DESGLEICHEN FÜR EINE SCHENKUNG1 Mit donatio wurde im römischen Recht die Schenkung bezeichnet. Seit Konstantin dem Großen (†337) war die donatio ein Geschäftstyp eigener Art, der wie der Kauf den Übergang des Eigentums unmittelbar bewirkte. Wie dieser musste sie vor Zeugen stattfinden, schriftlich niedergelegt und öffentlich registriert werden. Vgl. dazu E. Levy, West Roman vulgar law, S. 138f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 394-399. ZUM HEUTIGEN TAGE
An den Herrn über die hochheilige Kirche des heiligen Soundso, die im Kloster Soundso – oder einen anderen Ort – errichtet wurde, dem der vir venerabilis Abt Soundso – beziehungsweise der Bischof oder Priester – mit seinen Klerikern beziehungsweise Mönchen vorsteht2 Die Adresszeile der Formel wurde in Ko2 vom Rest getrennt und erscheint dort als Adresszeile einer eigenen Formel (Flavigny Ko 1c)., ich der Soundso3 Die Formel bietet dem Benutzer unterschiedliche Möglichkeiten für die Lokalisierung der Kirche des Adressierten und ihre Leitung. Einem weniger geübten Schreiber wurden so Beispiele an die Hand gegeben, um selbst eine Adresszeile für einen entsprechenden Fall entwerfen zu können..
Weil ich über die Liebe Gottes und den ewigen Lohn nachsinne, trete ich deshalb zum heutigen Tage – und ich möchte, dass die Abtretung von Dauer sei – an die vorgenannte Kirche und die Mönche, die dort leben, meine Anteile an den Orten ab, die Soundso und Soundso heißen4 Die Form loca ... illa ist Plural; es ist nicht klar, um wie viele Orte es geht. P3 überliefert an dieser Stelle nur den Singular, aber im Folgenden ist stets von mehreren Orten die Rede. Die konkurrierende Tradition von Ko2 hat richtigerweise durchgehend den Plural., und im Gau Soundso liegen, was5 Das que steht hier für ein quod. Dieses Eintreten von qu(a)e als allgemeinem Relativpronomen ist ein Symptom für den Übergang des Lateinischen zum Romanischen und ist typisch für die fränkische Latinität. Zu que als allgemeinem Relativpronomen vgl. P. Stotz, Handbuch 4, VIII, §66.1, S. 132. mir entweder aus Eigengut6 Mit allodium wurde in der Merowingerzeit zunächst der eng mit dem erbbaren oder ererbten verbundenen und nicht auf andere Weise erworbenen Grundbesitz bezeichnet. Im Laufe der Karolingerzeit schwächte sich diese Trennung ab. Seit dem 10. Jahrhundert konnte allodium damit jede Form keinerlei Einschränkungen unterliegenden und frei verkäuflichen Grundbesitzes bezeichnen, der als Erbe weitergegeben werden konnte und für welchen lediglich an den fiscus Abgaben zu leisten waren. Vgl. dazu T. Rivers, Meaning, S. 26f.; H. Dubled, Allodium, S. 242-246; E. Magnou-Nortier, Recherches sur l’alleu, S. 143-172. oder aus einem Kauf oder sonst einer7 Das quacumlibet steht hier für ein quo(cum)libet. Die Ausbreitung von qua- und seinen zusammengesetzten Formen und ihr Eintreten für die entsprechenden flektierten Formen mit qui-/quae/quod ist typisch für die frühmittelalterliche Latinität. Zu diesem Phänomen vgl. P. Stotz, Handbuch 4, VIII, §68, S. 135f. Erwerbung zukam oder rechtmäßig an den oben genannten zukommen kann: sowohl die Ländereien [als auch] die Häuser, Gebäude, die Unfreien, die Freigelassenen8 Freigelassene verblieben nach ihrer Freilassung zumeist in der Patronatsgewalt ihres Freilassers. Dessen Schutz war häufig mit der Verpflichtung zu exakt festgelegten Diensten und Abgaben verbunden. Im Laufe des Frühmittelalters wurde libertus zunehmend zu einem vererbbaren Stand, während sich zugleich die Beziehung zwischen Freigelassenem und Freilasser allmählich entpersonalisierte. Seit dem 8. Jahrhundert scheinen die Grenzen zwischen liberti und servi, aber auch zwischen liberti und ingenui durch die Fixierung der Lasten zunehmend verschwommen zu sein. Vgl. dazu J.-P. Devroey, Puissants, S. 270; A. Rio, Slavery, S. 75-79; H. Grieser, Sklaverei, S. 150-153; S. Esders, Formierung, S. 23 und 30-33; H.-W. Goetz, Serfdom, S. 34; W. Rösener, Vom Sklaven zum Bauern, S. 85-87., die Landpächter9 Der accola (acolabus ist eine Nebenform zu accolis) bezeichnet ursprünglich den „Anwohner“/„Nachbar“, abgeleitet aus accolere „in der Nähe wohnen“. Die Volksrechte (u. a. Lex Baioariorum I,13) setzen den accola dann mit dem colonus gleich. Spätestens in der Karolingerzeit bezeichnet accolae im übertragenen Sinn dann auch das Land, das von Pächtern bewirtschaftet wird (Annales Bertiniani a. 866)., Einkünfte von den Pachtpflichtigen, die Weinberge, Wälder, Wiesen, Weiden, die bebauten und unbebauten Felder, die stehenden und fließenden Gewässer, die bewegliche und unbewegliche Habe, samt allem, was dazu gehört und davon abhängt, sowie den Pachthöfen10 Bei den colonicae scheint es sich um von abhängigen Personen bewirtschaftete Königs- oder Fiskalgüter gehandelt zu haben. Vgl. S. Sato, La colonica rémoise., die es umfasst. In aller Gänze und mit allem oben Dargelegten übergebe und übertrage ich alles, was auch immer man in den oben genannten Gauen benennen oder aufzählen kann und was ich dort überall an den oben genannten Anteilen halte, dauerhaft, vollständig und zur Gänze zum heutigen Tage an das schon erwähnte Kloster und an die Mönche, die dort leben. Aus meinem rechtmäßigen Vermögen übergebe ich es als Besitz in Eure Herrschaft, sodass sie vom heutigen Tage an in allen Belangen die uneingeschränkte und allerbeständigste Macht dazu haben, damit zu tun, was auch immer sie künftig damit tun wollen.
Falls es aber irgendjemanden geben sollte, ich glaube nicht, dass das in Zukunft geschehen wird, sei es ich selbst oder einer meiner Erben oder ein Abgesandter oder Gegner oder sonst irgendjemand, der sich anschickt, gegen diese meine Abtretung, die ich guten Willens auszufertigen und zu bekräftigen bat, vorzugehen, etwas zu unternehmen oder Widerstand zu leisten oder sie auf irgendeine11 Das quacumque steht hier für ein quibuscumque (vgl. oben quacumlibet für quocumlibet). Die Ausbreitung von qua- und seinen zusammengesetzten Formen und ihr Eintreten für die entsprechenden flektierten Formen mit qui-/quae/quod ist typisch für die frühmittelalterliche Latinität. Zu diesem Phänomen vgl. P. Stotz, Handbuch 4, VIII, §68, S. 135f. Art und Weise zurückzunehmen oder zu brechen, soll er das, was er fordert, nicht erreichen und muss darüber hinaus der Seite des oben erwähnten Klosters und den Mönchen die eben dort leben das Doppelte12 Die Strafzahlung in Höhe des doppelten Wertes (duplum) war bereits in der antiken Praxis weit verbreitet. Vgl. dazu J. Studtmann, Die Pönformel, S. 255-262 und 276-285; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 111-117; H. Siems, Handel und Wucher, S. 647. von dem bezahlen, was dieselben Besitzungen zu diesem Zeitpunkt an Wert hinzugewonnen haben werden, und darüber hinaus muss er als dazu Gezwungener dem beteiligten fiscus als Strafe13 Der Begriff multa bezeichnet seit vorklassischer Zeit eine „Strafe am Eigentum“ als Buße für zugefügten Schaden, im Kontext der Volksrechte also zumeist eine „Geldbuße“ oder „Strafzahlung“. ein Pfund Gold bezahlen14 Bei Bußzahlungen an geschädigte Parteien ging in der Regel die Hälfte oder ein Drittel der Summe an den fiscus, der wiederum ein Drittel dem für die Rechtsprechung zuständigen Amtsträger überließ (so auch, wenn der fiscus selbst Empfänger der gesamten Bußzahlung war). Die Beteiligung des fiscus sollte wohl auch als Anreiz für dessen Vertreter dienen, im Falle eines Rechtsstreites zu intervenieren. Vgl. dazu J. Durliat, Finances publiques, S. 219; S. Esders, Eliten und Strafrecht, S. 268., und diese Abtretung15 Bereits in der Spätantike hatte sich cessio, ursprünglich nur für Forderungsabtretungen gebraucht, zum wichtigsten Begriff für Eigentumsübertragungen entwickelt. Vgl. E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 149f.; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 274 und 452 Anm. 4; T. Mayer-Maly, Kauf, Tausch und pacta, S. 606. soll für alle Zeiten fest bestehen bleiben.
Mit hinzugefügter eidlicher Zusicherung16 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31..
Geschehen am Ort Soundso.