Verkauf eines neugeborenen Findelkindes durch eine Gruppe von Armen der Kirche des heiligen Martin an einen Mann, bekräftigt durch Männer guten Leumunds (
ANNAHMESCHREIBEN1 Der Begriff der collectio ist hier bewusst gewählt, denn er beschreibt sowohl das physische „Aufheben“ oder „Einsammeln“ des im folgenden genannten Findelkindes als auch als rechtlicher terminus technicus die Annahme bzw. Adoption oder den Erwerb durch einen Käufer. Eine Adoption nach unserem Verständnis mit der Annahme an Kindesstatt geschieht hier jedoch nicht. Die matricularii finden zwar das Kind und geben ihm einen Namen aber verkaufen es weiter in die Unfreiheit (in servitiis). Als stehender Begriff für ein entsprechendes Dokument fand die epistola collectionis auch Eingang in die
Wir, nämlich in Gottes Namen die matricularii3 Die matricula bezeichnet im Frühmittelalter das Armenverzeichnis einer Kirche (also die Liste der Bedürftigen, die von der Kirche regelmäßige Almosen erhielten). Die matricularii waren in einer Wohnstätte nahe des Kircheneingangs untergebracht. Seit dem 7. Jahrhundert übernahmen sie zunächst einfache Tätigkeiten. Bis zum Beginn der Karolingerzeit entwickelten sich die matricularii zu einer Kongregation von Dienstleuten. Zur matricula vgl. insb.
Als wir uns in den Morgenstunden vor den Türen derselben Kirche versammelt hatten, um auf sie zu beaufsichtigen, fanden wir dort in unmittelbarer Todesgefahr ein neugeborenes Kindlein5 Im Zusammenhang mit infantulum bezeichnet sanguinolentum (das „bluttriefende“, „blutbeschmierte“) hier ein Neugeborenes, also ein Kind, das gewissermaßen „noch mit Blut beschmiert ist“. in Windeln gewickelt6 Die griffige Junktur ist ein (möglicherweise unbewusstes?) Zitat aus der Weihnachtsgeschichte. Auch wenn hier sicher keine Parallelen zu Christus beabsichtigt waren, zeigt die Junktur, wie stark der Bibeltext und seine Sprachbilder den Sprachgebrauch der Menschen prägten. und fragten mehr als drei Tage lang unter zahlreichen Menschen nach ihm – wer könnte sagen, dass es seines sei? – und fanden [denjenigen] nicht; [und] wir gaben dem [Kind] einen Namen7 Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang die Durchführung einer Taufe, wenn auch die Namensgebung im frühen Mittelalter auch bei der Kindertaufe noch keinen festen Bestandteil des Taufritus bildete. Vgl.
Und damit das vorliegende Schreiben noch festeren Bestand habe, haben wir es unten von eigener Hand bekräftigt und beschlossen, es von Männern guten Leumunds11 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen
„Wenn einer ein Kind aus dem Blut empornimmt oder es aufzieht, soll der Aufziehende, falls einer das Aufgezogene als Herr oder es als Vater annehmen will, entweder einen Unfreien von demselben Wert oder, soviel wie es Wert sein wird, als Preis erhalten“13 Vgl.