[ohne Titel]
Einst hat der Allmächtige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, gemäß dem, was man liest, im Anfang Mann und Frau in der Gemeinschaft der Ehe verbunden, weil es heißt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Wir wollen ihm eine Hilfe machen, ihm ähnlich“; und er spendet seinen Segen: „Wachst“, sagt er, „und vermehrt Euch und herrscht über alle Kriechtiere, die es unter dem Himmel gibt1 Gott setzt den Menschen in der Genesis eigentlich zum Herrn „über die Fische des Meeres und die fliegenden Tiere und über alle Lebewesen, die sich auf der Erde bewegen“ (dominamini piscibus maris et volatilibus caeli et universis animantibus, quae moventur super terram). Die reptilia sind nur ein Teil der (Land-)Lebewesen die am sechsten Tag erschaffen werden (Gen. 1,25).“; und der Erlöser verkündete: „Aus diesem Grund wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird seiner Frau anhängen, und sie werden zwei in einem Fleisch sein“; und der Heilige Geist urteilte durch die Autorität geheiligter Kaiser, dass es zur Erzeugung des Menschengeschlechts weder eine inzestuöse noch eine unrechtmäßige Verbindung geben darf2 Vgl. Breviarium Alarici III,12. Unter dem Titel De incestis nutpiis wurde hier die Ehe mit Nichten, Cousinen (1. Grades wie auch weiterer Grade), Witwen von Brüdern und Schwestern der verstorbenen Ehefrau untersagt. Kinder aus derartigen Verbindungen wurden als nicht legitim betrachtet. Zudem wurde den inzestuös verbundenen Eheleuten das Vertrags-, Testier- und Schenkungsrecht abgesprochen. Zur römischen Inzestgesetzgebung vgl. K. Ubl, Inzestverbot, S. 37-74; zu Codex Theodosianus/Breviarium Alarici III,12 ebd., S. 56-66.. Es gibt den Beschluss, dass jede freie Person, die irgendetwas von der eigenen Habe ihres Vermögens übergeben möchte, dies lobenswerterweise in schriftlicher Form festhalten und unten bekräftigen muss, was unter dieser Bedingung und gemäß dem Recht ein Amtsgebäude erfordert und nach den gesta municipalia3 Die spätrömischen gesta municipalia dienten zunächst dazu, Wechsel von steuerpflichtigem Grundeigentum festzuhalten, entwickelten sich in der Folge jedoch zu städtischen Archiven, in welche Rechtsgeschäfte aller Art eingetragen wurden. Die öffentliche Insinuation von Rechtsdokumenten in die gesta sicherte die Rechtskraft von Rechtsgeschäften und erhöhte im Streitfall die Glaubwürdigkeit der Dokumente. In der fränkischen Welt sind die gesta bis ins 9. Jahrhundert bezeugt, wenn auch der Rechtsvorgang der Insinuation zunehmend modifiziert wurde. Vgl. dazu B. Hirschfeld, Gesta municipalia; W. Brown, On the gesta municipalia; J. Barbier, Archives oubliées. verlangt4 Vorschriften zur Eintragung von Eigentumsübertragungen kennt das Breviarium Alarici nur hinsichtlich Schenkungen (VIII,5) und Dotierungen (III,5,1 Interpetatio). Keines der Gesetze schreibt vor, dass die Eintragung in einem praetorium stattzufinden habe..
Aus diesem Grund ich, in Gottes Namen der Soundso. Da allgemein bekannt ist, dass ich mich nach dem Willen Deiner Eltern mit Dir, oh meine allersüßeste Braut Soundso, verlobt habe und, so mag es Christus gefallen, mich anschicke, mich mit Dir zur Ehe zu verbinden, trete ich Dir aus diesem Grund wegen der süßen Liebe und zum Friedenskuss5 Nach römischem Recht (vgl. Breviarium Alarici III,5,5 Interpretatio) war der Verlobungskuss (interveniente osculo/intercedente osculo) eines der konsitutiven Elemente für die Gültigkeit einer Verlobung und den Anspruch der Braut auf die Brautgabe. Der Verlobungskuss selbst taucht erstmals in christlichen Texten auf und scheint zunächst vor allem auf der Iberischen Halbinsel und in Nordafrika verbreitet gewesen zu sein. In fränkischer Zeit scheint osculum neben seiner Bedeutung als Kuss auch einen Bezug zur Brautgabe bzw. dem diese festhaltenden Dokument bekommen zu haben. Vgl. dazu E. Chénon, Recherches historiques, S. 587-597; M. B. Pharr, The kiss in Roman law, S. 394-397; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 195; P. L. Reynolds, Marriage in the western church, S. 386-389. zum heutigen Tage etwas ab und ich möchte, dass diese Abtretung von Dauer sei, und ich übergebe und übertrage es von meinem rechtmäßigen Vermögen in Dein rechtmäßiges Vermögen und deine Herrschaft. Es handelt sich um eine Besitzung aus meinem Eigentum, die im Gau von Bourges6 Bourges (Frankreich, département Cher, chef-lieu). liegt, in den Vikarien7 Der Amtsbereich eines vicarius. Bei diesem handelte es sich seit dem 8. Jahrhundert um einen vom Grafen eingesetzten Amtsträger, der in seinem Amtsbereich für die niedere Gerichtsbarkeit und die Sicherheit zuständig war. Vgl. dazu F. Lot, La vicaria, S. 281f.; Ch. Lauranson-Rosaz, La vicaria en Auvergne, S. 226f.; J. F. Boyer, Pouvoirs et territoires, S. 396. Soundso und Soundso, auf dem Landgut dessen Name Soundso lautet, alles, was ich dort irgendwie habe, das sind drei Teile8 Das Eigentum von nur drei Teilen am Landgut könnte auf eine vorangegangene Erbteilung hindeuten.; desgleichen auch auf dem Landgut dessen Name Soundso lautet; desgleichen auch auf dem Landgut Soundso; in gleicher Weise auch in der Vikarie Soundso, auf dem Soundso genannten Landgut; in derselben Weise auch in der Vikarie Soundso, auf dem Landgut Soundso. Dies alles an eben diesen Orten, die oben aufgeführt sind, alle Teile, seien sie aus dem Eigengut meiner Eltern oder seien sie aus einer Erwerbung oder aus etwas, von dem man weiß, dass es auf irgendeine Art an mich gelangte; ich übergebe und übertrage Dir, oh meine allersüßeste Braut, öffentlich durch diese Abtretung9 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. zusammen mit den entsprechenden Urkunden am Tag vor unserer Hochzeit – oder am Tage10 Die Abtretung der Ehegabe am Tag vor der Hochzeit folgte der römischen Rechtspraxis, die am Tage der Hochzeit der fränkischen. Vgl. M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 195; D. Liebs, Römische Jurisprudenz, S. 239; J. Barbier, Dotes, S. 361. – die vollständigen Teile, an denen ich Eigentum habe, mitsamt Häusern, Gebäuden [und] Höfen; und ich trete Dir von den Unfreien den Soundso und den Soundso11 Die Handschrift überliefert lediglich il̅l et il̅l. Die Dopplung spricht mit einiger Sicherheit dafür, dass hier zwei Unfreie verschenkt wurden. Zeumer löste die Kürzung kommentarlos mit illum et illam auf, geht also von einer Frau und einem Mann aus. Die Geschlechter der Unfreien bleiben durch die Anonymisierung allerdings unklar. ab, vom Vieh freilich die Vierbeiner, zwei Rinderherden samt ihrer Koppel, soundsoviele Pferde, die es wert sind gesattelt zu werden, in gleicher Weise soundsoviele von den Arbeitsochsen mitsamt ihrem Ackergeschirr, Kühe zusammen mit ihren Kälbern als Herde, vier Schafsherden12 Vervex bezeichnet ursprünglich nur den „Hammel“., vier Schweineherden; [ich gebe Dir] Tuche, soundsoviele bezogene Betten, Kleider, die einer Frau angemessen sind, darunter soundsoviele Mäntel mit Kreuzmustern13 Abgeleitet von gr. σταυρός „Kreuz“. Als „Gewand mit Kreuzmuster“ findet pallium staracium auch in einem Brief Papst Pauls I. (†767) an Pippin den Jüngeren (†768) Verwendung: Pro vere benedictionis causa direximus … storacin pallium unum habentem paones (Codex epistularis Carolinus, MGH Epp. 3, Nr. 17). , Kupfergerät, Gerät aus Gold und Silber im Wert von 100 solidi, eisernes Gerät und alles andere, was bei Häusern die edelsten Erfordernisse sind, alles Nötige samt der Gänze all dessen, was einzeln aufzuzählen zu lange dauert. All das, was oben für Dich zusammengefasst wurde, übergebe ich Dir öffentlich und übertrage es Dir feierlich am Tag vor unserer Hochzeit – oder am Tage14 Die Abtretung der Ehegabe am Tag vor der Hochzeit folgte der römischen Rechtspraxis, die am Tage der Hochzeit der fränkischen. Vgl. M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 195; D. Liebs, Römische Jurisprudenz, S. 239; J. Barbier, Dotes, S. 361. –; Du sollst Dich künftig der Befähigung und der Gewalt erfreuen, [damit] zu tun, was immer Du entscheiden magst. Es ist freilich keineswegs zwingend notwendig bei Abtretungen eine Poen anzufügen, doch aus Eifer um die Beständigkeit gefiel es mir einzufügen15 Die Bildung inadserere ist ein Pleonasmus, der versucht gleichzeitig inserere und adserere auszudrücken.: Falls es aber einen geben sollte, was fern sei, sei es einer meiner Erben oder Miterben oder irgendein Gegner, der dieser Abtretung16 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. hier widersprechen oder gegen sie handeln und vorgehen oder sie brechen will, oder irgendjemand es wagt Klage gegen sie zu erheben, [dann] soll derjenige, der dies getan haben mag, der Partei, gegen die er vorgegangen ist, und dem allerehrwürdigsten fiscus zehn Pfund Gold – oder Pfund Silber – bezahlen17 Bei Bußzahlungen an geschädigte Parteien ging in der Regel die Hälfte oder ein Drittel der Summe an den fiscus, der wiederum ein Drittel dem für die Rechtsprechung zuständigen Amtsträger überließ (so auch, wenn der fiscus selbst Empfänger der gesamten Bußzahlung war). Die Beteiligung des fiscus sollte wohl auch als Anreiz für dessen Vertreter dienen, im Falle eines Rechtsstreites zu intervenieren. Vgl. dazu J. Durliat, Finances publiques, S. 219; S. Esders, Eliten und Strafrecht, S. 268., und diese Abtretung hier, die von mir ausgefertigt wurde, soll für alle Zeit unverletzlichen Bestand haben. Und wie es Brauch und Gesetz ist, will ich, dass sie den gesta municipalia18 Die spätrömischen gesta municipalia dienten zunächst dazu, Wechsel von steuerpflichtigem Grundeigentum festzuhalten, entwickelten sich in der Folge jedoch zu städtischen Archiven, in welche Rechtsgeschäfte aller Art eingetragen wurden. Die öffentliche Insinuation von Rechtsdokumenten in die gesta sicherte die Rechtskraft von Rechtsgeschäften und erhöhte im Streitfall die Glaubwürdigkeit der Dokumente. In der fränkischen Welt sind die gesta bis ins 9. Jahrhundert bezeugt, wenn auch der Rechtsvorgang der Insinuation zunehmend modifiziert wurde. Vgl. dazu B. Hirschfeld, Gesta municipalia; W. Brown, On the gesta municipalia; J. Barbier, Archives oubliées. hinzugefügt und bekräftigt werde.
Mit beigefügter eidlicher Zusicherung.