VERKAUFSSCHREIBEN1 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f. ÜBER EIN LANDGUT
An den Herrn (und) Bruder2 Vermutlich handelt es sich bei fratri um eine Anrede im christlichen Sinn. Soundso, der Soundso. Obgleich ein Vertrag über Kauf und Verkauf allein aus der Bemessung des Preises und der Übertragung der Sache selbst bestehen mag, sei an dieser Stelle diesem hier die Anweisung für Urkunden und andere Dokumente3 Bei docimentum handelt es sich um eine verbreitete Nebenform von documentum. dergestalt eingeschoben, dass die Redlichkeit der vollzogenen Sache und die Berücksichtigung des Rechts (gleichermaßen) bewiesen werden4 Diese Arenga folgt der im Breviar überlieferten Interpretatio von Pauli Sententiae II,18,10: In contractus emti et vendidi, qui bona fide ineuntur, venditionis instrumenta superflue requiruntur, si quocunque modo res vendita, dato et accepto pretio, qualibet probatione possit agnosci. Der Rekurs auf die Interpretatio, nach welcher Kaufurkunden eigentlich als überflüssig erscheinen, dient wohl ihrer Entkräftung, indem die Beweiskraft der Urkunde betont wird. Generell war die Ausstellung einer Urkunde bei einem Kauf auf Wunsch des Käufers möglich, aber nicht zwingend notwendig. Vgl. dazu Lex Ribuaria 62 (59),1; H. Siems, Handel und Wucher, S. 361-365. .
Darum: Es ist bekannt, dass ich Dir etwas verkaufte, und zwar verkaufte ich ein Landgut aus meinem rechtmäßigen Vermögen, das Soundso heißt und im Gau Soundso liegt, welches ich aus der rechtmäßigen Nachfolge der Eltern besitze, und das auf irgendeine Weise an einen (von ihnen) gelangte, zur Gänze samt Ländereien, Häusern, Gebäuden, Landpächtern, Unfreien, Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern, den angrenzenden und abhängigen Ländereien und allem Ertrag und dem Gebiet, das daselbst dazugehört. Und ich empfing von Euch, gemäß dem, was mir gefiel, als Preis soundsoviel und ich übergab Euch sofort das erwähnte Landgut zum Besitz, so dass Du von diesem Tage an in allen Belangen die uneingeschränkte Macht haben sollst, künftig (damit) zu tun, was auch immer Du entscheiden magst5 Diese Passage umfasst mit der Feststellung der Zahlung des vereinbarten Preises und der Verschaffung der Kaufsache den Kern des Geschäftes. Stellten im klassischen römischen Recht Kauf, Zahlung und Übertragung (in Form eines gesonderten Verfügungsgeschäftes namens traditio, mancipatio oder in iure cessio) separate Rechtsvorgänge dar, so fielen diese bereits in der Spätantike teilweise zu einem Simultanakt zusammen. Die Wendung quod mihi conplacuit deutet dabei auf eine genaue Prüfung der als Preis übereigneten Wertgegenstände hin, bei denen es sich neben Münzen oder Edelmetall etwa auch um Naturalien oder andere Tauschgüter handeln konnte. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f., M. Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 455-457; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; H. Siems, Handel und Wucher, S. 376-398..
Falls aber jemand – ich glaube nicht, dass das geschehen wird – sei es ich selbst oder irgendeiner meiner direkten oder indirekten Erben oder irgendein Gegner es wagen sollte, gegen diesen Verkauf6 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f. vorzugehen oder behaupten mag, dass ich schlecht verkauft hätte7 Dieser Passus geht wohl auf die Lex Romana Burgundionum 35,3 (Quod si quis male vendedisse fuerit adprobatus, empturi in duplum et meliorate rei teneatur obnoxius.) zurück und spielt auf die Gewährschaftspflicht des Verkäufers an. Diese kam zu tragen, wenn eine Dritte Partei gegenüber dem Käufer ältere Eigentumsansprüche geltend machte. Der Käufer konnte darauf auf den Verkäufer verweisen, der dann als auctor die Ansprüche der dritten Partei entkräften oder Entschädigung leisten musste. Diese Regelung geht möglicherweise auf Codex Theodosianus IV, 18, 2 zur Rückgabe und Entschädigung unrechtmäßigen Grundbesitzes zurück. Regelungen zur Haftung des Vorbesitzers bei Diebstahl finden sich darüber hinaus auch in der Lex Salica 37,1-3 und 47 und der Lex Ribuaria 37 (33),1-3. Vgl. zur Entwicklung der sogenannten Gewährschaft G. Partsch, Rechtsmängelhaftung, insb. S. 99‑104 zum 6.‑8. Jahrhundert; H. Siems, Handel und Wucher, S. 70-72 und 78-80.Vgl. zu einem derartigen Fall auch Angers 47 und Angers 53., und das von mir und meinen Erben nicht abgewehrt werden wird, dann müssen wir Euch und Euren Erben die doppelte Menge8 Die Strafzahlung in Höhe des doppelten Wertes (duplum) war bereits in der antiken Praxis weit verbreitet. Vgl. dazu auch Breviarium Alarici, Pauli Sententiae II,17,1, Interpretatio; J. Studtmann, Die Pönformel, S. 255-262 und 276-285; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 111-117; H. Siems, Handel und Wucher, S. 647. Geld von dem bezahlen, was wir von Euch bekommen haben und wieviel das Landgut an Wert hinzugewonnen haben wird. Und was er fordert, soll er nicht erreichen, denn das vorliegende Verkaufsschreiben9 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f. soll für alle Zeiten festen Bestand haben.
[Gegeben samt] einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung10 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31.. Geschehen …