DESGLEICHEN EIN ANDERER PROLOG ZU DIESER SCHENKUNGSTAT1 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399.
In zunehmenden Unglücken offenbaren sich sichere Anzeichen für das herannahende Weltenende und man begreift, dass klare Beweise dies zeigen, und erkennt, dass jene schon seit langer Zeit in den Evangelien vom Herrn getätigten Weissagungen eintreten, um den gelähmten Verstand der Ungläubigen zu prüfen. Ich meine, durch ein Werk den zukünftigen Lohn früher zu bekommen, indem ich dem Zeitenlauf vorgreife und mit dem scharfen Blick des Verstandes für den ungewissen Verlauf des menschlichen Daseins vorsorge, damit ich daraus für die von den Untaten geschlagenen Wunden die Heilmittel erwerbe, die die Güte schenkt.
Deshalb tätigen wir, ich, in Gottes Namen der Soundso, und meine Frau, die Soundso, weil wir darüber nachdenken, durch welche Last an Sünden wir niedergedrückt werden, und wir uns an die Güte Gottes erinnern, der uns sagt: „ Gebt Almosen und alle Dinge sind für euch rein2 Der Verfasser verkürzt Lc 11,41 „Gebt jedoch als Almosen, was übrigbleibt, und siehe, alle Dinge sind für euch rein“ (verumtamen quod superest date elemosynam et ecce omnia munda sunt vobis) auf das Wesentliche.“, somit im Vertrauen auf die wahrlich große Barmherzigkeit und Güte des Herrn mit diesem Schenkungsbrief3 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. eine Schenkung und wir wollen, dass das Geschenk dauerhaft bestehen bleibt. Und so übertragen und überschreiben wir aus unserem rechtmäßigen Vermögen in die Gewalt und Herrschaft des Klosters Soundso, das von Abt Soundso zu Ehren des Soundso im Gau Soundso errichtet wurde und wo der ehrwürdige Soundso als Abt vorsteht und sich eine vielköpfige Schar an Mönchen versammelt hat, die Soundso und Soundso4 Illas ist Plural, es ist nicht klar wieviele Landgüter an dieser Stelle genau gemeint sind. genannten Landgüter, die im Gau Soundso liegen, samt Grund und Boden, Häusern, Gebäuden, Landpächtern5 Der accola (acolabus ist eine Nebenform zu accolis) bezeichnet ursprünglich den „Anwohner“/„Nachbar“, abgeleitet aus accolere „in der Nähe wohnen“. Die Volksrechte (u. a. Lex Baioariorum I,13) setzen den accola dann mit dem colonus gleich. Spätestens in der Karolingerzeit bezeichnet accolae im übertragenen Sinn dann auch das Land, das von Pächtern bewirtschaftet wird (Annales Bertiniani a. 866)., Unfreien, Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern, zugehörigen und abhängigen Ländereien, Vieh beiderlei Geschlechts, bewegliche und unbewegliche Habe, so wie es von uns in heutiger Zeit besessen wird. Und falls wir fortan dort irgendwie irgendetwas hinzufügen oder aufwerten können, soll es – das gebe Christus – demselben vorgenannten Kloster zur Verpflegung und Versorgung der Mönche, die eben dort wohnen, dienlich sein. [Dies tun wir] freilich unter der Bedingung, dass wir, solange wir beide am Leben sind, die vorgenannten Landgüter allein zum Niesbrauch6 Im klassischen römischen Recht bezeichnete ususfructus ein persönliches Nutzungsrecht das weder übertragen noch vererbt werden konnte. In der Spätantike wurde ususfructus zum Terminus für jede Art eingeschränkten Eigentums (entgegen dem Volleigentum, einem dauerhaften und übertragbaren Recht). Vgl. dazu H. Honsell/T. Mayer-Maly/W. Selb, Römisches Recht, S. 184-191; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 303; J.-F. Lemarignier, Les actes de droit privé, S. 44. nach Art eines beneficium7 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f. ohne irgendein Vorrecht oder irgendeine Schmälerung für dasselbe Kloster besitzen mögen, es sei denn, wir möchten für unseren gemeinsamen Lohn einen von unseren Dienstleuten8 Die hier verwendete Formulierung servientes ist kaum zufällig gewählt, sondern zielt auf die Verpflichtung zu Diensten gegenüber einem Herrn als zentrales Merkmal der Unfreiheit gegenüber der Freiheit ab. Homines servientes konnten demzufolge nicht nur servi sein, sondern auch Personen mit halbfreiem Rechtsstatus wie etwa coloni oder liti. Vgl. dazu H.-W. Goetz, Serfdom, S. 42-49; E. Magnou-Nortier, Servus – servitium, S. 28; G. Köbler, Die Freien, S. 39. Diese Formulierung findet sich ebenfalls in Marculf I,39 und Marculf II,34. vom Joch der Knechtschaft befreien9 Ein derartiger Vorbehalt, trotz der vollen Eigentumsübertragung weiterhin Freilassungen vornehmen zu dürfen, ist aus der urkundlichen Überlieferung sonst nicht bekannt.. Nach unser beider Tod, wann auch immer Gott es will, aber sollen das vorgenannte Kloster und der erwähnte Abt und seine Nachfolger10 Das successoribus steht an dieser Stelle für den Nominativ successores (vgl. dazu auch Le1). Die in vorkarolingischen fränkischen Texten regelmäßig zu beobachtende Austauschbarkeit der Ablativ- und Akkusativform bzw. -schreibweise wirkt hier bis in die Schreibweise der (mit dem Akkusativ identischen) Nominativform hinein. Die Veränderungen des Kasussystems im Übergang zwischen Latein und dem Altfranzösischen werden hier sichtbar. dies samt aller Habe, die an Wert hinzugewonnen hat, das, was auch immer zu den oben aufgeschrieben Landgütern an irgendwelchen Dingen und Personen hinzugefügt und vom jetzigen Zeitpunkt an vorgefunden werden mag, ohne Aussicht auf irgendeine Abgabe für einen Amtmann11 Als iudex konnten in der fränkischen Zeit Amtsträger aller Art bezeichnet werden, die Herrschafts- oder Disziplinarakte ausübten. Vgl. dazu J. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 204f.; S. Barbati, Studi sui iudices. oder unsere Erben in Gottes Namen empfangen, um es dauerhaft zu besitzen, so als ob es zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits deren fortgesetzte Besitz ohne Nießbrauch12 Im klassischen römischen Recht bezeichnete ususfructus ein persönliches Nutzungsrecht das weder übertragen noch vererbt werden konnte. In der Spätantike wurde ususfructus zum Terminus für jede Art eingeschränkten Eigentums (entgegen dem Volleigentum, einem dauerhaften und übertragbaren Recht). Vgl. dazu H. Honsell/T. Mayer-Maly/W. Selb, Römisches Recht, S. 184-191; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 303; J.-F. Lemarignier, Les actes de droit privé, S. 44. durch uns gewesen wäre, so dass sie in allen Belangen die uneingeschränkte Verfügungsgewalt haben, zu tun, was auch immer sie bezüglich der vorgenannten Landgüter zum Vorteil desselben Klosters beschließen. Wir ließen die vorliegende Schenkung freilich – keineswegs aus Geringschätzung gegenüber den Kurialen13 Die curia bildete in der römischen Antike das kollektive städtische Entscheidungsorgan. Im Laufe der Spätantike wurden ihre Kompetenzen immer weiter eingeschränkt und erstreckten sich schließlich im Wesentlichen auf Steuererhebung und die Protokollierung von Rechtsgeschäften. In fränkischer Zeit wurde die curia zunehmend durch die Notablenversammlung ersetzt, der im Kern dieselben Personenkreise angehörten. Vgl. dazu K. H. Debus, Studien, S. 100f.; S. T. Loseby, Lost cities, S. 231f.; S. Schmidt-Hofner, Defensor civitatis, S. 488-495; W. Brown, On the gesta municipalia, S. 349f.; J. Barbier, Archives oubliées, S. 127-129 und 176f. – den gesta municipalia14 Die spätrömischen gesta municipalia dienten zunächst dazu, Wechsel von steuerpflichtigem Grundeigentum festzuhalten, entwickelten sich in der Folge jedoch zu städtischen Archiven, in welche Rechtsgeschäfte aller Art eingetragen wurden. Die öffentliche Insinuation von Rechtsdokumenten in die gesta sicherte die Rechtskraft von Rechtsgeschäften und erhöhte im Streitfall die Glaubwürdigkeit der Dokumente. In der fränkischen Welt sind die gesta bis ins 9. Jahrhundert bezeugt, wenn auch der Rechtsvorgang der Insinuation zunehmend modifiziert wurde. Vgl. dazu B. Hirschfeld, Gesta municipalia; W. Brown, On the gesta municipalia; J. Barbier, Archives oubliées. hinzufügen15 Die Passage wurde bislang als Weigerung gelesen, die Schenkung in die gesta municipalia eintragen zu lassen, begründet mit der Sündhaftigkeit der Kurialen. Vgl. zu dieser Interpretation zuletzt J. Barbier, Archives oubliées, S. 146-152. Rio/Uddholm folgen für ihre Übersetzung diesem Verständnis und lesen den Genitiv curialium als Ablativ und das Substantiv vilitas als Adjektiv. Die Stelle scheint schon in der Karolingerzeit Verständnisprobleme bereitet zu haben. In beiden Fassungen der Marculf-Sammlung ist die Stelle entstellt. P12 hat nach einer Korrektur aurialium (das ali wurde zeitnah in anderer Tinte auf Rasur vor u̅ nachgetragen), P16 hat das völlig unverständliche aguriale vel. In der nahezu identischen Formulierung, die die Gründungsurkunde von Murbach aus dem Jahr 728 fehlt die Bemerkung und es ist schlicht allgemein von vilitas die Rede (Alasatia diplomatica 9). Eine der Formel ebenfalls sehr ähnliche Urkunde aus Weissenburg (Weissenburg 9) hat nur ein prsente donacione, das als Bl. Mit dem vorherigen Satz verbunden ist (ita ut quicquid de predicta rę pro oportunitate ipsius monasterii decreuerint liberam in omnibus habeant potestatem presente donacione). Vgl. dazu auch Zeumer, S. 32f. und bestimmen im Allgemeinen, dass aus diesem Grund keiner imstande sein kann, irgendwann einmal etwas gegen sie zu finden. Falls daher irgendwelche Urkunden16 Die zugrunde gelegte Form instrumentus ist bereits maskulin. Der allmähliche Wechsel im Sprachgebrauch vom Neutrum (instrumentum) wird durch das (alt-)französische instrument bestätig. in unserem Namen über dieselben Landgüter, die gegen das vorgenannte Kloster gerichtet sind, auf irgendeine Art zusammengefasst oder vorher oder nachher aufgeschrieben wurden, haben wir das weder getan, noch zu tun befohlen. Aus jedweder [Urkunde]17 Lies quemcumque [instrumentum]. abgesehen von dieser hier, von der wir wollen, dass sie ganz und gar gültig sei, wenn sie zu irgendeiner Zeit vorgezeigt werden wird, soll man keine Wirkung erzielen außer der, dass sie sich als null und nichtig erweise. Dass aber der Urheber des Verbrechens und der Fälscher ungestraft bleiben, soll die richterliche Gewalt zu keiner Zeit dulden18 Die Praxis der Urkundenfälschung war im frühen Mittelalter bereits stark verbreitet. Wie bereits im römischen Recht war diese Tätigkeit auch in den Leges verboten (Lex Ribuaria 59,3, S. 107, mit besonderem Schutz der Königsurkunde). Im Falle von Fälschungsverdacht sahen diese bestimmte Maßnahmen wie die Befragung der Zeugen der Urkunde und als letztes Mittel den Schriftvergleich vor (Lex Ribuaria 62,5, S. 115). Neben der weltlichen Gesetzgebung sahen auch die Kanones seit dem 4. Jahrhundert Strafen, nicht zuletzt auch die Exkommunikation, für Fälscher vor. Vgl. dazu P. Worm, Alte und neue Strategien, S. 300f.; P. Herde, Die Bestrafung, S. 583-588; E. A. R. Brown, Falsitas pia sive reprehensibilis, S. 106-115..
Falls sich aber – wir glauben nicht, dass das künftig eintritt – irgendjemand, sei es einer unserer Erben oder die rasende Begierde von Amtmännern oder sonst wer, für diesen unseren Willen durch irgendwelche Erfindungen als Gegner und Rückforderer erweist, soll man ihn aus der Gemeinde aller Christen und den Grenzen der Kirchen ausstoßen19 Der Kirchenausschluss ist hier eine konkrete Strafmaßnahme und nicht nur eine abstrakte Bedrohung für das Seelenheil. Seit dem 6. Jahrhundert bedeutete die Belegung mit dem Anathem den vollkommenen Ausschluss aus der Kirche (gegenüber der Exkommunikation, dem Ausschluss aus der Gemeinschaft). Ausgesprochen wurde es zumeist wegen Verstößen gegen den Glauben. Vgl. dazu S. Gioanni, Anathematis vinculo, S. 101f. und 115f. In Urkunden findet sich Androhung mit Anathem und Exkommunikation, außerhalb der Formelsammlungen, bis ins 9. Jahrhundert nur in Privaturkunden und päpstlichen Bullen, häufig in Zusammenhang mit Donationen deren Bedeutung betont werden sollte. Vgl. dazu F. Bougard, Jugement divin, S. 219‑225. und er soll die Gesellschaft von Judas, dem Verräter an unserem Herrn Jesus Christus20 Judas Iskariot war jener Jünger, der Christus an die Tempelpriester verriet, und dafür von Jesus selbst „verflucht“ wurde (Mc 14,21). Zur Rezeption der Judasgeschichte P. Stotz, Judas Ischarioth, S. 11-31. Judas Iskariot ist die beliebteste biblische Figur, auf die in frühmittelalterlichen Poenformeln verwiesen wird. Diese Formel ist einer der frühesten Hinweise auf die Praxis, derartige Verweise in Poenformeln zu verwenden. Größere Verbreitung scheint die Verknüpfung mit biblischen Figuren seit Beginn des 10. Jahrhunderts gefunden zu haben. Vgl. dazu I. Rosé, Judas, insb. S. 65-77., auskosten. Obendrein muss er demselben Kloster und den Brüdern, die eben dort leben, und auch dem sowohl bei Verfolgung als auch Vollstreckung zuständigen allerehrwürdigsten fiscus soundsoviel Pfund Gold, soundsoviel Pfund Silber21 Zur Frage des Verhältnisses von libra und pondus sowie von Gold und Silber in frühmittelalterlichen Poenformeln vgl. F. Boye, Poenformeln, S. 117-119. bezahlen22 Bei Bußzahlungen an geschädigte Parteien ging in der Regel die Hälfte oder ein Drittel der Summe an den fiscus, der wiederum ein Drittel dem für die Rechtsprechung zuständigen Amtsträger überließ (so auch, wenn der fiscus selbst Empfänger der gesamten Bußzahlung war). Die Beteiligung des fiscus sollte wohl auch als Anreiz für dessen Vertreter dienen, im Falle eines Rechtsstreites zu intervenieren. Vgl. dazu J. Durliat, Finances publiques, S. 219; S. Esders, Eliten und Strafrecht, S. 268. und infolgedessen soll er auch nicht erreichen was er fordert. Weiterhin soll die vorliegende Schenkung23 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399., die von uns aus Ehrfurcht vor Gott und aus Liebe zu den Armen Christi niedergeschrieben wurde, für alle Zeiten gültig und unversehrt bestehen bleiben.
[Gegeben] samt einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung24 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31..
Geschehen da und da an dem und dem Tag.