ABTRETUNG1 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. AN EINE KIRCHE VOM HEUTIGEN TAGE AN
Da die Vergänglichkeit des Menschengeschlechts das Ende der Lebenszeit durch den Tod2 transpositio, meint hier so viel wie „Hinscheiden“ und beschreibt die Verlagerung weg von irdischen hin zu himmlischen Leben. Der Begriff gehört zu einer ganzen Gruppe von Euphemismen für (körperlichen) Tod und Sterben, die den Übergang vom irdischen zum himmlischen markieren. fürchtet, der plötzlich kommen wird, gebührt es sich, dass er niemanden unvorbereitet vorfindet und einer so nicht ohne den Rückhalt eines guten Werkes von dieser Welt scheide, aber, solange es in seinem Recht und seiner Macht steht, mag er sich einen Pfad zum Heil bereiten, über welchen man zur ewigen Seligkeit gelangen kann3 Die nahezu selbe Arenga findet sich auch im Formelmaterial aus Tours (Tours 36)..
Deswegen treten wir, ich, der Soundso, und meine Ehefrau, die Soundso, für unser Seelenheil und zum Ablass für unsere Sünden, so dass wir es uns verdienen in Zukunft Gnade zu erhalten, zum heutigen Tage – und wir wollen, dass die Abtretung4 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. von Dauer sei und aus unserem rechtmäßigen Vermögen in das rechtmäßige Vermögen und unter die Herrschaft der heiligen Kirche von Soundso, die zu Ehren von Soundso errichtet wurde, geschehe – das Soundso genannte Landgut ab, das im Gau Soundso liegt und das aus dem Eigengut5 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. unserer Eltern – oder von sonst irgendwoher – unter unsere Herrschaft gelangte und das wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt besitzen, mit allem Ertrag und innerhalb seiner Grenzen samt Zugehörigem, Verbundenem und Abhängigem, mit Ländereien, Häusern, Gebäuden, Landpächtern6 Der accola (acolabus = accolis) bezeichnet ursprünglich den „Anwohner“/„Nachbar“, abgeleitet aus accolere „in der Nähe wohnen“. Die Volksrechte setzen den accola dann mit dem colonus gleich. So heißt es beispielsweise in der Lex Baioariorum I,13 (De colonis vel servis) A tremisse unusquisque accola ad duo modia sationis excollegere seminare collegere et recondere debeant et vineas plantando cludere fodere propaginare precidere vindimiare. Spätestens in der Karolingerzeit bezeichnet accolae im übertragenen Sinn dann auch das Land, das von Pächtern bewirtschaftet wird (Annales Bertiniani a. 866: de unoquoque manso ingenuili exiguntur sex denarii et de servili tres et de accola unus)., Unfreien7 Der Begriff mancipia bezeichnet die Gruppe der Unfreien als Abstraktum., Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern, Mühlen, Hirten für die Herde, Groß- und Kleinvieh beiderlei Geschlechts, beweglicher und unbeweglicher Habe und allem weiteren, was man nennen oder aufzählen kann. Wir wollen, dass dies an die vorgenannte Kirche abgetreten wird, so dass das erwähnte Landgut ein Teil der vorgenannten Kirche sei und der Bischof der Stadt Soundso oder die Vertreter8 A(u)ctor findet sich seit der Spätantike auch als Bezeichnung für die Verwalter, zunächst kaiserlicher, in fränkischer Zeit dann auch königlicher und anderer Güter. Vgl. S. Esders, Römische Rechtstradition, S. 235. der Kirche sich in allen Belangen der unbeschränkten Verfügungsgewalt erfreuen mögen, um es zu haben, zu halten, zu besitzen und zu tun, was auch immer sie fürderhin zum Nutzen für dasselbe entscheiden mögen, auf dass unsere Namen9 nomen nostrum ist Singular, conscribantur Plural. Offenbar wurde hier ein Versatzstück nicht richtig angepasst. ins Buch des Lebens10 Das „Buch des Lebens“ in dem die Namen der Seligen eingetragen sind, gehört fest zur christlichen Apokalyptik und wird im neuen Testament immer wieder aufgegriffen. Nur wessen Name dort aufgeführt ist, entgeht der ewigen Verdammnis am Ende der Zeiten (Apc 20,15): „Und wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet gefunden wurde, wurde in den See aus Feuer geworfen“ (Et qui non inventus est in libro vitae scriptus, missus est in stagnum ignis). Zu den im 8. Jahrhundert aufkommenden, dem Memorialdienst dienenden Libri Vitae vgl. D. Geuenich/U. Ludwig, Libri Vitae. eingeschrieben werden und wir uns beide wegen unseres Opfers nach unserem Tod beim gnädigen Herrn einfinden mögen.
Freilich mag es nicht nötig sein, Abtretungen11 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. eine Strafandrohung12 Poenformeln mit religiösen und weltlichen Strafen sind seit der Antike bekannt, scheinen aber kein zwingender Bestandteil des frühmittelalterlichen Urkundenformulars gewesen zu sein. Weitaus am häufigsten finden sie sich in Urkunden von Privatpersonen, erheblich seltener dagegen in gräflichen oder bischöflichen Diplomen. Vgl. dazu J. Studtmann, Die Pönformel, S. 253-262 und 276-287; H. Siems, Handel und Wucher, S. 398-406; B.-M. Tock, L’acte privé, S. 514. anzufügen, doch es gefiel uns, für eine umfassende Beständigkeit, etwas [entsprechendes] einzufügen. Falls also jemand, – wir glauben nicht, dass das geschehen wird – seien es wir selbst – was fern sei – oder einer unserer unmittelbaren oder mittelbaren Erben oder sonst irgendjemand, von Verschlagenheit getrieben oder Begierde ergriffen, zu irgendeinem Zeitpunkt gegen das vorliegende Schreiben über unsere Schenkung, die wir um des Namens des Herrn und der Verehrung derselben heiligen Stätte willen freiwillig zu tätigen entschieden, vorgehen oder irgendetwas unternehmen will oder sich als Verweigerer erweist, sei mit dem Anathem belegt13 Der Kirchenausschluss ist hier eine konkrete Strafmaßnahme und nicht nur eine abstrakte Bedrohung für das Seelenheil. Seit dem 6. Jahrhundert bedeutete die Belegung mit dem Anathem den vollkommenen Ausschluss aus der Kirche (gegenüber der Exkommunikation, dem Ausschluss aus der Gemeinschaft). Ausgesprochen wurde es zumeist wegen Verstößen gegen den Glauben. Vgl. dazu S. Gioanni, Anathematis vinculo, S. 101f. und 115f. In Urkunden findet sich Androhung mit Anathem und Exkommunikation, außerhalb der Formelsammlungen, bis ins 9. Jahrhundert nur in Privaturkunden und päpstlichen Bullen, häufig in Zusammenhang mit Donationen deren Bedeutung betont werden sollte. Vgl. dazu F. Bougard, Jugement divin, S. 219‑225., und der, der handelt, sei ebenso mit dem Anathem belegt wie der, der dem Tun zustimmt, und er muss vor dem Richterstuhl Christi dem oben niedergeschriebenen Herrn Soundso14 Es handelt sich hier um den Schutzheiligen der Kirche, wie die Anwendung dieser und vergleichbarer Poenformeln in der Praxis zeigen (z.B. St.Gallen 107: et cum suprascripto sancto Gallo ante tribunal Christi deducat rationes inferat). gegenüber Rechenschaft ablegen. Obendrein muss er gemäß dem Strafmaß dieser Welt unter Zwang durch den fiscus den Anteilen derselben Kirche entweder soundsoviel Pfund Gold oder soundsoviel Pfund Silber hinzufügen15 Zur Frage des Verhältnisses von libra und pondus sowie von Gold und Silber in frühmittelalterlichen Poenformeln vgl. F. Boye, Poenformeln, S. 117‑119. und was er fordert, soll er niemals erreichen, denn die vorliegende Abtretung soll für alle Zeiten unversehrt bestehen bleiben.
[Gegeben] samt einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung16 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31..
Geschehen da und da.