ES BEGINNEN WEITERE BRIEFE UNTERSCHIEDLICHER ART
Dem gütigen und wohlwollenden Soundso [entbiete] ich, der Soundso, unbedeutend und doch in jeder Hinsicht Euer Getreuer, einen Gruß im Herrn1 Frühmittelalterliche Briefkommunikation diente neben dem Austausch von Nachrichten oft auch der Versicherung des gegenseitigen Wohlwollens und der Stärkung sozialer Bande. In ihrer Gestaltung folgten die Briefe häufig bestimmten Konventionen, wie dem Lob des Empfängers und der Betonung der eigenen humilitas (Bescheidenheitstopos). Ihr Stil war oft vom Bemühen geprägt, die eigene Bildung durch die Demonstration der sprachlichen Fähigkeiten zur Schau zu stellen. Darüber hinaus konnte der eigene Status auch durch den Verweis auf persönliche Verbindungen und Einflussmöglichkeiten unterstrichen werden. Diskretere inhaltliche Belange wurden dagegen zumeist den die Briefe überbringenden Boten in mündlicher Form anvertraut. Vgl. dazu B.-J. Schröder, Bildung und Briefe, S. 150-156; V. Scior, Vergegenwärtigung; F.-L. Ganshof, Merowingisches Gesandtschaftswesen, S. 174-182..
Eure einflussreiche Hoheit soll außerdem wissen, dass wir für Euch die Gnade des Herrn erbitten, der Euch die Glückseligkeiten dieser Welt gewähre und Euch nach Ablauf des Lebens zu noch Besserem und nicht in Worte zu Fassendem führen soll. Ich mache Eurer von mir geliebten und von mir hoch zu verehrenden Barmherzigkeit außerdem bekannt, dass ich mich mit meinem Herrn auf die nun bevorstehende Reise in die galicischen Lande2 Galicien, Comunidad Autónoma, Spanien. Die Hintergründe der Reise sind unbekannt. Von K. Zeumer, Formelsammlungen, S. 82f. mit Feldzügen Karls des Großen nach Spanien 778 und Ludwigs des Frommen als König von Aquitanien 797 in Verbindung gebracht. Der Feldzug 778 führte nach Pamplona und Saragossa, der von 797 nach Huesca, alle weit östlich von Galicien. Möglicherweise steht die Reise in Zusammenhang mit Kontakten mit König Alfons II. von Galicien und Asturien, der 797/798 zwei Gesandtschaften mit Geschenken an den Hof Karls des Großen sandte (vgl. Annales Einhardi a. 797 und 798, Annales regni Francorum a. 798). Einen Anlass für die Reise könnten auch die Streitigkeiten um den von Bischof Felix von Urgell († 818) vertretenen Adoptianismus, die in den Jahren bis 799 ihren Höhepunkt und Abschluss fanden, geboten haben, wenn auch dessen Bistum wiederum in Katalonien lag. Vgl. dazu C. Chandler, Agobard and Adoptionism; M. Kloft, Der spanische Adoptionismus. Zumindest nicht ausgeschlossen ist ein Zusammenhang der Reise mit dem seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in der Comarca von Amaia (heute Santiago de Compostela) verorteten Grab des Apostels Jacobus des Älteren, das zwischen 818 und 834 zum Wallfahrtsort wurde und von dessen Verehrung bereits Florus von Lyon in seinem Martyrologium (PL 94, Sp. 926A, zu VII. Kal. Junii) im 2. Drittel des 9. Jahrhunderts berichtet. Vgl. zur Frühgeschichte Santiagos und des Jakobskultes O. Engels, Die Anfänge; J. v. Herwaarden, The origins; allgemein auch K. Herbers, Santiago de Compostela. machen muss. Ich habe freilich an den Herrn Bischof Ado3 K. Zeumer, Formelsammlungen, S. 82 identifiziert den Bischof mit Ado von Lyon (768-798). Die Bischöfe Lyon hatten Ende des 7. Jahrhunderts den Status als Metropoliten verloren. Erst Ados Nachfolger Leidrad ist 811 wieder als archiepiscopus belegt, wird 800 aber noch als episcopus tituliert. Vgl. D. C. Pangerl, Die Metropolitanverfassung, S. 73-75. Erzbischof Ado von Vienne (860-875) und Bischof Ado von Valence (835-842) scheiden wegen der Datierung der Handschrift aus. Zumindest unter Ados Nachfolgern Leidrad (798-814) und Agobard (814-840) bestanden in Lyon starke Verbindungen zur Iberischen Halbinsel und den von dort ins Frankenreich geflohenen Hispani. Vgl. dazu C. Tignolet, Les Hispani. einen Brief gesandt, den ich mit dem Griffel meiner Bescheidenheit eingeritzt4 Der stilus ist zugleich der Stil, das in stilo exarare angelegte Wortspiel aus „mit dem Griffel einritzen“ und „im Stil verfassen“ ist letztlich unübersetzbar. Das Verb exarare „durchpflügen“ bezieht sich im Kontext des Schreibens vor allem auf Wachstafeln, die beim Beschriften „durchfurcht“ werden. Möglicherweise wurde der Brief an Bischof Ado sogar in Form einer Wachstafel übersandt. habe, und erbat die Dinge, wegen der ich kürzlich als Bittsteller zu ihm kam, [und] über die Ihr vollständig Bescheid wisst, denn jemand, der so klug ist, wie Ihr es seid, begreift nach wenigen Worten viel. Die Sache, um die ich Erzbischof Soundso bis zur Ankunft des Bischofs5 Gemeint ist wohl der bereits genannte Ado. bat, hat sich nämlich gerade gegenüber dem Zeitpunkt, als ich dort war, derart gewandelt, dass Herr Soundso6 Wohl der Empfänger von Bourges C 16. kurz nachdem der Soundso gekommen war, den Willen des Soundso erfragte und mit Erlaubnis des Soundso das, worum ich gebeten hatte, geneigten Sinns gewährte. Siehe, nun ist es an der Zeit, dass Herr Soundso dorthin kommt und er ist dem Soundso bereits enteilt. Ich wende mich daher an den Soundso, damit, falls es dem Soundso gefällt, durch Eure Fürsprache das, was ich erbat, doch wenigstens ein gutes Ende nimmt. Sollte es ihm aber nicht gefallen, was er bezüglich jener Angelegenheit tun soll, so soll er mich darüber in Kenntnis setzen, damit mein Argwohn bezüglich dieser Sache abgewendet wird. Ich bestimme Euch freilich wegen dieser Sache zum Beschützer und Helfer, damit dies, falls es getan werden muss, doch wenigstens von Euch getan werde. Ihr wisst, was der Soundso durch Eure Fürsprache wegen dieser Sache an Euch und mich gerichtet hat, als ich mich mit dem Soundso eine Zeit lang von der Stadt entfernt habe, er hat [mir] dasselbe bekannt gemacht, was er Euch [zuvor] bekannt gemacht hatte. Ergreift den Soundso bei Euch und müht Euch dergestalt wegen dieser Sache [und so], wie Ihr von mir den irdischen Dienst empfangt, so glauben wir, mögt Ihr auch von Gott den vollen Lohn empfangen.
Ich mag es mir verdienen, das Antlitz Eurer Heiligkeit unversehrt anzutreffen und mich beständig über Euer Heil und Wohlergehen zu freuen. Dem Gott getreuen Herrn und unversehrten Freund geht es gut und er dient im Dienste Gottes wie ein guter Streiter Christi. Euer Freund Soundso und auch der Soundso sind gesund und unversehrt und es geht ihnen bestens und all Eure Freunde und deren Angehörige, die in diesen Landen hier leben, sind kraftvoll an Körper und Geist.
Lebt wohl im Herrn, oh frommer Mann, oh heiliger Mann und oh so verehrungswürdiger Mann.