54 ES BEGINNT EINE ABTRETUNG1 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606.
Was gut und günstig ist, soll geschehen2 Der Verfasser hat hier mit fi und dem nachfolgenden lex geschickt die Junktur quod bonum, faustum, felix variiert. Nach Cicero, De Divinatione I,102 handelt es sich bei quod bonum, faustum, felix fortunatumque esset um eine alte römische Segensformel, deren Gebrauch schon bei Plautus (†~184 v. Chr.) in Trinummus 39 belegt ist. Die kürzere Version quod bonum, faustum, felixque wurde von Titus Livius (†~17 n. Chr.) popularisiert, der die Junktur häufig in ab urbe condita zitiert (z.B. I,17). Der Ausspruch dürfte schon in der Antike Eingang in den allgemeinen Zitatenschatz gefunden haben und wurde auch im frühen Mittelalter noch gebraucht. In ähnlicher Form und Funktion erscheint sie unter anderem in Marculf II,15 (Quod bonum, faustum, felex prosperumve eveniat).! Das Gesetz der Glückseligkeit3 B. Hilliger, Alter und Münzrechnung, S. 191f., interpretiert die lex felicitatis als Lex Salica unter der Annahme einer auf falscher Etymologie beruhenden Deutung des fränkischen salig auf das lateinische felix. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hierbei um eine rhetorische Figur handelt. gibt dem hier angesprochenen4 Die adfatis (von affari „anreden“ „ansprechen“) sind die in diesem Dokument angesprochenen Sachverhalte. seinen Beifall und das Römische Gesetz5 Zu den Verweisen auf das römische Recht in den Formeln von Angers vgl. D. Liebs, Römische Jurisprudenz, S. 191-195; A. Jeannin, Vigor actorum S. 278-280. lehrt es und die Gewohnheit im Gau bestätigt es und fürstliche Macht verhindert es nicht6 Vgl. dazu ganz ähnlich auch Angers 58., dass man eine Sache zugleich verliert und am willkommenen, höchstglücklichen Hochzeitstage bekommt7 Das Partizip wird hier wie ein finites Verb gebraucht und soll die Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge betonen. K. Zeumer, Formulae, S. 23 vermutet einen Textverlust („quaedam omissa“), A. Rio, The formularies, S. 95, Anm. 286 folgt dieser Interpretation („Some words are missing from the manuscript here“). . Daher gebe ich, der Soundso genannte, in Gottes Namen meiner Braut namens Soundso, der Tochter des verstorbenen Soundso, bekannt8 Die Schenkung des Bräutigams an seine Braut vor der Eheschließung folgt dem im 4. Jahrhundert entstandenen dotalicium und diente der Versorgung der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 193-201; I. Weber, Ein Gesetz für Männer und Frauen, S. 127f. und 134.:
Mit diesem Schreiben und dieser Abtretung9 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. überschreibe ich derselben etwas. Das sind ein Haus samt Hof und allen seinen umliegenden Ländereien; das sind die bewegliche und unbewegliche Habe, ein bezogenes Bett, ein Feld, das soundsoviele Scheffel an Ertrag bringt und neben einem Feld des Soundso liegt, einen Weinberg von soundsoviel iucti10 Bei iuctus handelt es sich um ein Flächenmaß, abgeleitet von iuctus = iunctus (PPP von iungere), hier = iugum „Joch“, metonymisch „das Gespann“, „die Fläche die mit einem Gespann an einem Tag zu pflügen ist“ in etwa „der Morgen“; vgl. ahd. Juchart. Zumeist scheint es in Zusammenhang mit Weinbergen, seltener auch mit Wäldern und Wiesen gebraucht worden zu sein (vgl. auch Angers 4, Angers 22 und Angers 40 sowie Polyptychon der Abtei Saint-Maur-des-Fossés 9)., der neben einem Weinberg des Soundso liegt, einen Wald von soundsoviel iucti, der neben einem Wald des Soundso liegt, eine Wiese von soundsoviel iucti, die neben einer Wiese des Soundso liegt und sich auf dem Land des heiligen Soundso11 In der Kombination mit in fundo illa villa deutet das super terraturium sancti illius wohl nicht auf Vorrechte einer Kirche über die Wiese hin (so etwa H. Brunner, Erbpacht, S. 69-83; P. W. A. Immink, Propriété ou seigneurie?, S. 416-431; A. Rio, The formularies, S. 45 und 49), sondern ist als Verortung derselben auf dem unter dem Schutz des Heiligen stehenden Landes zu verstehen. auf dem Grund und Boden des Landguts Soundso befindet, soundsoviele Ochsen, soundsoviele Kühe samt ihren Kälbern, soundsoviele Schafe, soundsoviele Schweine12 Das Schwein (sodis = sudes) wird hier analog zu cor, cordis abweichend mit stützendem -d- dekliniert (sus, sudis, sudi statt sus, suis, sui etc.). In der Lex Salica 51,3 findet sude (Abl.) zudem als Wort für „Schweinestall“ Verwendung: Si quis porcellum de sude furauerit, quae clauem habet, MDCCC denariis qui faciunt solidos XLV culpabilis iudicetur excepto capitale et dilatura. , soundsoviele Kleidungsstücke, Ohrringe für soundsoviel solidi, Ringe für soundsoviel solidi und einen Gürtel13 Im Zusammenhang mit Schmuck könnte hier unter Umständen auch ein „Armband“ oder „Armreif“ (altfranz. bracel) gemeint sein; vgl. dazu auch Angers 1. für soundsoviel solidi. All diese Habe, die oben genannt wurde, sollen wir beide, solange wir leben werden, als Ebenbürtige halten14 Die häufig vorkommende Wortkombination hoc tenere ist mit hoctenire offenbar zu einer stärkeren Form von tenere erstarrt. und besitzen. ‚[…]15 In der Handschrift scheint hier Text ausgefallen zu sein. Zu erwarten wäre eine Bemerkung die mit dem vorhergehenden adviximus korrespondiert und auf den Tod des Ehemannes eingeht, nach dem die Witwe das Gut zur alleinigen Verfügung erhält. K. Zeumer, Formulae, S. 23 hat entsprechend post transitum uero meum ergänzt., die oben genannt wurde, sollst Du halten16 Die häufig vorkommende Wortkombination hoc tenere ist mit hoctenire offenbar zu einer stärkeren Form von tenere erstarrt. und besitzen. Und falls Gott uns eine Nachkommenschaft schenken sollte, soll sie das Ganze samt allem, was die Habe an Wert hinzugewonnen haben wird, bekommen. Und das mussten wir bestätigen. Dies taten wir so auch: Nach deinem Tod nämlich17 Der Verfasser hat hier neben einer i/e-Verwechslung offenbar auch das Adjektiv verus/a/um (Ablativform vero) und das Adverb vero vertauscht. sollen diese Dinge an dieselben fallen. Und falls von uns kein Sprössling gezeugt worden sein wird, sollst du all diese Habe halten18 Die häufig vorkommende Wortkombination hoc tenere ist mit hoctenire offenbar zu einer stärkeren Form von tenere erstarrt. und besitzen19 Offenbar wurden an dieser Stelle eine Standardformulierung nicht richtig in den Text eingepasst. Subjekt ist die angesprochene Frau. und du kannst sie hinterlassen, wem du willst. Und falls einer es wagen sollte, gegen dieses Schreiben und diese Abtretung20 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606., die ich guten Willens21 Die Betonung der bona voluntas an dieser Stelle ist vermutlich ein Verweis auf die bona fides, den “guten Glauben”. Nach römischem Recht stellte dieser eine Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages dar. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 28-30; H. Siems, Handel und Wucher, S. 362-365; A. Söllner, Bona fides. ohne Befehl auszufertigen und zu bestätigen gebeten habe, vorzugehen, oder einen Prozess zu führen oder es zu brechen, muss derjenige Dir und dem fiscus soundsoviel solidi, [die] untereinander [aufgeteilt werden]22 In der Bedeutung „für diesen wie für jenen“ findet sich inter auch in anderen Rechts- und Vertragstexten der Merowingerzeit wie im Pactus pro tenore pacis domnorum Childeberti et Chlotharii regum 12 (ipse dominus status sui iuxta modum culpae inter freto et faido conpensetur). A. Rio, Formularies, S. 96 schlägt für das Englische die Lösung „let him be forced to pay n. solidi [to be devided] between you and the fisc“ vor., bezahlen23 Bei Bußzahlungen an geschädigte Personen ging in der Regel die Hälfte oder ein Drittel der Summe an den fiscus, der wiederum ein Drittel der Summe dem für die Rechtsprechung zuständigen Amtsträger überließ (so auch, wenn der fiscus selbst Empfänger der gesamten Bußzahlung war). Die Beteiligung des fiscus sollte wohl auch als Anreiz für dessen Vertreter dienen, im Falle eines Rechtsstreites zu intervenieren. Vgl. dazu J. Durliat, Finances publiques, S. 219; S. Esders, Eliten und Strafrecht, S. 268., er ist gezwungen zu zahlen und was er fordert wird er nicht erreichen‘.