Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Tours Ergänzung 1 (deu)

Schutzformel gegen Gift

Schutzformel gegen Drachen, Vipern, Frösche, Skorpione, Basilisken und andere giftige Schädlinge sowie giftige Wurzeln mit Anleitung zur rituellen Ausführung.

^{1 Der vorliegende Text ist im Zusammenhang der Formelsammlung ausschließlich in V8 belegt und scheint keinen Eingang in die weitere Rezeption der Sammlung gefunden zu haben. Es handelt sich um einen Schutzzauber gegen Gift, der aus dem 8. Kapitel der Virtutes Iohannis (BHL 4319) ausgehoben wurde. Das Stück wird bei K. Zeumer, Formulae, S. 132 nicht erwähnt. Der Text wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Schmitz gefunden, noch in Unkenntnis der Vorlage transkribiert und 1890 erstmals zum Druck gebracht (W. Schmitz, Tironische Miscellen, S. 603f.). Eine überarbeitete Fassung der Transkription, nun in Kenntnis des zugrunde gelegte Material, in der beim ersten Mal noch anders aufgelösten tironischen Noten und Lesefehlern der ersten Fassung korrigiert wurden, erschien 1898 (W. Schmitz, Nochmals, S. 763). Die schmitzschen Lesarten sind dem Text im Apparat (als Sch1 und Sch2) beigegeben. Zum besseren Verständnis der Schutzformel wurde der Text mit dem Wortlaut von Virtutes Iohannis VIII in der kritischen Ausgabe E. Junod/J.-D. Kaesteli, Acta Iohannis, S. 825 abgeglichen. Relevante Varianten und Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Text wurden ebenfalls in den Apparat (Sigle Jun) aufgenommen.}ES BEGINNT EIN SCHREIBEN UNSERES HERRN^{2 Die Incipit-Angabe ist nicht mehr vollständig zu entziffern; Ende des 19. Jhd. scheint indes noch ein DOMINI NOSTRI lesbar gewesen zu sein, vgl. W. Schmitz, Tironische Miscellen, S. 603 und W. Schmitz, Nochmals, S. 762.} [UND] ERLÖSERS^{3 Zwischen der Überschrift und dem Beginn des erhaltenen Textes existiert eine freier Raum von 5 Zeilen, wie sich anhand des durchscheinenden Text von fol. 6r abzählen lässt. Bereits W. Schmitz, Nochmals, S. 762 hat erkannt, dass offenbar ursprünglich ein „Himmelsbrief“ in die Sammlung eingetragen werden sollte, der dann nicht ausgeführt wurde und man stattdessen die vorliegende Schutzformel aufnahm. Das Stück selbst ist aus seiner Rahmenhandlung (Virtutes Iohannis VIII) herausgelöst, in welcher der Apostel in Ephesos vor Aristodimus, den (Ober-)Priester des Diana/Artemis Heiligtums, geführt wird, der ihm als Glaubensprüfung einen Giftkelch reichen lässt, über dem der Apostel eben die hier isoliert überlieferten Worte spricht und den Becher unbeschadet trinken kann. Als isolierter Schutzzauber bzw. Schutzgebet gegen Gift ist der Text auch im insularen Raum belegt. Wir finden es contra venenum im „Book of Nunnaminster“ London, British Library, Harley MS 2965 (fol. 37r/v), gegen Schlangenbisse im sogenannten Leechbook London, British Library, Royal MS 12 D XVII (fol. 42v-43r) und in der als lacnunga bekannte (Heil-)Zaubersammlung London, British Library Harley MS 585 (fol. 151r/v). Als isoliertes Gebet ohne direkten Bezug zu Gift oder Schlangen erscheint der Text außerdem im „Book of Cerne“ Cambridge, Cambridge University Library, MS Ll. 1. 10 (fol. 79r). Im Pontificale Romano-Germanicum CXV, 29 findet sich eine bearbeitete Fassung des Textes als Stück eines Schutz- bzw. Exorzismusritus (ad succurrendum his qui a demonio vexantur) für von einem Dämon Geplagte. Für den deutsche Raum ist das Stück seit dem 13. Jhd. in mehr oder weniger stark bearbeiteter Form auch als Teil des Weinsegens an St. Johannis (27. Dezember) verbreitet. Zu den Virtutes Iohannes vgl. E. Junod/J.-D. Kaesteli, Acta Iohannis, S. 750-797 (hier insb. S. 787 – 790); für die Angelsächsische bzw. Insulare Tradition vgl. G. Storms, Anglo-Saxon magic, S. 264-268 und D. Huws, Bangor Missal, 123f., n. 48 und 49; für den Weinsegen vgl. A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen 1, S. 294-313. Über den Weinsegen wiederum fand der Anfang des Stücks bis arescunt auch Eingang in ein besonderes Ritual im Zusammenhang mit dem heiligen Nikolaus von Tolentino (†1305), dem Brote geweiht wurden. Das entsprechende Weiheformular für die Brote blieb bis zum 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) in Gebrauch; vgl. G. Goldberg, Heiligenbrote, S. 52 und A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen 1, S. 276.}

† „Mein Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist^{4 Die gegenüber der Hauptüberlieferung abweichende Junktur pater et filius et spiritus sanctus an dieser Stelle ist auch für die Virtutes Iohannis in Paris, BNF, lat. 18298 (fol. 49v) belegt und findet sich für die ausgelöste Formel so auch schon im „Book of Nunnaminster“.}, dem alles untertan ist und dem die ganze Schöpfung dient und dem alle Macht untertan ist^{5 Derartige Schutzzauber scheinen in fränkischer Zeit recht verbreitet gewesen zu sein. Sie konnten unterschiedlichste Formen annehmen und waren häufig, so wie in dieser Formel, mit christlicher Symbolik in Sprache und Gestik verbunden. Vgl. dazu C. Lecouteux, Mondes parallèles, S. 101-111; P. Riché, La magie, S. 132 und 136f. sowie V. I. J. Flint, The Rise of Magic, S. 302-309.}! Der Drache^{6 Der Drache galt im frühen Mittelalter als größte der Schlangen. Riesig und flugfähig, jedoch nicht giftig, tötete er seine Opfer durch Umklammerung. Vgl. Isidor, Etymologiae XII,4,4-5. Bereits in der Antike wurde dem Drachen zudem nachgesagt, er sammle durch den Verzehr von giftigen Tieren und Pflanzen in seinem Mund, insbesondere der Zunge Gift an. Aus dieser Vorstellung entwickelte Bartholomäus Anglicus (ca. 1190-1250) die Vorstellung, der Drache müsse wegen der hohen Konzentration des Giftes in seiner Zunge diese aus dem Mund hängen lassen, wo sich das Gift an der freien Luft entzünde und damit der Eindruck des Feuerspeiens entstünde. Vgl. dazu T. Honegger, Der Drache, S. 196. Zur Herkunft der Vorstellung des Drachen als Schlange vgl. T. Rebschloe, Der Drache, S. 30-33. Für das frühe und hohe Mittelalter ist zwischen dem hier anklingenden naturkundlichen, dem christlich geprägten (Drache als Symbol des Teufels) und dem literarischen Drachenbild zu unterscheiden. Vgl. dazu T. Rebschloe, Der Drache, S. 55-366, insb. S. 96-101 und 109-114.} flieht, die Viper wird stumm und jene Kröte, die man Frosch nennt, erstarrt^{7 Stirpiscit = torpescit.} und der Skorpion wird ausgetilgt und der Basilisk^{8 Der Basilisk galt im frühen Mittelalter als König der Schlangen, der mittels seines Atems und seines Blickes töten sowie, falls er sich in wassernähe aufhielt, seine Opfer wahnsinnig machen konnte. Vgl. Isidor, Etymologiae XII,4,6-9 und, diesen wortwörtlich rezipierend, Hrabanus Maurus, De rerum naturis, VIII, c. 3. Die Angst von Spinnen (und Vögeln) vor dem Basilisken findet sich bei Solinus, Collectanea rerum memorabilium, 27,53, der diesbezüglich jedoch nicht von Isidor rezipiert wurde. Grundlegend für das spätere Verständnis vgl. auch Plinius, Naturalis Historiae Libri, VII und XIII,78-79. Zu den antiken Vorbildern des Basilisken und seinem Wandel in der Darstellung bis in die Renaissance vgl. R. Alexander, The evolution; M. Sammer, Basilisk – regulus, S. 135-139. Die Vorstellung vom Basilisken als Hahn mit dem Schwanz einer Schlange scheint sich im 11. Jahrhundert herausgebildet zu haben. Vgl. R. Alexander, The evolution, S. 175-177.} wird keinen Schaden mehr bei den Giftspinnen^{9 Aus gr. φαλάγγιον „Giftspinne“ abgeleitet.} verursachen^{10 Vergleicht man den Text mit dem Wortlaut der Virtutes fällt auf, dass der Sinn gegenüber dem Ursprungstext verändert wurde. Die Stelle lautet ursprünglich „der Basilisk wird besiegt und die Giftspinne verursacht keinen Schaden mehr“ (regulus vincitur et sphalangius nihil noxium operatur). Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist hier also im Laufe der Überlieferung Text ausgefallen. Von einer Wirkung des Basilisken gegen Spinnen berichtet allerdings der Kompilator Gaius Julius Solinus (4. Jhd.). In seinen Collectanea rerum memorabilium ist die Rede davon, dass man in einem Apollontempel in Pergamon die Überreste eines Basilisken benutzte, um Spinnen aus dem Tempel fernzuhalten (Solinus, Collectanea rerum memorabilium 27,53), was die neue Lesart stabilisiert haben könnte. Im 21. Jahrhundert dürfte die schädliche Wirkung des Basilisken auf Spinnen aus J.K. Rowlings Harry Potter and the Chamber of Secrets von 1998 (bzw. der 2002er Verfilmung) sogar einem breiten Publikum bekannt sein. Die angelsächsischen Fassungen der Zauberformel behalten stets den Text der Virtutes bei.} und alles giftige und sogar noch wildere Kriechgetier^{11 Gemeint ist alles, was am Boden kriecht oder sich windet, und nicht etwa die „Kriechtiere“ (Reptilien) als „Klasse“ der Wirbeltiere.} und alle Schädlinge werden zerpflügt; und alle Wurzeln, die gegen die Gesundheit des Menschen wachsen, verdorren. Vernichte diesen giftigen Saft, mach seine todbringenden Wirkungen zunichte und vertreibe die Kräfte, die er in sich hat und gib in deinem Angesicht alle denen, die Du geschaffen hast, Augen, zu sehen, Ohren, zu hören, und ein Herz, damit sie Deine Herrlichkeit erkennen!“

Und als er dies gesagt hatte, wappnete er seinen Mund und sich selbst mit dem Zeichen des Kreuzes und trank, was in dem Kelch war, und sodann, wie er getrunken hatte, sprach er:

„Ich flehe darum, dass sich jene, wegen denen ich dies getrunken habe, zu Dir, oh Herr, bekennen und sich die Zuhörer ferner, weil Du sie erleuchtet hast, das Heil, welches bei Dir ist, verdienen!^{12 Das adtendentes autem gehört ursprünglich nicht mehr zur wörtlichen Rede, sondern markiert in den Virtutes die Wiederaufnahme der Erzählung (Attendentes autem populi Iohannem per tres horas vultum habere hilarem et nulla penitus signa palloris aut trepidationis habentem clamare coeperunt...).}“

Anmerkungen

Tours Ergänzung 1 (deu)

¹ Der vorliegende Text ist im Zusammenhang der Formelsammlung ausschließlich in V8 belegt und scheint keinen Eingang in die weitere Rezeption der Sammlung gefunden zu haben. Es handelt sich um einen Schutzzauber gegen Gift, der aus dem 8. Kapitel der Virtutes Iohannis (BHL 4319) ausgehoben wurde. Das Stück wird bei K. Zeumer, Formulae, S. 132 nicht erwähnt. Der Text wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Schmitz gefunden, noch in Unkenntnis der Vorlage transkribiert und 1890 erstmals zum Druck gebracht (W. Schmitz, Tironische Miscellen, S. 603f.). Eine überarbeitete Fassung der Transkription, nun in Kenntnis des zugrunde gelegte Material, in der beim ersten Mal noch anders aufgelösten tironischen Noten und Lesefehlern der ersten Fassung korrigiert wurden, erschien 1898 (W. Schmitz, Nochmals, S. 763). Die schmitzschen Lesarten sind dem Text im Apparat (als Sch1 und Sch2) beigegeben. Zum besseren Verständnis der Schutzformel wurde der Text mit dem Wortlaut von Virtutes Iohannis VIII in der kritischen Ausgabe E. Junod/J.-D. Kaesteli, Acta Iohannis, S. 825 abgeglichen. Relevante Varianten und Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Text wurden ebenfalls in den Apparat (Sigle Jun) aufgenommen.

² Die Incipit-Angabe ist nicht mehr vollständig zu entziffern; Ende des 19. Jhd. scheint indes noch ein DOMINI NOSTRI lesbar gewesen zu sein, vgl. W. Schmitz, Tironische Miscellen, S. 603 und W. Schmitz, Nochmals, S. 762.

³ Zwischen der Überschrift und dem Beginn des erhaltenen Textes existiert eine freier Raum von 5 Zeilen, wie sich anhand des durchscheinenden Text von fol. 6r abzählen lässt. Bereits W. Schmitz, Nochmals, S. 762 hat erkannt, dass offenbar ursprünglich ein „Himmelsbrief“ in die Sammlung eingetragen werden sollte, der dann nicht ausgeführt wurde und man stattdessen die vorliegende Schutzformel aufnahm. Das Stück selbst ist aus seiner Rahmenhandlung (Virtutes Iohannis VIII) herausgelöst, in welcher der Apostel in Ephesos vor Aristodimus, den (Ober-)Priester des Diana/Artemis Heiligtums, geführt wird, der ihm als Glaubensprüfung einen Giftkelch reichen lässt, über dem der Apostel eben die hier isoliert überlieferten Worte spricht und den Becher unbeschadet trinken kann. Als isolierter Schutzzauber bzw. Schutzgebet gegen Gift ist der Text auch im insularen Raum belegt. Wir finden es contra venenum im „Book of Nunnaminster“ London, British Library, Harley MS 2965 (fol. 37r/v), gegen Schlangenbisse im sogenannten Leechbook London, British Library, Royal MS 12 D XVII (fol. 42v-43r) und in der als lacnunga bekannte (Heil-)Zaubersammlung London, British Library Harley MS 585 (fol. 151r/v). Als isoliertes Gebet ohne direkten Bezug zu Gift oder Schlangen erscheint der Text außerdem im „Book of Cerne“ Cambridge, Cambridge University Library, MS Ll. 1. 10 (fol. 79r). Im Pontificale Romano-Germanicum CXV, 29 findet sich eine bearbeitete Fassung des Textes als Stück eines Schutz- bzw. Exorzismusritus (ad succurrendum his qui a demonio vexantur) für von einem Dämon Geplagte. Für den deutsche Raum ist das Stück seit dem 13. Jhd. in mehr oder weniger stark bearbeiteter Form auch als Teil des Weinsegens an St. Johannis (27. Dezember) verbreitet. Zu den Virtutes Iohannes vgl. E. Junod/J.-D. Kaesteli, Acta Iohannis, S. 750-797 (hier insb. S. 787 – 790); für die Angelsächsische bzw. Insulare Tradition vgl. G. Storms, Anglo-Saxon magic, S. 264-268 und D. Huws, Bangor Missal, 123f., n. 48 und 49; für den Weinsegen vgl. A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen 1, S. 294-313. Über den Weinsegen wiederum fand der Anfang des Stücks bis arescunt auch Eingang in ein besonderes Ritual im Zusammenhang mit dem heiligen Nikolaus von Tolentino (†1305), dem Brote geweiht wurden. Das entsprechende Weiheformular für die Brote blieb bis zum 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) in Gebrauch; vgl. G. Goldberg, Heiligenbrote, S. 52 und A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen 1, S. 276.

⁴ Die gegenüber der Hauptüberlieferung abweichende Junktur pater et filius et spiritus sanctus an dieser Stelle ist auch für die Virtutes Iohannis in Paris, BNF, lat. 18298 (fol. 49v) belegt und findet sich für die ausgelöste Formel so auch schon im „Book of Nunnaminster“.

⁵ Derartige Schutzzauber scheinen in fränkischer Zeit recht verbreitet gewesen zu sein. Sie konnten unterschiedlichste Formen annehmen und waren häufig, so wie in dieser Formel, mit christlicher Symbolik in Sprache und Gestik verbunden. Vgl. dazu C. Lecouteux, Mondes parallèles, S. 101-111; P. Riché, La magie, S. 132 und 136f. sowie V. I. J. Flint, The Rise of Magic, S. 302-309.

⁶ Der Drache galt im frühen Mittelalter als größte der Schlangen. Riesig und flugfähig, jedoch nicht giftig, tötete er seine Opfer durch Umklammerung. Vgl. Isidor, Etymologiae XII,4,4-5. Bereits in der Antike wurde dem Drachen zudem nachgesagt, er sammle durch den Verzehr von giftigen Tieren und Pflanzen in seinem Mund, insbesondere der Zunge Gift an. Aus dieser Vorstellung entwickelte Bartholomäus Anglicus (ca. 1190-1250) die Vorstellung, der Drache müsse wegen der hohen Konzentration des Giftes in seiner Zunge diese aus dem Mund hängen lassen, wo sich das Gift an der freien Luft entzünde und damit der Eindruck des Feuerspeiens entstünde. Vgl. dazu T. Honegger, Der Drache, S. 196. Zur Herkunft der Vorstellung des Drachen als Schlange vgl. T. Rebschloe, Der Drache, S. 30-33. Für das frühe und hohe Mittelalter ist zwischen dem hier anklingenden naturkundlichen, dem christlich geprägten (Drache als Symbol des Teufels) und dem literarischen Drachenbild zu unterscheiden. Vgl. dazu T. Rebschloe, Der Drache, S. 55-366, insb. S. 96-101 und 109-114.

⁷ Stirpiscit = torpescit.

⁸ Der Basilisk galt im frühen Mittelalter als König der Schlangen, der mittels seines Atems und seines Blickes töten sowie, falls er sich in wassernähe aufhielt, seine Opfer wahnsinnig machen konnte. Vgl. Isidor, Etymologiae XII,4,6-9 und, diesen wortwörtlich rezipierend, Hrabanus Maurus, De rerum naturis, VIII, c. 3. Die Angst von Spinnen (und Vögeln) vor dem Basilisken findet sich bei Solinus, Collectanea rerum memorabilium, 27,53, der diesbezüglich jedoch nicht von Isidor rezipiert wurde. Grundlegend für das spätere Verständnis vgl. auch Plinius, Naturalis Historiae Libri, VII und XIII,78-79. Zu den antiken Vorbildern des Basilisken und seinem Wandel in der Darstellung bis in die Renaissance vgl. R. Alexander, The evolution; M. Sammer, Basilisk – regulus, S. 135-139. Die Vorstellung vom Basilisken als Hahn mit dem Schwanz einer Schlange scheint sich im 11. Jahrhundert herausgebildet zu haben. Vgl. R. Alexander, The evolution, S. 175-177.

⁹ Aus gr. φαλάγγιον „Giftspinne“ abgeleitet.

¹⁰ Vergleicht man den Text mit dem Wortlaut der Virtutes fällt auf, dass der Sinn gegenüber dem Ursprungstext verändert wurde. Die Stelle lautet ursprünglich „der Basilisk wird besiegt und die Giftspinne verursacht keinen Schaden mehr“ (regulus vincitur et sphalangius nihil noxium operatur). Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist hier also im Laufe der Überlieferung Text ausgefallen. Von einer Wirkung des Basilisken gegen Spinnen berichtet allerdings der Kompilator Gaius Julius Solinus (4. Jhd.). In seinen Collectanea rerum memorabilium ist die Rede davon, dass man in einem Apollontempel in Pergamon die Überreste eines Basilisken benutzte, um Spinnen aus dem Tempel fernzuhalten (Solinus, Collectanea rerum memorabilium 27,53), was die neue Lesart stabilisiert haben könnte. Im 21. Jahrhundert dürfte die schädliche Wirkung des Basilisken auf Spinnen aus J.K. Rowlings Harry Potter and the Chamber of Secrets von 1998 (bzw. der 2002er Verfilmung) sogar einem breiten Publikum bekannt sein. Die angelsächsischen Fassungen der Zauberformel behalten stets den Text der Virtutes bei.

¹¹ Gemeint ist alles, was am Boden kriecht oder sich windet, und nicht etwa die „Kriechtiere“ (Reptilien) als „Klasse“ der Wirbeltiere.

¹² Das adtendentes autem gehört ursprünglich nicht mehr zur wörtlichen Rede, sondern markiert in den Virtutes die Wiederaufnahme der Erzählung (Attendentes autem populi Iohannem per tres horas vultum habere hilarem et nulla penitus signa palloris aut trepidationis habentem clamare coeperunt...).