Schreiben eines Klerikers an einen Bischof mit Bitte um Empfehlung an einen anderen Bischof.
1 [Ohne Titel]1 Das nachfolgende Stück wird lediglich von P12 überliefert und hat keinen Eingang in die weitere Rezeption der Sammlung gefunden. Es ist gut möglich, dass die Formel erst bei der Zusammenstellung von P12 dem Material hinzugefügt wurde. Bei der vorliegenden Formel handelt es sich um eine aufbereitete Fassung von Venantius Fortunatus, Carmina III,2 (†~600). Der ursprüngliche Brief richtete sich an Bischof Eufronius von Tours (†573) und entstand nach Wolfgang Fels 568. Hier zeigt sich deutlich das „Wachsen“ einer Formelsammlung im Laufe der Überlieferung und die Entstehung einer Formel aus einem tatsächlich existierenden Vorbild. Als nützlich erachtetes Material wurde anonymisiert und einer bestehenden Sammlung oder einer Handschrift mit ausgehobenem Formelgut hinzugefügt. Echte Varianten gegenüber den kritisch edierten Fassungen des Schreibens bei F. Leo (Hg.), Venanti Honori Clementiani Fortunati presbyteri Italici Opera poetica,
An den heiligen Herrn und mir im Herrn zu eigenen Schutzherrn Bischof2 Der Titel papa ist in Spätantike und Frühmittelalter eine von sieben möglichen Bezeichnungen für den Bischof. Die Reihe presbyter, antistes, praesul, pontifex, sacerdos und papa findet man unter anderem bei
Die reiche und überfließende Süße Eures Herzens, die Du, Eure Seligkeit, allerliebster Vater, das bekenne ich, aus Wohlwollen meiner Person vollfüllst, wer3 Hier weicht die Formel mit der dunklen Formulierung inplendis siquis deutlich von Venantius’ Text (inpendisse quis) ab. Bei inp(l)endis siquis scheint es sich um den Versuch zu handeln, den sperrigen Infinitiv inpendisse, der zu einem verschränkten ACI gehört, der von fateor abhängt, zu „verbessern“. Das eigentlich zum ACI gehörige vestram beatitudinem ist nun als Nominativ aufzufassen und siquis ist hier dann wie ein verstärktes quis zu verstehen. Der ursprüngliche Wortlaut ließe sich mit „... ich bekenne, dass Eure Seligkeit, oh allerliebster Vater, sie aus Wohlwollen für meine Person aufgewendet hat, wer könnte...“. könnte jene, wie es würdig ist, entweder mit dem Herzen erfassen oder vermag sie mit Sprache auszudrücken? Sie zog mich so sehr mit einem Band bewundernswerter Liebe an sich heran, dass ich nicht einmal beabsichtige, mich für die Spanne einer Stunde von jenem Anblick zu trennen, den ich, auch falls ich ihn nicht vor Augen habe, doch in der Wohnung meines Herzens verwahrt und eingeschlossen festhalte. Wer nämlich, in dem die Wohltaten solcher Güte vorhanden sind, ergibt sich nicht Eurer Frömmigkeit zu eigen? Oder welchen Unwilligen magst Du nicht zu deiner Süße führen, dem wir zuerkannten, dass seine Seele freigiebig mit unaussprechlicher Liebe sei? Inwiefern aber mag ich jenes mit Bewunderung erfassen, wenn ich Dich alle solcherart lieben sehe, so als ob Du einen jeden einzelnen aus Deinem eigenen Leib hervorgebracht hättest? Wer aber von Deinen Söhnen wünscht sich, übrig zu bleiben4 Der ursprüngliche Venantiusbrief hat superbus esse „hochmütig sein“., wenn er Dich5 Das Eintreten von d für t im Anlaut ist im Frühmittelalter keineswegs selten und findet sich vor allem im romanisch geprägten Bereich; zu de für te