Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Tours 34 (deu)

Bestätigung einer Leihe von Grundeigentum

Bestätigungsschreiben eines Abtes an einen Mann über dessen Recht, ein von diesem an die Kirche verkauftes Land gegen eine jährliche Spende für die Beleuchtung bis an sein Lebensende zu halten.

SCHREIBEN EINES ABTES ODER VORSTEHERS EINER KIRCHE

In Gottes Namen [der Soundso]^{1 Die einzige Handschrift überliefert keinen Namen bzw. Platzhalter für die Adresszeile.}, obgleich ein Sünder, Abt an unseren geschätzten Freund Soundso.

Weil es allen allgemein bekannt ist, dass Du die Besitzung Soundso aus Deinem Eigentum, nachdem Du Geld aus dem Schatz des heiligen Soundso erhalten hattest, durch den Rechtstitel eines Verkaufsschreibens^{2 Wohl verkürzt von emptio venditio (nach römischem Recht der formfreie Konsensualvertrag, mit dem eine Übereinkunft über den Austausch von Waren gegen Geld getroffen wurde) etablierte sich in der Spätantike venditio als Bezeichnung für Kaufverträge aller Art. Vgl. dazu Codex Theodosianus 3,1 und 3,4; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 208f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 385f.; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606-609; K.-O. Scherner, Kauf, Sp. 1665f.} verkauft^{3 Im Sinne von „verkaufen“ findet sich distraho auch in anderen Urkunden aus der Merowingerzeit (z.B. DMerov 95).} hast, wobei Du uns dafür auch eine Prekarie^{4 Das frühmittelalterliche precarium findet sich in stark zunehmendem Maße seit dem ausgehenden 7. Jahrhundert in den Quellen. Mit dem precarium wurde Grundbesitz übertragen, wobei das Eigentum am übertragenen Land beim Geber verblieb, während dem Empfänger das Recht zum Nießbrauch eingeräumt wurde. Verbunden war diese Übertragung in der Regel mit der Verpflichtung zu Abgaben und Diensten, wobei die genauen Bedingungen flexibel ausgehandelt werden konnten. Vgl. dazu E. Levy, Vom römischen Precarium, insb. S. 3-5; L. Morelle, Les actes de précaire, S. 610-617; I. Wood, Teutsind, S. 45-47. Precaria bezeichnet in diesem Zusammenhang das vom Landnehmer für den Landgeber ausgestellte Dokument, prestaria das vom Landgeber für den Landnehmer ausgestellte. Vgl. L. Morelle, Les actes de précaire, S. 615-617. Der Verkauf des Landguts ging also mit einer Rückleihe desselben als precarium sowie einer Spende für die Kirchenbeleuchtung einher.} ausgestellt und entschieden hast, dass Du für die Lichter^{5 Zur Beleuchtung von Kirchen wurden zumeist Öllampen genutzt. Sie diente auch liturgischen Zwecken und wurde die ganze Nacht, häufig auch Tag und Nacht, hindurch unterhalten. Vgl. dazu P. Fouracre, Eternal light, S. 68f.; D. R. Dendy, The use of lights, insb. S. 1-71.} zum Fest des heiligen Soundso soundsoviel spendest, haben wir darum mit Zustimmung der Brüder entschieden^{6 Das eigentlich unveräußerliche Kirchengut betreffende Geschäfte waren seit der Spätantike nur dann zulässig, wenn über diese ein Konsens zwischen dem Bischof und Klerus bzw. Abt und Mönchen bestand. Dieses strenge Konsensgebot konnte zusätzlich noch um die Zustimmung des Herrschers erweitert werden. Vgl. dazu S. Esders, Der consensus iuris, S. 449-451.}, Dir dieses Schreiben auszustellen, damit es Dir gestattet sei, denselben Ort in aller Gänze für die Tage Deines Lebens mit Gottes Gnade und nach unserem Willen ohne jedwedes Vorrecht für den heiligen Soundso in üblicher Weise zu halten. Und nach deinem Hinscheiden soll derselbe Ort in aller Gänze und mit aller Habe, die hinzugewonnen wurde, und allem oben genannten an unsere Seite beziehungsweise die der oben genannten Kirche zurückgehen.

Dieses Schreiben haben wir unten mit eigener Hand bekräftigt.