VERORDNUNG1 Als praeceptum wurden in der Spätantike öffentliche Verordnungen, insbesondere des Kaisers bezeichnet. Zumeist handelte es sich bei diesen um legislative Maßnahmen, seltener dagegen um einzelne Individuen betreffende Beschlüsse. Hielt sich dieses Verständnis auch in den frühmittelalterlichen Leges, so findet sich im Urkundenwesen praeceptum, alternativ gebraucht zu auctoritas, als Schlüsselbegriff für die einen Einzelbeschluss verkündende Herrscherurkunde. Vgl. dazu P. Classen, Kaiserreskript, S. 56-58; J. Gaudemet, Praeceptum, S. 261-263. FÜR DIEJENIGEN, DEREN URKUNDEN VON FEINDEN ODER AUF ANDERE WEISE IN BRAND GESTECKT WURDEN2 Teile der in dieser Formel beschriebenen Prozedur entsprechen dem Vorverfahren der Ausstellung eines Appennis, eines Dokumentes, welches nach dem Verlust der Rechtstitel das Eigentum einer Person bestätigt. So deutet diese Formel ein Vorverfahren vor boni homines an, in welchem der Verlust der Rechtstitel durch den Bittsteller festgestellt und sein Besitzstand schriftlich dokumentiert wurde (vgl. auch Angers 31 und Angers 33; Marculf I,34; Tours 27; Cartae Senonicae 38). An die Stelle einer den Besitzstand bestätigenden Versammlung in der nächsten civitas (vgl. etwa Angers 32; Auvergne 1; Tours 28 und Tours Ergänzung 2) tritt hier jedoch der König als bestätigende Instanz (vgl. auch Cartae Senonicae 46). Derartige Herrscherurkunden wurden seit der Karolingerzeit als pancarta bezeichnet. Vgl. dazu insb. K. Zeumer, Ersatz; H. Bresslau, Handbuch, S. 60f.; Ch. Lauranson-Rosaz/A. Jeannin, Résolution, S. 25-31; M. Parisse, Écriture et réécriture.
Aus königlicher Milde muss man jenen Linderung verschaffen, die von Feinden Unrecht oder Gewalt erleiden mussten.
Mit Gottes Gnade legte daher unser Getreuer Soundso der Milde unserer Herrschaft dar, dass vor einigen Jahren – oder im vergangen Jahr – unser Heer – oder das des Königs Soundso –3 Dem Benutzer der Sammlung werden hier verschiedene Auswahlmöglichkeiten geboten, die sich kombinieren lassen, um die Unterschiedlichen Konstellationen darzustellen, wann wessen Heere den Besitz des Geschädigten beeinträchtigt haben sollen. seine Häuser durch Brandstiftung niedergebrannt haben und sie fast seine ganze Habe daselbst zusammen mit den Urkunden4 Die redundante Junktur instrumenta chartarum legt den Fokus auf die rechtkräftige Beurkundung der Besitzverhältnisse. verbrannt haben, sowohl jene für das, was er als königliches Geschenk empfangen hatte, als auch jene für das, was er durch einen Besitztitel aus Kauf5 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f., Schenkung6 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399., Abtretung7 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. und Tausch8 Die commutatio diente im frühen Mittelalter neben concambium und permutatio als eine der Bezeichnungen für die vielfältigen Formen von Tauschvorgängen, deren gemeinsames Element die Gegenseitigkeit des Vorganges war. Vgl. dazu I. Rosé, Commutatio. oder aus dem Eigengut9 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. der Eltern an irgendeinem Ort in unserem Reich in irgendeiner Form besaß. Daher legte er uns einen Bericht zur Prüfung vor, den Männer guten Leumunds10 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines. von ihrer Hand bekräftigt hatten, [darüber] dass es denselben genau so bekannt sei, wie er es dargelegt habe: Und er besitzt all seine Habe, für die er dieselben Urkunden verloren hat, unbetrübt ohne irgendeine Belästigung, so wie er es auch zuvor tat.
Doch im Bestreben nach Dauerhaftigkeit bat der erwähnte Soundso, dass wir durch unsere Urkunde all seine Habe fürderhin als in seinem rechtmäßigen Vermögen [befindlich] und unter seiner Herrschaft [stehend] bestätigen sollten, sowohl das, was er durch ein königliches Geschenk, als auch das, was er durch er durch einen Besitztitel aus Kauf11 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f., Abtretung12 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606., Schenkung13 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. und Tausch14 Die commutatio diente im frühen Mittelalter neben concambium und permutatio als eine der Bezeichnungen für die vielfältigen Formen von Tauschvorgängen, deren gemeinsames Element die Gegenseitigkeit des Vorganges war. Vgl. dazu I. Rosé, Commutatio. oder als sonstiges Eigengut15 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten und nicht auf andere Weise erworbene Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, 143-172., zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig unbetrübt besitzt.
Wisset, dass wir dessen Bitte freudigen Sinns gewährt und bestätigt haben. Weil wir erfahren haben, dass dessen Urkunden verbrannt sind, befinden und befehlen wir also, dass was auch immer der erwähnte Soundso derart an Ländereien, Häusern, Gebäuden, Landpächtern16 Der accola (acolabus = accolis) bezeichnet ursprünglich den „Anwohner“/„Nachbar“, abgeleitet aus accolere „in der Nähe wohnen“. Die Volksrechte setzen den accola dann mit dem colonus gleich. So heißt es beispielsweise in der Lex Baioariorum I,13 (De colonis vel servis) A tremisse unusquisque accola ad duo modia sationis excollegere seminare collegere et recondere debeant et vineas plantando cludere fodere propaginare precidere vindimiare. Spätestens in der Karolingerzeit bezeichnet accolae im übertragenen Sinn dann auch das Land, das von Pächtern bewirtschaftet wird (Annales Bertiniani a. 866: de unoquoque manso ingenuili exiguntur sex denarii et de servili tres et de accola unus)., Unfreien17 Der Begriff mancipia bezeichnet die Gruppe der Unfreien als Abstraktum., Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, stehenden und fließenden Gewässern oder sonstigen beneficia18 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f., von denen wir durch den Bericht der obengenannten Männer erfahren haben, rechtmäßig und in nachvollziehbarer Weise bis jetzt irgendwo in unserem Reich besitzt, durch diese Verordnung19 Als praeceptum wurden in der Spätantike öffentliche Verordnungen, insbesondere des Kaisers bezeichnet. Zumeist handelte es sich bei diesen um legislative Maßnahmen, seltener dagegen um einzelne Individuen betreffende Beschlüsse. Hielt sich dieses Verständnis auch in den frühmittelalterlichen Leges, so findet sich im Urkundenwesen praeceptum, alternativ gebraucht zu auctoritas, als Schlüsselbegriff für die einen Einzelbeschluss verkündende Herrscherurkunde. Vgl. dazu P. Classen, Kaiserreskript, S. 56-58; J. Gaudemet, Praeceptum, S. 261-263. in Gottes Namen für ihn zur Gänze gestützt und bestätigt sei und er es ohne irgendeine Belästigung oder Widerstand halten und besitzen soll. Und er mag es seinen Nachkommen oder wem auch immer er will in Gottes Namen als Besitz hinterlassen.
Diese Urkunde aber, die für alle Zeiten gültig sein wird, haben wir beschlossen, unten mit eigener Hand zu bekräftigen.