IN CHRISTI NAMEN BEGINNEN GEBETE1 Ursprünglich im Rahmen der stadtrömischen Prozessionsgottesdienste geprägt, vgl. grundlegend
Heilig, heilig, heilig! Oh heiliger Vater, der Du der unsichtbare Urheber aller Dinge bist, Schenker der geistlichen Gaben, der Du Urheber von allem bist und siehst, was verborgen ist, Du weißt alles, der Du die Herzen und Nieren erforschst3 Nach Jer. 17,10 ist Gott derjenige, der vor seinem Urteil auf „Herz und Nieren prüft“. Die menschlichen Nieren galten als Sitz von Gefühlen und als Grundlage für die Befähigung zum Fällen von Urteilen. Die Nieren wurden darum auch als Sitz des Gewissens betrachtet und bildeten, gemeinsam mit dem Herzen, den ganzen Menschen ab, vgl. hierzu
Oh Herr, der Du Moses4 Der Verfasser gibt eine Aufzählung von biblischen Rettungserzählungen: Die Flucht der Israeliten aus Ägypten (Exod. 1-15); die Flucht Davids vor König Saul (1. Reg. 19-28); die Rettung des Jona vor dem Seeungeheuer, das ihn verschlungen hatte (Ionas 2,1-11); die Rettung des Petrus aus den Fluten des Sees Genezareth (Matth. 14,22-33); die wunderhafte Befreiung des Paulus von den Fesseln der Gefangenschaft in Philippi (Act. 16,22-26); die Verleumdung Susannas und der Beweis ihrer Unschuld durch den Propheten Daniel (Dan. 13); die wundersame Rettung der drei Knaben, die Nebukadnezar in einen glühenden Ofen werfen lies und die unversehrt blieben (Dan. 3); der Prophet Daniel, der eine Nacht in einer Löwengrube unverletzt überstand (Dan. 6); die Heilung des Gelähmten durch Jesus (Matth. 9,1-8/Marc. 2,1-12/Luc. 5,17-26) und die Erweckung des Lazarus von den Toten durch den Heiland (Ioh. 11,1-45). aus dem Lande Ägypten befreit hast, David aus der Hand von König Saul, Jona aus dem Bauch des Wals, Petrus aus den Fluten, Paulus aus den Fesseln, Thekla von den wilden Tieren5 Dieses Beispiel stammt nicht aus der Bibel, sondern ist den apokryphen ‚Paulus und Thekla Akten‘ (Acta Pauli et Theclae) entnommen. Die hl. Thekla von Ikonium soll eine Schülerin des Apostels Paulus gewesen sein. Laut AThe 26-39 wurde Thekla in Antiochia zum Tod durch wilde Tiere verurteilt, aber durch göttliche Wunder immer wieder gerettet und schließlich in die Freiheit entlassen. Der ursprünglich auf Griechisch verfasste Text erfreute sich bereits in der Antike großer Beliebtheit. Es sind nicht weniger als vier unterschiedliche lateinische Übersetzungen erhalten. Dazu
Ich treibe Dich aus, Du Verfluchter, Du unreiner Drache6 Der Drache galt im frühen Mittelalter als größte der Schlangen. Riesig und flugfähig, jedoch nicht giftig, tötete er seine Opfer durch Umklammerung. Vgl.
Ich gebe Dir dies ein, oh Herr, Du allmächtiger Gott, oh ewiger Gott, der Du die Himmel bewohnst die Erde befestigt, das Meer mit Ufern eingefasst und den Himmel selbst erschaffen hast, der Du die großen Wunder, Sonne und Mond, über den Gerechten11 Zeu ergänzt ohne weitere Erklärung „und den Ungerechten“ (et inustos). Einzige Autorität wäre hier wohl Matth. 5,45 „der bewirkt, dass seine Sonne über den Guten und den Schlechten aufgeht, und es regnen lässt über die Gerechten und die Ungerechten“ (qui solem suum oriri facit super bonos et malos et pluit super iustos et iniustos). strahlen und scheinen lässt, [und] die Lehre befohlen hast: Mach, oh Herr, ein solches Zeichen, dass es alle Welt und die ganze Erde verstehen, dass Du Gott bist, der allein alle Wunder tut, Du, oh Herr Jesu Christus, Sohn des Lebendigen Gottes. Sowohl, derjenige, der jene Dinge stiehlt, als derjenige, der damit scheinbar einverstanden ist: Die Kehle und die Zunge in ihrem Munde sollen verschnürt und gebunden sein. Amen. Und sie sollen weder das Brot noch den Käse essen können. Amen.
Ich beschwöre Dich, oh Mensch, beim Vater, beim Sohn und beim Heiligen Geist, beim Tag des jüngsten Gerichts und bei den vier Evangelien, und bei den zwölf Aposteln [und] den 16 Propheten12 Die Zahl von sechzehn Propheten ergibt sich aus der Summierung der biblischen Propheten: Zu den zwölf „kleinen“ Propheten (Hosea, Amos, Micha, Joel, Obadja, Jona, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja und Maleachi) addiert man die vier „großen“ Propheten (Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel)., bei den 24 Alten13 In der Thronsaalvision der Offenbarung erscheinen 24 Älteste (Apoc. 4,4): „Und rings um den Thron 24 Sitze, und auf den Thronen saßen 24 Älteste, in weiße Gewänder gehüllt, und auf ihren Häuptern goldene Kronen“ (Et in circuitu sedis sedilia viginti quattuor et super thronos viginti quattuor seniores sedentes circumamictos vestimentis albis et in capitibus eorum coronas aureas)., die täglich zum Lob des Herrn bereit stehen, [und] bei jenem Erlöser, der sich entschloss, um unserer Sünden willen die Hände ans heiligen Kreuz zu hängen, dass Du, wenn Du an diesem Diebstahl beteiligt warst oder ihn begangen hast oder ihm zugestimmt hast oder ihn hinterlistiger Weise geduldet hast, solches von der Hand des Herrn, von seinem Ruhm und seiner Wundermacht erdulden musst: Du sollst dieses Brot und diesen Käse niemals essen können, außer mit aufgeblähten Backen, mit Schaum und unter Jammern und Tränen und Schmerzen, [denn] dein Rachen soll verschnürt und gebunden sein. Amen.
SPRICH DIESES GEBET ÜBER DEM HAUPT EINES MENSCHEN14 Im Gegensatz zu den ersten Stücken, die lediglich Verfluchungen des (unbekannten) Diebes sind, handelt es sich hier um ein Gottesurteil. Das Gebet soll über einem Verdächtigen gesprochen werden, um dessen Schuld oder Unschuld zu ermitteln. Das Konzept des Gottesurteils geht auf die Vorstellung vom unmittelbaren Eingreifen Gottes in das weltliche Geschehen zurück. Gottesurteile konnten verschiedene Formen annehmen, welche Form gewählt wurde hing dabei in der Regel vom Streitfall, dem Stand und Geschlecht der Streitparteien ab. Ab Karl dem Großen wurde größerer Wert auf Gottesurteile als Beweismittel gelegt, weshalb seit Anfang des 9. Jhd. mehr Gottesurteile belegt sind. Ihre Bedeutung in der Rechtspraxis blieb allerdings marginal. Zum Gottesurteil
Oh Herr, Du allmächtiger Gott, heilig, heilig, heilig15 Das hier mit dem Graecolatinum (h)agius (von gr. ἅγιος) wiedergegebene dreifache „heilig“ ist der Thronsaalvision in der Offenbarung entlehnt: „und sie halten Tag und Nacht keine Ruhe, und sagen: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Allmächtige, der war und der ist und der kommen wird‘.“ (et requiem non habent die et nocte dicentia sanctus sanctus sanctus Dominus Deus omnipotens qui erat et qui est et qui venturus est). bist Du im Himmel und auf Erden. Oh Herr, wir rufen Deinen heiligen und bewundernswerten Namen an, wir beten zu Deinem Namen, oh Herr. Oh Herr der Herrscher, wir rufen Deinen Namen an. Gott der Himmel, Gott der Gerechten, Gott der Propheten, Gott der Apostel, Gott der Märtyrer, Gott der Jungfrauen, Gott aller Heiligen, Dich rufen wir an, damit ihm, wer auch immer jenen Diebstahl begangen hat oder ihm zugestimmt haben mag, als [Deinem] Geschöpf Brot und Käse16 Formaticus ist ein anderes Wort für Käse(-laib). Es lebt im modernen den romanischen Sprachen fort (franz. fromage, ital. formaggio). vorsetze, damit er auf die Erde erbrechen muss, über die er geht; denn Du bist Gott und es gibt keinen anderen neben Dir. Mach dies in Deinem großen Erbarmen: des Teufels Geist soll von ihm weichen. Wer schuldig ist, soll erbrechen, und wer unschuldig ist, soll essen, und wer schuldig ist, soll zittern [und] sich schütteln [und] wanken wie ein Baum und er soll keine Ruhe finden bis er gestehet, weil Du es befiehlst, oh heiliger Vater.


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