Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Marculf Ergänzung 1,1 (deu)

Arenga

Arenga für Stiftungen an die Kirche

1 ES BEGINNT EIN PROLOG AN ALLE GEIZIGEN MÄCHTIGEN^{1 Die Stücke der Gruppe 1 scheinen sich bereits sehr früh an das Marculfmaterial angelagert zu haben, denn sie flankieren den Stoff in beiden vollständigen Fassungen der Sammlung sowie der nahezu vollständigen Fassung der Leidener Handschrift, fanden jedoch keinen weiteren Eingang in die mittelalterliche Rezeption der Sammlung. Weder Zeumer noch Uddholm nahmen die Stücke in ihre jeweiligen Editionen auf, Zeumer gab jedoch eine erste Edition der beiden ersten Stücke auf Basis von P12 in seinem Aufsatz „Über die älteren fränkischen Formelsammlungen“ (K. Zeumer, Formelsammlungen, S. 21-22; Sigle: Zeua). A. Rio, The formularies, S. 240-244 edierte die Stücke erstmals komplett auf der Grundlage von P16 unter dem Titel „Three more Texts from the Manuscripts of Marculf“ (Sigle Rio). K. Zeumer, Formelsammlungen, S. 23 wies auf die Möglichkeit hin, dass sich bei den Stücken der Gruppe 1 ursprünglich um Randnotizen in tironischen Noten gehandelt haben könnte, die mitkopiert und aufgelöst wurden. Auf den frühen Zeitpunkt der Anlagerung hat bereits A. Rio, Legal Practice, S. 93 hingewiesen.}

Als reicher Stifter erwähle ich mir schon lange viel lieber Ausgaben^{2 In der Bedeutung „Kosten“ dringt der sprechlateinische Neologismus custa = costa (abgeleitet von co(n)stare „kosten“) auch als cost bzw. coste ins Altfranzösische ein.} am Vermögen^{3 Im übertragenen Sinn „Schatz(-kammer)“ oder „Vermögen“ findet sich die iambria = cambria = camera („Gewölbe) unter anderem in den Gesta Dagoberti (Gest. Dag. 33).}, die eines Königs würdig wären^{4 Reichtum galt im frühen Mittelalter, trotz seiner Verurteilung in der Bibel, nur dann als schlecht, wenn er nicht richtig eingesetzt wurde. Großzügigkeit, insbesondere gegenüber der Kirche, galt mithin als erstrebenswerte Tugend, die insbesondere auch von Herrschern und Großen erwartet wurde. Vgl. dazu H.-W. Goetz, Idéologie, insb. S. 37-44; S. Patzold, Noblesse oblige.}, statt barem Gold^{5 Bei den aurei handelt es sich eigentlich um „Goldmünzen“ oder „-unzen“. Der Aussteller entscheidet sich für himmlischen statt irdischen Besitz, da er die Ausgaben zu Gunsten der Kirche im Paradies zurückerhalten wird. Im weiteren Verlauf der Arenga wird das Zurückbehalten und Vererben von irdischem Besitz dann auch explizit getadelt.}. Viele hatten Besitz, die Nachfolger nehmen das Vermögen weg; das ist Eitelkeit^{6 Das Irdische und insbesondere der (materielle) Besitz sind vergänglich und damit nichtig.}; in dieser Hinsicht mag der Unglückliche, der als Besitzender zu den Wohnungen in der Höhe^{7 Gemeint ist der Übergang ins Himmelreich. Der Verfasser spielt hier auf die „vielen Wohnungen“ im Haus des Herrn aus Io 14,2 (in domo Patris mei mansiones multae sunt) an.} hinübergeht, auf ewig nur sehr wenig erlangen.