TAUSCH1 Das concambium diente in frühen Mittelalter neben commutatio und permutatio als eine der Bezeichnungen für die vielfältigen Formen von Tauschvorgängen, deren gemeinsames Element die Gegenseitigkeit des Vorganges war. Grundsätzlich galt, dass durch den Tausch keine der beteiligten Parteien schlechter gestellt werden durfte. Vgl. dazu I. Rosé, Commutatio; T. Mayer-Maly, Pactum, S. 222-224; Ph. Depreux, The development of charters, S. 48-53. VON LANDGÜTERN
Unter wem ungeschmälerte Liebe herrscht, gewährt man sich gegenseitig angemessene Wohltaten2 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f. Hier liegt ein Gebrauch im Wortsinn vor., weil einer für sich etwas nicht als Verlust an seinem eigenen Vermögen wahrnimmt, wenn er im Gegenzug etwas als Zugewinn erhält3 Dieselbe Arenga verwendet auch das 23. Stück (Zählung nach der Edition Zeumer) der sogenannten Formulae Salicae Merkelianae (Vatikan, BAV, Reg. Lat. 612, fol. 13v) für eine eigenständige Tauschformel..
Es wurde also mit Erlaubnis des vir apostolicus Soundso4 Die Bezeichnung vir apostolicus wurde seit dem 6. Jahrhundert nahezu ausschließlich für Bischöfe verwendet. Vgl. dazu E. Jerg, Vir venerabilis, S. 174f. und 183. zwischen dem vir venerabilis Soundso5 Aus dem folgenden Text geht hervor, dass es sich bei diesem vir venerabilis um einen Abt handelte. Dieser stand offenbar nicht einem Kloster, sondern einer basilica vor, welche der Verantwortung des Bischofs unterstand. Vgl. zum Abt als Leiter von Basiliken und anderen Kirchen L. Pietri, Abbés de basilique, S. 5f. und 25-27; L. Levillain, Études sur l’abbaye de Saint-Denis 2, S. 52-62. und dem vir illuster Soundso6 Die Bezeichnung als vir illuster weist auf eine hochrangige Person aus dem Laienstand hin. Eine stärkere Verbindung mit dem Titel des comes findet sich erst ab dem 9. Jahrhundert. Vgl. dazu H. Reimitz, Viri inlustres, S. 123–150. für gut befunden und vereinbart7 Die Junktur placuit atque convenit findet sich bereits in der frühesten Fassung des Pactus legis salicae und könnte auf Vorbilder im römischen Recht (vgl. Ulpian, Digesten II,14,1,1-3) zurückgehen. Vgl. dazu O. Guillot, Clovis, le droit romain, S. 61-84 und S. Kerneis, Le pacte, S. 130f., dass sie miteinander einige Orte tauschen sollten. Dies taten sie so auch. Der vir venerabilis Soundso gab also dem Soundso aus dem Anteil der Kirche des heiligen Soundso einen Ort namens Soundso, der da und da liegt, (und er gab) dem erwähnten Soundso was auch immer er daselbst aus irgendeiner8 Das qualibet wird hier wie quolibet gebraucht. Bereits seit der Spätantike verdrängte qualibet zusehends andere Formen von quilibet; vgl. P. Stotz, Handbuch 4, VIII, §68.2, S. 135f. Erwerbung hielt, samt Ländereien, Häusern, Gebäuden, Landpächtern, Unfreien, Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, Weiden, fließenden und stehenden Gewässern und allem was daselbst dazugehört, (und) in gleicher Weise gab der oben eingetragene Soundso zum Ausgleich für diese Wohltat zum Anteil des erwähnten Abtes Soundso und der vorgenannten Kirche einen anderen Ort namens Soundso, der da und da liegt, (und) was auch immer er zum gegenwärtigen Zeitpunkt daselbst aus jeglicher Erwerbung hatte, samt Ländereien, Häusern, Gebäuden, Landpächtern, Unfreien, Weinbergen, Wäldern, Feldern, Wiesen, Weiden, fließenden und stehenden Gewässern und allem was daselbst dazugehört, so dass sie – ein jeder [von denselben] – sich von diesem Tage an der uneingeschränkten Verfügungsgewalt erfreuen mögen, die erwähnten Orte, die sie empfangen hatten, zu haben, zu halten und künftig (damit zu tun), was auch immer sie zu ihrem Nutzen und Gewinn zu tun beschließen.
Es ziemt sich freilich dies hier zu ergänzen, nämlich dass, falls eine Seite von denselben oder deren Erben oder Nachfolger dies verändern oder sich ihm widersetzen will, muss sie die Sache, die sie bekommen hat, aufgeben und überdies muss derjenige, der es gewagt haben wird, dies zu tun, seinem Partner soundsoviele Pfund Gold, soundsoviele Pfund an Silber9 Zur Frage des Verhältnisses libra und pondus sowie von Gold und Silber in frühmittelalterlichen Poenformeln F. Boye, Poenformeln, S. 117-119. bezahlen und, was er fordert, soll er nicht erreichen können, denn sie sollen das vorliegende10 Die Leidener (Le1) sowie die jüngere Pariser Fassung (P16) des Formelmaterials überliefern jeweils eine Form von commutatio (Tausch) als Ergänzung zu praesens. Im Leidener Fall ist es der „vorliegende Tausch“ (praesens conmutacio) während Paris vom „vorliegenden (Dokument) über den Tausch“ (praesens conmutacionis) spricht. Dem üblichen Schema der Formeln folgend wäre an dieser Stelle allerdings erneut der Begriff aus dem Incipit, im vorliegenden Fall also concambio bzw. concambio zu erwarten gewesen., über das sie sich untereinander zwei bekräftigte und unverletzliche [Schreiben]11 Vergleicht man den Wortlaut mit den übrigen Formeln, die eine vergleichbare Bestimmung enthalten, scheint hier ein epistulas ausgefallen zu sein. gleichen Inhalts ausstellten12 Die Ausfertigung jeweils eines Exemplars derselben Urkunde für jede der am Vorgang beteiligten Parteien findet sich bereits in römischer Zeit. Sie wurde vor allem dann vorgenommen, wenn in der entsprechenden Urkunde Rechtstitel an mehrere Parteien verliehen wurden. Derartige Mehrfachausfertigungen sind in fränkischer Zeit vor allem für Tauschgeschäfte und Prekarien überliefert. Vgl. dazu H. Bresslau, Handbuch I, S. 668 mit Anm. 1; K. Groß, Visualisierte Gegenseitigkeit, S. 160-167., [für alle Zeiten] bewahren.
[Gegeben samt] einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung13 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31.. Geschehen in Soundso.