 Frühmittelalterliches Erbrecht sah nicht den Ehepartner, sondern die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder oder, falls keine Nachkommen existierten, deren Verwandte als Erben vor. Vgl. dazu etwa Lex Salica 91-92 oder Lex Ribuaria 50. Sollte der Ehepartner Erbe sein, waren besondere Vereinbarungen notwendig (vgl. etwa auch Angers 41, Marculf I,12, Marculf II,7 und Marculf II,8 sowie Tours 17 und Tours 18). Vgl. dazu auch U. Nonn, Merowingische Testamente, S. 50-53; H.-W. Goetz, Frauen im frühen Mittelalter, S. 208f.; A. Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand, S. 207-231, insb. S. 207-210 zu dieser Formel. Zum Eigentumsrecht von Frauen im frühen Mittelalter vgl. J. Nelson, The wary widow, S. 85-88.. Aber nun gab es eine Bitte von mir und so wie es sich für gute Kinder geziemt, entspracht Ihr meinem Wunsch und habt mir gestattet, dieselben Landgüter und dieselbe Habe, die eurer Mutter gehört hatten, die ich ihr gab und geschenkt hatte, zum Gebrauch [in Form] eines beneficium11 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f. zu halten und ohne irgendeinen Nachteil für Euch zu bestellen. Daher gefiel es uns, Euch durch dieses Unterwerfungsschreiben unsere anderen Landgüter Soundso und Soundso12 Die Form illas ist Plural, es ist nicht klar um wie viele Landgüter es geht. für Euer Wohlwollen und zum oben beschriebenen Gebrauch Eurer Landgüter zu unterwerfen, so dass wir künftig sowohl die oben genannten Landgüter, als auch insbesondere jene [Landgüter], die ich Eurer oben genannten Mutter durch mein Schreiben übertragen hatte, als Euer beneficium13 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f. bestellen müssen und ich soll in Bezug auf das oben genannte keinerlei Macht haben, etwas zu verkaufen, wegzugeben, zu tauschen oder durch irgendeine List zu verringern, es sei denn allein zum Gebrauch14 Das Nutzungsrecht durch den ususfructus war nach römischem Recht mit der Pflicht zum ordnungsgemäßen Wirtschaften verbunden. Eingriffe in die Substanz oder Veränderungen am Wesen der Sache waren entsprechend untersagt. Vgl. M. Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 379. Mit diesem Passus scheint demgegenüber die Möglichkeit eines Wertverlustes durch die normale Bewirtschaftung eingeräumt worden zu sein., denn durch dieses mein Unterwerfungsschreiben sollen die Verfügungsgewalt und die Macht bei Euch liegen. Und wann auch immer Ihr wollt und es Euch gefällt, sollt Ihr alles oben bereits genannte, sowohl das, was Euer Eigengut15 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. ist, das zuvor zum Anteil Eurer Mutter gehörte, als auch jene anderen [Landgüter], die folgendermaßen heißen … [und] was wir Euch zu eben diesem Zweck unterwarfen, ohne jedes Ungemach oder irgendeine Forderung von mir unter Eure Herrschaft zurückrufen, um es dauerhaft zu besitzen und Ihr sollt daher die Macht haben zu tun, was auch immer ihr künftig wollt, ohne irgendeine Prekarie16 Das frühmittelalterliche precarium findet sich in stark zunehmendem Maße seit dem ausgehenden 7. Jahrhundert in den Quellen. Mit dem precarium wurde Grundbesitz übertragen, wobei das Eigentum am übertragenen Land beim Geber verblieb, während dem Empfänger das Recht zum Nießbrauch eingeräumt wurde. Verbunden war diese Übertragung in der Regel mit der Verpflichtung zu Abgaben und Diensten, wobei die genauen Bedingungen flexibel ausgehandelt werden konnten. Vgl. dazu E. Levy, Vom römischen Precarium, insb. S. 3-5; L. Morelle, Les actes de précaire, S. 610-617; I. Wood, Teutsind, S. 45-47., die dem entgegen steht, denn durch diese Unterwerfung soll es dauerhaft Wirkung erlangen, so als ob sie stets für fünf Jahre erneuert worden wäre17 Die Festlegung einer Fünfjahresfrist für die Erneuerung von durch Kirchen ausgegebene precaria findet sich auch in karolingerzeitlicher Gesetzgebung wieder und scheint hier älteres Gewohnheitsrecht wiederzugeben (Kapitular von Herstal 779, c. 13, MGH Capit. 1, S. 50; Synode von Meaux 845, c. 22, MGH Conc. 3, S. 96). Möglicherweise steht diese Frist in Zusammenhang mit der für die Langobarden bezeugten Rechtspraxis, dass das Eigentum an Land, welches für fünf Jahre von einer Person bewirtschaftet wurde, auf diese übergehen sollte (Edictus Rothari c. 227, MGH LL 4, S. 56). Die Dauer dieser Frist geht möglicherweise auf römische Rechtspraxis zurück. Vgl. dazu H. Brunner, Rechtsgeschichte I, S. 291f. und 304f.; E. Levy, Vom römischen Precarium, S. 25-27. Der hier vorliegende Passus schlägt damit einen Automatismus vor, mit welchem die eigentlich vorgeschriebene zeitliche Befristung des precarium ausgehebelt werden konnte, ohne dass davon die Eigentumsverhältnisse berührt wurden..
[Gegeben samt] einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung18 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31.. Geschehen da und da.