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Schreiben zum Umgang mit unkeuschen Nonnen

Schreiben zum Umgang mit einer unkeusch gewordenen geweihten Frau, mit dem Verweis auf beigelegte kanonische Vorschriften Bußen sowie weiteren Ratschlägen zum betreffenden Fall.

[ohne Titel]

Dem nach dem Gebot des Glaubens süß Anzuredenden und mit dem Band der Nächstenliebe zu Reinigenden [entbietet] Soundso, ein Sünder, einen immerwährenden Gruß im Herrn.

In Deinem Schreiben hast Du meine Wenigkeit gebeten, dass ich einen kanonischen Beschluss ausfindig machen möge hinsichtlich der Buße für eine Frau, die, nachdem sie geweiht worden war und gelobt hatte, ihre Keuschheit für Gott zu bewahren, Ehebruch begangen hat. In den Synoden von Nicäa, Chalcedon, Ephesos und Konstantinopel, den vier Synoden, die man in allen Ländern ehrwürdig angenommen hat und zu denen man sich bekennt, haben wir jedoch keine Stelle über diese Sache gefunden, aber in der Synode von Orléans fanden wir für diese Sache eine vorgeschriebene Buße, welche wir Dir schickten, und aufgrund dieser Autorität legten wir die Buße für die vorgenannte Frau fest, welche man einhalten muss. In Anbetracht dieses Beschlusses gaben wir [Dir] einen Rat: Aus der Quelle der heiligen Schriften gibt es lebendige Ströme an Lehren und die Stützen unumstößlicher Säulen; solange sie von deren Wogen trinkt und sich in deren Umarmung festhält, soll sie nicht fürchten, wieder ins Verderben zu straucheln und darf wegen eines vergangenen Fehlers nicht erneut an der Vergebung zweifeln, sondern sie soll die vorgenannten Ratschläge einhalten. Man erinnere sich an jene Frau aus den Evangelien, die Sünderin Maria Magdalena, die von den sieben Lastern erfüllt gewesen war [und] aus der der Herr sieben Dämonen austrieb, die mit ihren Tränen die Füße des Herrn wusch, sie mit ihrem Haar trocknete, sie heftig mit aufgedrückten Lippen in brennender Liebe küsste und mit kostbarem Öl salbte [und] über die der Herr sagte: „Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat!“ Und es war eben diese, die dem Herrn stets nachfolgte bis zur Kreuzigung und bis ans Grab, und eben diese verdiente es sich, nach der Auferstehung als erste noch vor irgendeinem Apostel oder der Mutter des Herrn, der allerrühmlichsten ewigen Jungfrau Maria, sowohl Engel als auch den Herrn zu sehen. Eben diese war die Schwester von Martha und Lazarus, den der Herr nach vier Tagen vom Tod auferweckt hat. Und unser Erlöser sagte, dass er für die Sünder und die Ehebrecher in diese Welt gekommen ist, nicht für die Gerechten. Die Wahrheit selbst sagt, dass nicht die Gesunden den Arzt nötig haben. Der Apostel Paulus, ein Christenverfolger und Schlächter, der Mörder des heiligen Stephanus, wurde zu unserem Lehrer und dem Lehrer aller Völker gemacht. Was soll ich über den Zöllner Matthäus berichten, der später Evangelist wurde? Was über Zachäus, der im Herzen schon erleuchtet war und der wegen seiner geringen Körpergröße den Herrn von einem Maulbeer-Feigenbaum aus sehen wollte? Was über jenen Steuereintreiber, über den im Evangelium geschrieben wird, der seine Brust schlug und sagte: „Ich bin nicht würdig, meine Augen zum Himmel zu erheben! Herr, sei mir Sünder gnädig!“, [und] der gerechter hinabstieg als jener Pharisäer, der sich all seiner Verdienste rühmte und im Stehen betete? Was noch, um den Trost zu steigern? Unser Herr und Erlöser sagt im Evangelium, dass er das rühmliche Gleichnis des allerfrommen Hirten erfüllt hat, der 99 Schafe in den Bergen zurückließ und auf der Suche nach dem einen verirrten [Schaf] als allergnädigster Hirte unter großen Mühen wüste Orte durchsuchte und es fand und es auf seine Schultern legte und heil zur Herde zurückbrachte, so dass er die vollständige Zahl von Hundert auffüllte, damit er Herr einer vollkommenen Herde sei; und er führte uns elende Sünder, die wir wegen der Schwäche des Körpers in die Irre gehen, mit den Gerechten und Unschuldigen zusammen und sagte, dass er sich mehr über einen Sünder freue, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die keine Buße nötig haben. Wenn man, das gebe Christi Gnade, in Zukunft Vorsicht walten lässt, damit sich der Fehltritt nicht wiederholt, wird sie bei Tag und Nacht, öffentlich und im Verborgenen, unter vielem Weinen, Fasten, Beten, Wehklagen, Seufzen [und] vielen Mühen, zu Gehorsam, Schweigsamkeit, Demut und [der von ihr] vernachlässigten Nächstenliebe verpflichtet sein. Man kann die Dauer, um Buße zu tun, nicht erfragen und die Jahre nicht zählen, wohl aber die Heftigkeit ihrer Furcht vor der Sünde und der Liebe zu Gott aus dem tiefsten Begehren ihres Herzens zu jedem Zeitpunkt und bei jedem Moment der Bußfertigkeit. Zur Bestätigung dieser Worte ist der allervortrefflichste Prophet Zeuge, der vom Geist Gottes erfüllt sagt: „Ein Sünder mag sich an welchem Tag auch immer, oder zu irgendeiner Stunde bekehren und aufseufzen, [dann] werden alle seine Sünden dem Vergessen anheimgegeben werden.“ Und jener Räuber, der neben dem Herrn gekreuzigt wurde, bekannte mit plötzlichem Bekenntnis und glaubte vom Geist erfüllt, dass der Mann, dessen Kreuzigung er sah, der Sohn Gottes, des Allmächtigen, lebendiger und wahrer Gott war, er tat nicht jahre- oder monate- oder tagelang Buße, ihn ereilte ein schneller Tod und gemäß dem Wort des Herrn betrat er noch vor dem Apostel Petrus das Paradies. Und das Volk der Stadt Ninive verdiente es sich durch drei Tage Fasten [und] Weinen, in Asche [und] Sack, durch gemeinsames Wehklagen und Jammern, aus dem Schlund seines Untergangs und dem Zorn Gottes zu entrinnen. Und als David, der König und vom Geist Gottes erfüllte Prophet, vom Propheten Nathan der Untat des Mordes und Ehebruchs angeklagt wurde, schämte er sich nicht vor aller Augen sein Gesicht in den Staub zu werfen und gleichzeitig in eine Rede allersüßester Buße auszubrechen indem er sagt: „ Ich habe gesündigt, oh Herr, ich habe gesündigt!“; und der Herr sagte ihm durch den Propheten: „Vergeben ist Deine Sünde“. Siehe, so viel vermag Demut, so viel erlangt die Liebe, denn, obschon unsere Sünden schwer wiegen, können wir, so sagte der Apostel, wie Stroh, Heu [und] Holz die Bürden der Sünde rascher verbrennen, wenn wir vom Feuer der Gottesliebe überquellen. Und an ihrer Stelle sollen wir auf dem Fundament des Glaubens, welches ist Christus, Gold, Silber und Edelsteine aufbauen, damit wir im Schmuck des ewigen Königs, unseres Erlösers, unter die lebendigen Steine gerechnet werden können, auf dass der Apostel uns sagen mag: „Ihr wart einst Finsternis, jetzt aber seid ihr das Licht des Herrn!“; und abermals: „ Wo die Sünde im Übermaß vorhanden ist, da ist auch die Gnade in noch höherem Maß vorhanden.“ Daher sollen wir freilich auf eben diesen Apostel Paulus hören und seine Ratschläge zur Gänze einhalten, denn er besitzt den Geist Gottes. Derselbe sagt im Römerbrief: „So wie ihr nämlich eure Glieder zur Verfügung gestellt habt, der Unreinheit und der Ungerechtigkeit zu dienen zur Ungerechtigkeit, so stellt eure Glieder nun zur Verfügung, der Gerechtigkeit zu dienen zum Heil!“ Gnade des Wortes! Wer viele durchwachte Nächte heimlich und sündig der Wollust opferte, soll seinen Körper in gleicher Weise darin stärken, aufzuwachen, sich vom Schlaf zu erheben und in den Räumen der Kirche und des Klosters insgeheim beim Beten zu ermüden [und] sich zu quälen, auf dass er dieselben Qualen, von denen er sich erinnert, dass er viele und so beschaffene für die fleischliche Liebe ertragen hat, gemäß der Weisung des Apostels Paulus [nun] aus geistlicher Liebe ertragen soll, damit der Körper nicht bei den heiligen Nachtwachen weniger träge sei, als bei den unterschiedlichen Sünden, beim Entdecken von verdrehten Umschlingungen der Glieder, als er schändlich hinabgedrückt und darum in schlechtem Sinne erschöpft war.