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Tours 42 (deu)

Verkauf eines Hauses in einer Stadt oder Vorstadt

Verkauf eines Hauses mit Grundstück innerhalb einer Stadt oder Vorstadt (burgus) durch einen Mann an einen anderen.

VERKAUFSSCHREIBEN^{1 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f.} ÜBER EIN GRUNDSTÜCK UND EIN HAUS INNERHALB EINER STADT

An meinen vorzüglichen Bruder^{2 Ob es sich bei fratri hier um den leiblichen Bruder oder eine Anrede im christlichen Sinn („Bruder in Christo“) handelt, geht aus dem Kontext nicht hervor.} Soundso, ich, nämlich der Soundso.

Es ist bekannt, dass ich Dir etwas verkaufen sollte, und so habe ich Dir etwas verkauft; es handelt sich dabei um ein Haus samt dem Grundstück selbst, das innerhalb der Stadt – oder der Vorstadt^{3 Im frühen Mittelalter bezeichnete burgus nicht mehr wie in der Spätantike einen Wachturm oder ein Kastell (vgl. Orosius, Historiarum adversum paganos VII,32,11-12: crebra per limitem habitacula constituta burgos vulgo vocant; übernommen von Isidor, Etymologiae IX,2,99 und 4,28), sondern eine geschlossene, aber unbefestigte Siedlung, zumeist im Sinne einer den Befestigungsanlagen vorgelagerten Ansiedlung oder einer Marktgasse innerhalb dieser Vorstadt (vgl. in diesem Sinne Liutprand, Antapodosis III, 45: ipsi domorum congregationen, quae muro non clauditur, burgum vocant). In merowingischer und karolingischer Zeit nur selten belegt, erscheint burgus erst im 10. Jahrhundert in großer Zahl in Quellen aus dem westfränkischen Raum. Stärkere Betonung des Befestigungscharakters findet burgus dagegen in den Quellen des ostfränkischen Raumes, wohl inspiriert durch das volkssprachliche *burgs für „Wehranlage“. Vgl. zur Entwicklung insb. E. Ennen, Frühgeschichte, S. 124-126; W. Schlesinger, Stadt und Burg, S. 108-112 und H. Ammann, Vom Städtewesen, S. 140f.} – Soundso auf dem Besitzteil^{4 Die ratio findet sich im Sinne von „(An-)Teil“ immer wieder zur Bezeichnung von „Land“ bzw. „Eigentum“ oder „Anteil“ (an einem größeren Besitz). Entsprechende Beispiele hat Niermeyer, S. 1152f. ausgehoben. Bereits K. Zeumer, Formulae, S. 158 hat im vorliegenden Fall darauf hingewiesen, dass ratio hier der geographischen Lokalisierung dient und die Lesart regione vorgeschlagen.} des Soundso am Ort Soundso steht, welches ich, nachdem ich mit meinem eigenen Geld bezahlt hatte, von einem Mann namens Soundso erworben habe. Dasselbe Haus besteht aus soundsoviel Bauholz^{5 Der aus materia gewonnene frankogallische Ausdruck matriamen = materiamen lebte als mairien „Bauholz“ im Altfranzösischen fort.} [und] hat soundsoviele Nebengebäude^{6 Das membra wurde zeitnah von der gleichen oder vielleicht auch einer anderen Hand über der Zeile nachgetragen. Derartige Verbesserungen durch den Schreiber selbst oder einen unmittelbaren Korrektor im Skriptorium finden sich immer wieder in Wa1. K. Zeumer, Formulae, S. 158 hat die membra mit Verweis auf den Nachtrag über der Zeile nicht aufgenommen, was allerdings eine Interpretation der Stelle erschwert, da das zugehörige Objekt von tanta fehlt. Im Sinne von Nebengebäude bzw. Teil eines Gebäudes findet sich membrum auch im Formelmaterial aus Angers (Angers 40)} ringsum; es grenzt an den Längs- und Querseiten [jeweils] an das Haus oder das Land der Soundsos und der Soundsos^{7 Die Form illorum ist Plural; offenbar waren die Besitzverhältnisse in der Nachbarschaft komplizierter.}. Dafür erhielt ich von Dir einen Preis, der mir gut gefiel, dabei handelt es sich um soundsoviel^{8 Eine Einheit für den Preis wird nicht genannt. Vergleicht man den Text mit anderen Verkaufsschreiben darf man solidi annehmen.}. Diesen Preis erhielt ich auf die Hand und übergab Dir dasselbe Haus samt Grundstück mit diesem Verkaufsschreiben^{9 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f.} am heutigen Tage zum dauerhaften Besitz, so dass Du vorbehaltlich des Rechts desselben Landes vom heutigen Tage an in allen Belangen die uneingeschränkte und allerbeständigste Macht dazu hast, zu tun, was auch immer Du künftig [damit] tun willst^{10 Diese Passage umfasst mit der Verschaffung der Kaufsache und der Feststellung der Zahlung des vereinbarten Preises den Kern des Geschäftes. Stellten im klassischen römischen Recht Kauf, Zahlung und Übertragung (in Form eines gesonderten Verfügungsgeschäftes namens traditio, mancipatio oder in iure cessio) separate Rechtsvorgänge dar, so fielen diese bereits in der Spätantike teilweise zu einem Simultanakt zusammen. Die Wendung quod mihi conplacuit deutet dabei auf eine genaue Prüfung der als Preis übereigneten Wertgegenstände hin, bei denen es sich neben Münzen oder Edelmetall etwa auch um Naturalien oder andere Tauschgüter handeln konnte. Die Betonung der Zahlung des Kaufpreises weist auf die im spätantiken römischen Recht angelegte Vorstellung hin, dass der Kauf (und die Übertragung des Eigentums) erst mit dessen Zahlung vollzogen wurde. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 455-457; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; H. Siems, Handel und Wucher, S. 232f. und 376-398.}.