SCHREIBEN, WENN VOM GROSSVATER DIE ENKEL ANSTELLE DER SÖHNE (ALS ERBEN) EINGESETZT WERDEN
An meine allersüßesten Enkel Soundso und Soundso1 Die Form illis ist Plural, es ist nicht klar um wieviele nepotes es geht., [ich,] der Soundso.
Da auch Eure Mutter, meine Tochter Soundso, – was ich mir nicht gewünscht hatte – als sich für sie der Lauf der Natur erfüllte, von diesem Licht schied, während ich noch sündige, wägte ich freilich die Frage der Blutsverwandtschaft ab, und da Ihr gemäß dem Gesetz2 Lex kann hier ebenso auf geschriebenes wie ungeschriebenes Recht Bezug nehmen. Vgl. H. Nehlsen, Aktualität, S. 462-464. keinesfalls zusammen mit meinen anderen Söhnen, Euren Onkeln, Zugang zu meinem Eigengut3 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. bekommen konntet4 Bei dem hier angesprochenen Ausschluss vom Erbe scheint es sich nicht um den Ausschluss der Tochter des Ausstellers als Erbin von Allodialgut nach der Lex Salica 59,6, einer im Laufe des frühen Mittelalters stark aufgeweichten Regelung (vgl. etwa Pactus pro tenore pacis, MGH LL nat. Germ. 4,1, S. 262; Lex Ribuaria 56) gehandelt zu haben. Als problematisch offenbart sich vielmehr das Erbrecht den Kindern der Tochter gegenüber ihren Onkeln. Dieses Problem könnte auf spätantikes römisches Recht zurückgehen, nach welchem die Töchtersöhne wegen der praktizierten Agnatenerbfolge erst spät und unter Einschränkungen erben durften (vgl. K. Kroeschell, Söhne und Töchter, S. 99). Seit dem 4. Jahrhundert existierten jedoch auch hier Sonderregelungen, wonach auch den Kindern einer vorverstorbenen Tochter zwei Drittel des ihr zustehenden Erbteils zufiel (Breviarium Alarici 5,1,4; vgl. M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 498-502)., will ich daher durch dieses Schreiben, oh Ihr, meine allersüßesten Enkel, dass Ihr, so Ihr mich überleben solltet, nach meinem Hinscheiden in der Lage sein sollt, Euren Onkeln, meinen Söhnen, gegenüber von meinem ganzen Eigengut5 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172., das heißt sowohl von den Ländereien, Häusern, Landpächtern, Unfreien, Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen und Weiden, den fließenden und stehenden Gewässern [als auch von] der beweglichen und unbeweglichen Habe, dem Groß- und Kleinvieh beiderlei Geschlechts und der ganzen Hausausstattung – auf welche Art auch immer man es ausdrücken kann – das, was auch immer Eure obengenannte Mutter, so sie mich überlebt hätte, aus meinem Eigengut6 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. hätte in Besitz nehmen können7 Zum Problem des Erbrechts von Enkeln vgl. Anm. 4., in Form des zuvor beschrieben Anteils in Besitz zu nehmen. Und ferner gab ich derselben, meiner Tochter, Eurer Mutter, als ich sie in die Ehe übergab, an anderem aus meiner beweglichen Habe Tuche, Geschmeide und einige Unfreie im Wert von soundsovielen solidi, dies sollt Ihr meinen Söhne gegenüber bei Eurem Anteil herausrechnen8 Nach römischer Tradition bestand die Verpflichtung des Vaters seiner Tochter eine Mitgift (dos) in die Ehe mitzugeben. Die Mitgift wurde vom Ehemann verwaltet, blieb aber Eigentum der Frau und sollte bei einer Auflösung der Ehe durch unverschuldete Scheidung oder Tod ihrer und ihrer Kinder Versorgung dienen. Beim Tod der Frau vor ihrem Mann fiel die Mitgift an ihre Kinder. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 185-189. Die Praxis der väterlichen Mitgift lässt sich im frühen Mittelalter kaum nachweisen und scheint im frühen Mittelalter weitgehend durch die Morgengabe (nun ebenfalls als dos bezeichnet) des Ehemannes an seine Braut abgelöst worden zu sein. Vgl. dazu P. L. Reynolds, Dotal charters, S. 118-120. Im hier vorliegenden Fall soll die väterliche Mitgift offenbar mit dem Anspruch auf das Gesamterbe verrechnet werden, so dass sich der Anteil der Enkel daran reduziert. Vgl. auch I. Heidrich, Besitz, S. 126 Anm. 31.. Und falls Euch darüber hinaus noch mehr aus unserer Habe zufallen wird, dann sollt Ihr gemeinsam mit meinen Söhnen, Euren Onkeln, den Euch gebührenden Anteil daraus erhalten9 Gemeint sind Güter, die nicht dem Allodialgut oder der mütterlichen dos zugehörig waren, also Güter, die der Vater im Laufe seines Lebens auf andere Weise erwarb.. Und ihr sollt in allen Belangen die uneingeschränkte Macht haben, hinsichtlich allem, was oben aufgeschrieben wurde, künftig zu tun, was auch immer Ihr wollt.
Falls aber jemand, auch wenn wir nicht glauben, dass das geschehen wird, sei es irgendeiner meiner direkten oder mittelbaren Erben10 Bei den proheredes (aus pro und heres) handelt es sich um die indirekten oder mittelbaren Erben. oder sonst irgendjemand, versuchen sollte, gegen dieses Schreiben vorzugehen oder es brechen will, muss er euch soundsoviel zahlen, und, was er fordert, soll er nicht erreichen, denn das vorliegende Schreiben soll für alle Zeiten fest bestehen bleiben.
Gegeben samt einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung11 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31.. Geschehen in Soundso.