Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Marculf I,26 (deu)

Königliche Anordnung in einem Streit um Grundeigentum

Königliche Anordnung an einen Bischof auf Klage eines Getreuen wegen des Eigentums an einem Landgut, dieses dem Kläger zurückzuerstatten oder oder am Hof Stellung zu nehmen.

ERMAHNUNGSSCHREIBEN^{1 Das Adjektiv commonitorius/-a/-um (aus commonere „jmd. an etwas denken lassen/„jmd. an etw. erinnern“/„mahnen“) bezeichnet etwas das zur Erinnerung bzw. (Er-)Mahnung dient. Die Form commonitorium findet darüber hinaus auch allein als Erinnerungs- bzw. Mahnschreiben Verwendung.} AN EINEN BISCHOF

An den heiligen Herrn, den Herrn, dem wir auch aufgrund eines apostolischen Stuhls unsere Achtung entgegenbringen müssen, den Vater in Christo, Bischof Soundso, König Soundso.

Unser Getreuer Soundso kam mit Gottes Gnade in unsere Gegenwart und trug uns zu, dass Ihr ein Soundso genanntes Landgut, das aus dem Anteil des Soundso an denselben hätte übergehen sollen, unverdient bei euch zurückbehalten hättet, und er wegen dieser Sache von Euch keine Gerechtigkeit erlangen könne. Aus diesem Grund schickten wir das vorliegende Schreiben an die Krone^{2 Die corona als „(Sieges-)Kranz“ hatte eine große symbolische Bedeutung in der christlichen Theologie und ihrer Bildtradition. Unter anderen konnte der Begriff corona neben dem Siegeskranz des Märtyrers oder Bekenners auch konkret die Tonsur bezeichnen. In der „Konstantinischen Schenkung“ wird die Mitra des Papstes darüber hinaus als Ersatz für das kaiserliche Diadem bzw. die Krone genannt, dazu P. Salmon, Mitra und Stab, S. 21. Entsprechend konnte die Mitra auch als corona papalis oder episcopalis bezeichnet werden. Dazu B. Sirch, Der Ursprung der bischöflichen Mitra, S. 135-144.} eurer Seligkeit, damit Ihr zum einen für uns betet und zum anderen, falls es sich derart verhält, dafür sorgt, den vorgenannten Soundso den Gesetzen gemäß wieder in dasselbe Landgut einzusetzen^{3 Diese Form des Mandates im Sinne eines Auftrages des Königs an einen Amtsträger zur Aufklärung eines Streitfalles ähnelt stark den römischen Kaiserreskripten. Eng verwandt mit diesen Mandaten ist auch DMerov 77. P. Classen, Kaiserreskript, S. 143f. Vgl. zu diesen Formeln auch O. Guillot, La justice dans le royaume franc, S. 686-689, und zu dieser Form des Mandates T. Reuter, Mandate, S. 420.}. Falls Ihr das in der Tat nicht wollt und irgendetwas dagegen habt, was dem entgegensteht,^{4 Das opponere steht hier offenbar für ein opponeret bzw. opponat, die Floskel Certe si nolu* et aliquid contra hoc habu*, quod opponere findet sich regelmäßig in den Formeln.} sollt ihr, durch diesen Brief ermahnt, selbst oder in Form eines Abgesandten, der angewiesen wurde eure Person zu vertreten,^{5 Es bestand die Möglichkeit Rechtsangelegenheiten einem bestellten Vertreter zu übergeben, der an Stelle der eigentlichen Person an Verhandlungen teilnahm. Entsprechende Dokumente (mandata) zur Übernahme von Rechtsgeschäften sind z.B. in der Formelsammlung aus Angers erhalten (Angers 1, Angers 48, Angers 51, Angers 52). Auch Marculf I,21 überliefert eine vergleichbare Vollmacht.} nun in unsere Gegenwart kommen, um dem Soundso^{6 Die Form lui ist eine dem Sprechlatein entnommene Variante von illi, die unter anderem im Französischen als Personalpronomen fortlebt. Zur Form lui für illi P. Stotz, Handbuch 4, VIII, § 55.5, S. 121.} wegen dieser Sache eine Antwort für denselben zu geben^{7 Widersprach der Bischof also dem Anspruch des fidelis des Königs, ging der Fall vor das Königsgericht. Zum Königsgericht vgl. M. Weidemann, Kulturgeschichte I, S. 265-278; W. Bergmann, Untersuchungen, S. 69-102; P. Fouracre, Placita, S. 24.}.