SCHENKUNG1 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. EINER KLEINIGKEIT AN EINE KIRCHE
Wenn wir irgendetwas von unserer Habe an Stätten der Heiligen und zur Versorgung der Armen übertragen, werden wir darauf vertrauen, dass es sich für uns zweifellos mit ewiger Seligkeit auszahlt.
Daher schenke in Gottes Namen ich, der ich mit Namen Soundso heiße, aus Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus und zur Vergebung meiner Sünden, damit ich es mir verdiene in Zukunft Gnade für meine Vergehen zu erlangen, an die Kirche2 Die basilica bezeichnet Gegensatz zu ecclesia auch immer einen konkreten Kirchenbau. Die Frage ob ecclesia oder basilica die größere/bedeutendere Kirche ist, hängt oftmals vom Autor ab. Bei Gregor von Tours sind die ecclesiae bedeutender als die basilicae (so die Beobachtung von Gregor Übersetzer R. Buchner, Gregor von Tours II, S. 469). Hier bezeichnet basilica offenbar ein Märtyrergrab, denn im Folgenden ist vom Abt der Basilika die Rede. Soundso, die zu Ehren des Heiligen Soundso errichtet wurde, meinen Anteil am Soundso genannten Landgut im Gau Soundso, und ich wünsche, dass das Geschenkte dauerhaft Bestand habe. Ich wünsche, dass was auch immer ich dort gegenwärtig entweder aus dem Eigengut3 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten und nicht auf andere Weise erworbene Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, 143-172. meiner Eltern oder sonst irgendeiner4 Das qualibet wird hier wie quolibet gebraucht. Bereits seit der Spätantike verdrängte qualibet zusehends andere Formen von quilibet; vgl. P. Stotz, Handbuch 4, VIII, §68.2, S. 135f. Erwerbung besitze, vollständig und zur Gänze an die vorgenannte Kirche geschenkt sei und zwar unter der Voraussetzung, dass ich, solange ich am Leben sein werde, das ganze ohne irgendeinen Nachteil oder irgendeine Verschlechterung an irgendeiner Sache für die vorgenannte Kirche, zum Gebrauch als beneficium5 Im Wortsinne „Wohltat“, „Gunstbezeugung“ oder „Gabe“ wurde beneficium seit dem 7. Jahrhundert zunehmend auch in Verbindung mit der prekariatischen Landleihe gebraucht und entwickelte sich in der Folge zum terminus technicus für die zeitlich befristete Landleihe zum Nießbrauch. Vgl. dazu É. Lesne, Les diverses acceptions, S. 5; B. Kasten, Beneficium, S. 253f.; P. Fouracre, The use of the term beneficium, S. 62 und 70f. bewirtschaften darf. Nach meinem Hinscheiden jedenfalls, wenn Gott [mich] von diesem Licht abberufen haben wird, sollen der Abt derselben Kirche6 Abbates finden sich im frühen Mittelalter nicht nur als Klostervorsteher, sondern auch als Leiter von Basiliken mit Märtyrergräbern nebst den dazu gehörenden Klerikergemeinden und auch anderen Kirchen. Vgl. L. Pietri, Abbés de basilique, S. 5f. und 25-27; L. Levillain, Études sur l’abbaye de Saint-Denis 2, S. 52-62. oder seine agentes7 agens „der/die Tätige“ (von agere) bezeichnet häufig den Bevollmächtigten (z.B. Vogt oder Meier) eines Herrn oder einer Institution und dient als Synonym für advocatus, villicus oder procurator; dazu C. v. Schwerin, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, S. 92. es ab diesem Zeitpunkt ohne Aussicht auf irgendeine Abgabe für einen der Amtmänner8 Als iudex konnten in der fränkischen Zeit Amtsträger aller Art bezeichnet werden, die Herrschafts- oder Disziplinarakte ausübten. Vgl. dazu J. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 204f.; S. Barbati, Studi sui iudices. oder für einen unserer Erben und ohne Ungemach mit samt Grund und Boden, Häusern, Gebäuden, Landpächtern9 Der accola (acolabus ist eine Nebenform zu accolis) bezeichnet ursprünglich den „Anwohner“/„Nachbar“, abgeleitet aus accolere „in der Nähe wohnen“. Die Volksrechte (u. a. Lex Baioariorum I,13) setzen den accola dann mit dem colonus gleich. Spätestens in der Karolingerzeit bezeichnet accolae im übertragenen Sinn dann auch das Land, das von Pächtern bewirtschaftet wird (Annales Bertiniani a.866)., Unfreien, Feldern, Weinbergen, Wäldern, Wiesen, Weiden, stehenden und fließenden Gewässern und den übrigen, wie auch immer gearteten beneficia, unter ihre Herrschaft zurückführen, um es für immer zu besitzen. Sie sollen in allen Belangen die uneingeschränkte Macht haben, es zu haben, zu halten und zu tun, was auch immer sie fortan zum Nutzen für die vorgenannte Kirche beschließen mögen.
Falls aber jemand – auch wenn wir nicht glauben, dass das geschehen wird – seien es wir selbst – was fern sei – oder irgendeiner von unseren Erben oder irgendein Gegner es wagen sollte, von Verschlagenheit getrieben oder Begierde ergriffen gegen dieses Schreiben über unsere Schenkung, die wir aus freiem Willen heraus um des Namens des Herrn willen zu tätigen beschlossen, vorzugehen oder sie zu brechen, soll ihn der Zorn der dreifaltigen Majestät treffen und er muss vor dem Richterstuhl Christi dem oben niedergeschriebenen heiligen Soundso10 Es handelt sich hier um den Schutzheiligen der Kirche, wie die Anwendung dieser und vergleichbarer Poenformeln in der Praxis zeigen (z.B. St. Gallen 107: et cum suprascripto sancto Gallo ante tribunal Christi deducat rationes inferat). gegenüber Rechenschaft ablegen. Obendrein muss er den Teilen derselben Kirche unter Zwang durch den fiscus soundsoviel Gold, soundsoviel Silber hinzufügen11 Zur Frage des Verhältnisses von Gold und Silber in frühmittelalterlichen Poenformeln vgl. F. Boye, Poenformeln, S. 117‑119. und was er fordert, soll er nicht erreichen, denn das vorliegende Schreiben soll für alle Zeiten fest und unversehrt bestehen bleiben.
[Gegeben samt] einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung12 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31..