Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Sens A 19 (deu)

Königliche Befreiung vom Kriegsdienst

Königliches Schreiben an einen Grafen und die missi über die aus Altersgründen erfolgte Befreiung eines Mannes vom Kriegsdienst und den damit verbundenen Verpflichtungen.

DESGLEICHEN EIN WEITERES SCHREIBEN

Soundso, König der Franken, vir illuster^{1 Der ursprünglich Grafen und hohen Würdenträgern vorbehaltene Titel des vir illuster (vir inluster) wurde unter den frühen Karolingern vorübergehend Bestandteil der königlichen Intitulatio. Vgl. H. Reimitz, Viri inlustres, S. 123–150. Die Intitulatio rex Francorum, vir illuster war vor allem unter Pippin dem Jüngeren (751-768) in Gebrauch. Pippin erweiterte dabei den merowingischen Königstitel rex Francorum um den Verweis auf das Illustrat. Seine Söhne erweiterten den Titel um die Formel gratia Dei, gebrauchten die alte Intitulatio aber noch gelegentlich bis 771/772 Vgl. dazu H. Wolfram, Intitulatio I, S. 208-213. Zum Verschwinden vgl. K. Brunner, Fränkische Fürstentitel, S. 199f.}, an Graf Soundso sowie Eure Untergebenen und Nachfolger und unsere umherreisenden missi^{2 Bereits die merowingischen Könige entsandten Angehörige ihres Hofes als missi zur Erledigung von Sonderaufträgen. Ab dem Ende des 8. Jahrhunderts begannen die karolingischen Herrscher dieses System zu intensivieren. Als persönliche Abgesandte des Herrschers übernahmen diese, oftmals unter den Großen der Zielregion rekrutierten missi dominici mannigfaltige Aufgaben, unter anderem in der Kontrolle der lokalen Amtsträger, der Fiskalgüter und der Rechtsprechung. Vgl. zu den karolingischen missi insb. Sh. Kikuchi, Herrschaft; L. Jégou, Les déplacements; J. Hannig, Pauperiores vassi.}.

Ihr sollt wissen, dass der anwesende Soundso Folgendes als ein Almosen von uns hat: Weil der Soundso ein Greis ist, haben wir ihm solches gewährt, nämlich dass er von jeglichem Kriegsdienst^{3 Während prinzipiell war jeder besitzende Freie heerespflichtig war, wurde das Heer in der Praxis aus den persönlichen, aus professionellen Kriegern bestehenden Gefolgschaften des Herrschers und der Großen gebildet und nur bei Bedarf durch lokale Aufgebote verstärkt. Die Bedeutung dieser lokalen Aufgebote wuchs in karolingischer Zeit mit den durch die Einfälle von Wikingern, Ungarn und Sarazenen anwachsenden defensiven Aufgaben. Vgl. dazu Ch. Haack, Die Krieger, S. 112-122, 139-156 und 206-209; G. Halsall, Warfare and society, S. 46-56, 90-95 und 109f.; B. S. Bachrach, Charles Martell; L. Sarti, Perceiving war, S. 24-29 und 172-174.}, jeder Einberufung^{4 Als bannus wurde im fränkischen Reich das Herrschaftsrecht des Königs bezeichnet, aus welchem sich seine Handlungen legitimierten. Es gliederte sich in die Bereiche der verordnenden Gewalt einerseits und der vollstreckenden Gewalt andererseits. Auch aus diesen Gewalten abgeleitete Handlungen konnten als bannus bezeichnet werden, so Dekrete und Verordnungen, die Einberufung zum Heeresdienst oder auch mit der Durchsetzung dieser Verordnungen verbundene Strafen. Vgl. dazu insb. A. de Sousa Costa, Studien, S. 74-89; S. Esders, Amt und Bann, S. 282; K. Bayerle, Einsatzfelder, S. 14-22.} und allen Kriegssteuern^{5 Beim haribannus konnte es sich um eine Bußzahlung handeln, die unentschuldigt dem Heerzug ferngebliebene zu entrichten hatten, oder um eine Abgabe, die von den nicht zum Kriegszug angetretenen Freien zu entrichten war. In karolingischer Zeit betrug der haribannus zumeist 60, seltener auch 30 solidi. Vgl. dazu A. de Sousa Costa, Studien, S. 116-118; Ch. Haack, Die Krieger, S. 87. Zu weiteren Bedeutungen von haribannus (Anordnung zur Teilnahme am Heeresaufgebot, Heeresaufgebot oder auch Aktion, die nicht ohne den Heerführer durchgeführt werden darf) vgl. A. Krah, Heerbann, Sp. 851.} entbunden sei, so dass weder Ihr noch Eure Untergebenen und Nachfolger es wagen sollt, den Soundso deshalb zu belästigen oder zu berauben, und Ihr dürft auch nicht zulassen, dass das man das tut; aber es ist demselben gestattet, mit der Gnade Gottes und unserer Gnade unbehelligt auf seinem eigenen Besitz zu leben und zu wohnen. Und damit Ihr dies noch gewisslicher glaubt, haben wir es unten von eigener Hand bekräftigt und mit unserem Ring besiegelt^{6 Zu dieser Art von Mandaten mit Privilegiencharakter in der Karolingerzeit vgl. R.-H. Bautier, La chancellerie, S. 62-65; M. Mersiowsky, Regierungspraxis, S. 156f.}.